© Redaktion
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Das Jahr 2022 in Listen

Wieder ist ein Jahr vergangen, das manchen Keks weich werden ließ. skug lässt sich aber nicht entmutigen und fasst alles in übersichtliche Tabellen, was die letzte Sonnenumrundung Erwähnenswertes hergab, sei es Ton, Bild oder Sinn.

Gerade erst haben wir unser letztes Herz und Hirn in Schachtelwände gepackt, da steht sie wieder vor uns, die Liste, die das Jahr bedeutet. Es war – wieder mal – ein beschissenes. Um nur den Buchstaben K zu bemühen: Klimakatastrophe, Krieg und Krüne Regierungsbeteiligung. Es läuft gerade nicht gut. Allerdings, wie Samuel Beckett bereits mit der angemessenen existenziellen Tiefenschärfe bemerkte: Warum sollten wir ausgerechnet jetzt aufgeben? Machen wir sicher nicht und freuen uns auf zukünftige Aufgaben. Wir werden weiterhin auf der Straße bleiben und mit dem Salon skug auf Rädern in den öffentlichen Raum radeln. Wir geben weiterhin nicht den Versuch auf, mitzuhelfen, eine differenzierte Medienöffentlichkeit am Leben zu halten, wenn uns hier auch mancher politische Wind ins Gesicht weht. Wir feiern weiterhin unsere (fast) monatlichen Salons, schicken weiterhin fleißig rund 300 Texte im Jahr ins Internet und denken uns dabei: Zumindest stecken wir in den ganzen Krisen gemeinsam drin und wer weiß, wer weiß … Ein Gattungswesen, das so viel wirklich schöne Filme dreht, feinste und auch hübsch schräge Musik produziert, sich schlauste Gedanken abringt, dem ist doch zuzutrauen, die Kurve zu kriegen, oder? Tiefsinnige Gedanken dieser Art bekommen Struktur und Pfiff beim Durchscrollen der Jahreslisten, deshalb wünschen wir einmal mehr viel Spaß beim längsten skug Artikel des Jahres. 

Florian Rieders Top 10 2022

Die Nostalgieschiene fahren zurzeit viele und die Comebacks werden mehr und mehr. Meistens ist das dann eher so: Kann man machen, braucht man aber nicht. Nicht so bei der Legende Kamp. Hier hat einfach jeder (okay, vielleicht grim104 nicht) darauf gewartet, dass nach 13 Jahren endlich ein neues Album erscheint. Das Ganze wurde dann mit einem Konzert im Flex gekrönt und man fühlte sich wie am Klassentreffen. Die weiteren Plätze belegen die üblichen Verdächtigen. Das Podest wird von Audio88 & Yassin und OG Keemo ergänzt. »Mann beißt Hund« ist natürlich für viele DAS Album des Jahres in der Deutschrap-Bubble – insgesamt herrscht aber doch etwas mehr Vielfalt bei »Back im Game Vol. 1«. Abgesehen davon ist Casper der einzige deutsche Act, der sich in den Top 10 hält, der Rest ist von Artists aus den Vereinigen Staaten besetzt bzw. auf Platz 10 von Placebo – auch die Briten leisten ein überzeugendes Comeback, das alte und neue Fans zufriedenstellt. Evidence macht den nächsten Schritt in Richtung Producer und gibt Domo Genesis mit seinen Beats eine Unterlage, auf der man nur glänzen kann, die $uicideboy$ liefern wie beinahe jedes Jahr ein solides Album ab und Freddie Gibbs macht einfach immer Zeug, das in keiner Top-10-Liste fehlen darf. Der Nas-Track »Speechless« kam zwar schon im Dezember 2021 raus – Salute an Producer HIT-BOY –, die Jahresliste war da aber schon fertig, deshalb darf er sich in den Top 10 Tracks 2022 breitmachen. Und sowas von verdient! 2023 kann kommen, hoffentlich mit neuem Monobrother-Album.

Top 10 Alben 2022

  1. Kamp & Fid Mella: »2urück 0hne 2ukunft« (Vinyl Digital, Hector Marcello)
  2. Audio88 & Yassin: »Back im Game Vol. 1« (Normale Musik)
  3. OG Keemo: »Mann beißt Hund« (Chimperator Productions, Groove Attack)
  4. $uicideboy$: »Sing Me a Lullaby, My Sweet Temptation« (G*59 Records)
  5. Bones: »2MillionBlunts« (Team Sesh)
  6. Domo Genesis & Evidence: »Intros, Outros & Interludes« (Bigger Picture Recordings)
  7. Freddie Gibbs: »$oul $old $eperately« (Warner Records)
  8. Wicca Phase Springs Eternal: »Full Moon Mystery Garden« (Self-released)
  9. Casper: »Alles war schön und nichts tat weh« (Eklat Tonträger)
  10. Placebo: »Never Let Me Go« (So Recordings)

Honorable Mentions: Giani: »Moodwaves« • Shacke One: »S1« • Ramirez: »The Tragedy of a Clown« • Backxwash: »HIS HAPINESS SHALL COME FIRST EVEN THOUGH WE ARE SUFFERING«

Top 10 Songs 2022

  1. Kamp & Fid Mella: »Verloren gegangen«
  2. Casper: »Fabian«
  3. Audio88 & Yassin: »Pochoir«
  4. Nas: »Speechless«
  5. Domo Genesis & Evidence: »Don’t Believe Half«
  6. Shacke One: »Papi Chulo«
  7. OG Keemo: »Blanko«
  8. Giani: »Kannich«
  9. Kraftklub: »Ein Song reicht«
  10. Sadistik x Kno: »Burning Suns«

Mio Michaela Obernosterers Top 10 2022

Musikalisch war 2022 – quantitativ wie qualitativ – ein höchst ergiebiges Jahr. Vielversprechende Tracks aus dem Vorjahr, z. B. von Schmyt, Sophia Blenda, Ein Gespenst oder Florian Horwath, zogen die erwarteten Alben-Releases nach sich, von denen einige auch lange in der Spotify-Playlist rotierten. Durchgesetzt haben sich aber letztlich Kandidat*innen, mit denen 2021 noch nicht unbedingt zu rechnen war: Betterov hat sein längst fälliges Debütalbum veröffentlicht und stellt sich neben den US-Kolleg*innen von SRSQ aufs Post-Punk-Podest. Rosa Anschütz und Tempers hauen bei der Berghain-Themenparty back to back Dark Electronica raus, während FKA twigs, Saba und Homeboy Wandl mit smoothen HipHop-Klängen das Vorglühen respektive die Afterhour begleiten. Allfällige Kopf- und Herzschmerzen kann man wahlweise mit Emo-Rap von Wicca Phase Springs Eternal, Depri-Jazz von Black Country, New Road oder Indie-Wisdom von Spencer Krug auskurieren. Und wem das nicht reicht, der doomscrolle sich durch die Top 10 Tracks des Jahres von Blackhaine bis Warpaint. Viel Spaß!

Mios Top 10 Albums 2022

  • Betterov: »Olympia« (Island Records)
  • Black Country, New Road: »Ants from Up There« (Ninja Tune)
  • FKA twigs: »Caprisongs« (Young, Atlantic)
  • Rosa Anschütz: »Goldener Strom« (BPitch Control)
  • Saba: »Few Good Things« ((Saba Pivot, LLC)
  • Spencer Krug: »Twenty Twenty Twenty One« (Pronounced Kroog)
  • SRSQ: »Ever Crashing« (Dais Records)
  • Tempers: »New Meaning« (Dais Records)
  • Wandl: »Body Memory« (Sichtexot)
  • Wicca Phase Springs Eternal: »Full Moon Mystery Garden« (S/R)

Mios Top 10 Tracks 2022

  • Blackhaine: »Stained Materials«
  • Flume: »Say Nothing«
  • Iceboy Violet: »Vanity«
  • Kno x Sadistik: »Neptune Skin«
  • Metric: »Doomscroller«
  • Rainy Miller: »Way Out«
  • Schmyt & OG Keemo: »Mach kaputt«
  • The Murder Capital: »Only Good Things«
  • The Smile: »Free In The Knowledge«
  • Warpaint: »Stevie«

Mios Top 10 Concerts 2022

  • Caribou, 08.03.2022, Arena
  • Digitalism, 28.03.2022, Flex
  • Blackhaine, 01.05.2022, Donaufestival
  • Low + Divide & Dissolve, 11.05.2022, WUK
  • Schmyt, 13.05.2022, Flex Café
  • SRSQ + Riki + Mala Herba, 02.06.2022, Kramladen
  • Edwin Rosen + Saiya Tiaw, 09.06.2022, Grelle Forelle
  • Einstürzende Neubauten, 14.06.2022, Arena Open Air
  • OG Keemo + Gianni Suave, 29.09.2022, Flex
  • The Cure + The Twilight Sad, 23.10.2022, Marx Halle

Lutz Vössings »Jahr Schrott, Soundtrack okay«

Es bedarf ja keiner großen Erklärung, weshalb die letzten 12 Monate mehr oder weniger völlig aus sämtlichen Kalendern gestrichen gehören. Bevor die Menschenwelt sich zur Gänze selbst abgeschafft hat, kann man allerdings noch in die eine oder andere Veröffentlichung reinhören und gegebenenfalls hier oder da ein Fünkchen Hoffnung und Schönheit mit in den Untergang nehmen.

  • Nichtseattle: »Kommunistenlibido« (staatsakt)
  • Bilderbuch: »Gelb ist das Feld« (Maschin Records)
  • The Beths: »Expert in a Dying Field« (Carpark Records)
  • Ryoji Ikeda: »Ultratronics« (NOTON)
  • Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer: »Recordings from the Åland Islands« (International Anthem)
  • Kilbourne: »Cathedrals EP« (PRSPCT Recordings)
  • Derya Yıldırım & Grup Şimşek: »Dost 2« (Bongo Joe)
  • 2LADE: »Mann mit der Brille« (Vaempire)
  • Blightcaster: »Selftitled« (Danse Noire)
  • DJ Stingray 313: »Aqua Team« (Micron Audio)
  • Oren Ambarchi/Johan Berthling/Andreas Werliin: »Ghosted« (Drag City)
  • Soul Glo: »Diaspora Problems« (Epitaph Records)
  • billy woods: »Aethiopes« (Backwoodz Studioz)
  • Damien Jurado: »Reggae Film Star« (Maraqopa Records)
  • Esbjörn Svensson: »HOME.S.« (ACT)
  • Imperial Triumphant: »Spirit of Ecstasy« (Century Media)

Didi Neidharts Ohrenräusche 2022

Pop als Gegenwartsbezeugungen auf der Suche nach den richtigen Gefügen im Falschen.

  • Kenji Araki: »Leidenzwang« (Affine Records)
  • Beyoncé: »Renaissance« (Columbia/Sony)
  • Björk: »Fossora« (One Little Independent)
  • Mykki Blanco: »Stay Close To The Music« (‎Pias/Transgressive)
  • Hieroglyphic Being: »There Is No Acid in This House« (Soul Jazz)
  • Honey Dijon: »Black Girl Magic« (Classic Music Company)
  • Moonchild Sanelly: »Phases« (T Transgressive)
  • Phtalo: »Monotone« (Endless Process)
  • Shygirl: »Nymph« (Virgin)
  • Sudan Archives: »Natural Brown Prom Queen« (Stones Throw)

Didi Neidharts Leseräusche 2022

Literature For Futures, Pop-Memorabilias & Techno-Visions.

  • Carolin Bohn, Thomas Meinecke, Regina Toepfer, Bettina Wahrig: »Ozeanisch schreiben: Drei Ensembles zu einer Poetik des Nicht-Binären« (Verbrecher)
  • Alexander Braun: »Horror im Comic« (avant-verlag)‏‎ 
  • Craig Brown: »One Two Three Four: Die fabelhaften Jahre der Beatles« (C. H. Beck) 
  • Deforrest Brown Jr.: »Assembling a Black Counter Culture« (Primary Information)
  • Jarvis Cocker: »Good Pop, Bad Pop« (KiWi)‏‎
  • N. K. Jemisin: »Die Wächterinnen von New York« (Tropen)
  • Legacy Russell: »Glitch Feminismus: Ein Manifest« (Merve)
  • Juliane Streich (Hg.): »These Girls, Too. Feministische Musikgeschichten« (Ventil Verlag) 
  • Simeon Wade: »Foucault in Kalifornien: Wie der große Philosoph im Death Valley LSD nahm – eine wahre Geschichte« (KiWi)
  • Mathilde Weh in Zusammenarbeit mit Justin Hoffmann und Creamcake (Hgs.): »Techno Worlds« (Hatje Cantz)

Amanda Weckowskis Top 10 Mix aus 2022

2022, das Jahr, das (endlich wieder) Livemusik und Veranstaltungen zugelassen hat, wodurch die meisten Konzerte aus 2020/2021 nachgeholt werden konnten und man sich ein wenig befreiter gefühlt hat. Auch Alben- bzw. Single-technisch gab es heuer einige Releases, die Platz in meinen persönlichen Playlisten gefunden haben (wobei die Reihung der Werke willkürlich ist).

Top 10 Alben 2022

  • COIN: »Uncanny Valley« (Homemade Projects/10K Projects)
  • flor: »Future Shine« (Fueled By Ramen LLC)
  • The Faim: »Talk Talk« (BMG Rights Management (US) LLC)
  • The 1975: »Being Funny In A Foreign Language« (Dirty Hit)
  • half•alive: »Conditions Of A Punk« (RCA Records)
  • Arctic Monkeys: »The Car« (Domino Recording Co Ltd)
  • Maggie Rogers: »Surrender« (Debay Sounds LLC/Capitol Records)
  • LÉON: »Circles« (LL Entertainment AB/BMG Rights Management (US) LLC)
  • The Big Moon: »Here Is Everything« (Universal Music Operations Limited)
  • Harry Styles: »Harry’s House« (Erskine Records Limited/Columbia Records)

Top 10 Songs 2022

  • Paramore: »This Is Why« (Atlantic Recording Group LLC)
  • The Snuts: »Knuckles« (Parlophone Records Limited)
  • George O’Hanlon: »Seagulls« (EMI/Universal Music Operations Limited)
  • The Wldlfe: »Jeremy« (The Wldlfe LLC)
  • Man-Made Sunshine: »Life’s Gonna Kill You (If You Let It)« (Sony Music Entertainment UK Limited)
  • The Black Keys: »Wild Child« (Nonesuch Records Inc.)
  • Jake Whiskin: »Heatwave« (Dance To The Radio)
  • Holly Humberstone: »London Is Lonely« (Universal Music Operations Limited)
  • Nightly: »Twenty Something« (Interscope Records)
  • lovelytheband: »Sail Away« (happy accident)

Ulrich Musa-Rois’ Favourites 2022
Eine Liste an Musik, Filmen und Spielen, die mir im vergangen Jahr Freude bereitet haben, ohne Reihung.

Studioalben

  • Wet Tuna: »Warping All By Yourself« (Three Lobed Recordings)
  • Björk: »fossora« (One Little Independent Records)
  • Sci-Fi Soldier: »Get More Down« (JEMP)
  • Florence and the Machine: »Dance Fever« (Polydor)
  • Beyoncé: »Renaissance« (Parkwood Entertainment/Columbia Records)
  • Garcia Peoples: »Dodging Dues« (No Quarter Records)
  • One Eleven Heavy: »Poolside« (Kith & Kin Records)
  • Goose: »Dripfield« (No Coincidence Records)
  • Ghost Light: »The Healing« (Royal Potato Family)

Archival/Live-Box-Sets

  • Phish: »The Gorge ’98« (Phish/JEMP)
  • Grateful Dead: »In and Out of the Garden« (Rhino)
  • Grateful Dead: »Dave’s Picks Vol. 41« (Rhino)
  • Grateful Dead: »Dave’s Picks Vol. 42« (Rhino)
  • Grateful Dead: »Dave’s Picks Vol. 43« (Rhino)
  • Grateful Dead: »Dave’s Picks Vol. 44« (Rhino)

Film

  • Paul-Thomas Anderson: »Licorice Pizza«
  • Jordan Peele: »Nope« 
  • Alex Garland: »Men« 
  • Taika Waititi :»Thor: Love and Thunder« 
  • Ty West: »X« 
  • Marie Kreutzer: »Corsage«

Games

  • »Elden Ring« (From Software/Bandai Namco)
  • »Return to Monkey Island« (Terrible Toybox/Devolver Digital)
  • »Pentiment« (Obsidian Entertainment/Xbox Game Studios)

Holger Adams 22 für 2022 

22 Tonträger plus ein paar Konzerte und Bücher. So ungefähr war das dieses Jahr. Eine kommentierte Liste.

Tonträger

Metalheads auf Mission im Weltall. Instabile Planeten zerstören, den Außerirdischen füttern. Klaus Schulze winkt von irgendeinem Stern herüber. Eine stilsichere Angelegenheit.

  • Daniel Bachman: »Almanac Behind« (Three Lobed)

Fingerstyle Guitar for Future, nicht nur freitags. Bachman dokumentiert das katastrophale Wetter und dessen Vorhersagen in der Region, in der er lebt, und stellt daraus eine beunruhigende Sound-Collage zusammen. 

Das Duo übertrifft sich selbst mit einer abwechslungsreichen Platte voller detailverliebter Instrumentals. Halb Spaghetti-Western, halb BBC Radiophonic Workshop. Volle Punktzahl.

  • Hällas: »Isle of Wisdom« (Napalm Records)

70’s Retro-Rock, Anleihen bei Yes, Hawkwind und Wisbone Ash. Mit Twin-Guitar-Leads gen Horizont. Fabelhaft.

  • Šimanský Niesner: »V​š​echno Dobré« (Stoned to Death)

Das tschechisches Gitarren-Duo liefert ab. Bob Ross vertont, quasi. Happy acoustic guitars. Stellvertretend hier für weitere hervorragende Alben aus dem Fingerstyle-Genre dieses Jahr (Joseph Allred, Glenn Jones, Elkhorn, Robert Bromley, Elijah McLaughlin, Eli Winter, Alexander Moeckl, Son of Buzzi …)

  • Ultha: »All That Has Never Been True« (Vendetta)

Rabenschwarzer, monolithischer Black Metal. Existenzialistische Achterbahn. Stimmungsvoll und schweißtreibend. 

  • Nora Brown: »Long Time to Be Gone« (Jalopy)

Das Wunderkind ist mittlerweile eine junge Frau. Alte Musik spielt sie immer noch, zum Glück!

  • Wiegedood: »There’s Always Blood at the End of the Road« (Century Media)

Fieser, ultra-stressiger und fordernder musikalischer Mix aus Black Metal, Math- und Noise-Rock. Das belgische Trio zieht Stacheldraht durch die Gehörgänge seiner Zuhörer*innen. Blutig, in der Tat.

  • Sarah Davachi: »Two Sisters« (Late Music)

Mit allerschönster Zuverlässigkeit liefert Sarah Davachi Arbeiten ab, die zwischen musikalischem Minimalismus, Drone und Moderner Komposition changieren. Glocken, Orgeln, Stimme und kammermusikalische Instrumentierung wechseln sich ab und so entstand ein weiteres zartgliedriges und atmosphärisch dichtes Album. Sie hat es einfach drauf. 

Die zwei schon wieder. Zum Glück. Die Totalverkauzung schreitet voran, ich gehe mit.

  • Brannten Schnüre: »Das Glück Vermeiden« (Quirlschlängle)

Bin befangen. Ist egal. Das fränkische Duo im Exil (weil jetzt zuhause in Leipzig) werkelt weiter an der Verzauberung des Alltags. Die Platten verkaufen sich wie geschnitten Brot, zurecht.

  • Kali Malone: »The Living Torch« (Editions Mego)

Posaune, Bass-Klarinette und Eliane Radigues ARP 2500 Synthesizer … das sind einige der Zutaten zu »The Living Torch«. In der Summe ergibt sich eine überwiegend ruhende Klangfläche, opak und erhaben. Erinnert mich von der Stimmung her an die musikalischen Arbeiten von Eduard Artemyev für Andrei Tarkowsky (»Stalker« Soundtrack zum Beispiel). 

  • Razen: »Regression« (Marionette)

Wenn die ein Album rausbringen, dann landen sie auf meiner Jahresendliste. So einfach ist das, wenn man so gut ist wie Razen.

  • Brunhild Ferrari/Christoph Heemann: »Stürmische Ruhe« (Black Truffle)

Ein nasskaltes Stimmungsbild. Türen schlagen zu, es regnet, kühle elektronische Signale verstärken die dräuende Atmosphäre der Aufnahmen. Kopfkino, kein Easy-Listening. 

  • Bloedneus & de Snuitkever: »Milli Mille« (Kraak)

Aulos heißt ein antikes Rohrblattinstrument, das mit einigem technischen Aufwand zu spielen ist, Stichwort Zirkularatmung. Im Erfolgsfall entsteht dann ordentlich Schalldruck, zum Mauern einreißen, sozusagen.

  • Jon Collin: »Bridge Variations« (Discreet Music)

Ätherische Improvisationen auf einer Nyckelharpa, übersetzt »Schlüsselharfe«, aufgenommen unter Brücken in Stockholm (Nebengeräusche inklusive), wunderbar stimmungsvolle Herbstplatte.

  • Jake Xerxes Fussell: »Good And Green Again« (Paradise of Bachelors)

Ein Album mit Interpretationen von traditionellen Folk Songs. Souverän vorgetragen und fantastisch produziert. Unprätentiöse, in vollkommener Schlichtheit schimmernde Musik. 

  • Marisa Anderson: »Still, Here« (Thrill Jockey)

Musik für Geisterstädte und andere sogenannte »Lost Places«. Warum Marisa Anderson bisher keine Soundtracks zu Spätwestern oder – eher in Mode – post-apokalyptischen Dramen abgeliefert hat, ist mir ein Rätsel. Wahrscheinlich fragt keiner!

Eigenwilliges Doppelalbum. Ein musikalisches Wechselbad zwischen Ambient, Shoegaze, Crust Punk und Black Metal, mal erhaben gen Himmel strebend, dann wieder mit der Nase im Dreck.

  • Raum: »Daughter« (Yellow Electric)

Gemeinsames Projekt von Liz Harris (Grouper) und Jefre Cantu-Ledesma. Dicht vernebelte, irrlichternde Ambient-Musik. Maximal melancholisch, traumhaft schön.

  • Imha Tarikat: »Hearts Unchained – At War with A Passionless World« (Lupus Lounge)

Auf Krawall und in rebellischer Pose gegen Genre-Konventionen gebürstetes – weil ausdrücklich positiv gestimmtes und dem Leben zugewandtes – Black-Metal-Projekt aus Mülheim an der Ruhr. Sich beinahe überschlagende Songs, voller Energie und Kraft.

  • Keiji Haino & The Hardy Rocks: »You’re Either Standing Facing Me or Next to Me« (P-Vine)

Japan und der Rock’n’Roll. Da neigt man gerne zur Sollübererfüllung, alle Regler auf 11, mindestens. Siehe Guitar Wolf, Acid Mothers Temple, Les Rallizes Denudes oder eben Keiji Haino, der sich hier Klassiker vorknöpft und durch den Fleischwolf dreht. Total wahnsinnig.

Konzerte

  • Limpe Fuchs, 06.04.2022, Künstlerverein Walkmühle, Wiesbaden

Sie spielt und spielt und spielt und spielt hoffentlich noch sehr lange weiter. 

  • Ultha/Unru, 18.04.2022, Kesselhaus, Wiesbaden

Obwohl beide Bands personell nicht in Vollbesetzung auftreten konnten, lieferten sie intensive Auftritte ab. Scheuklappenfreier, atmosphärisch dichter Black Metal. Konzertabend als Katharsis, kein Scheiß.

  • Hällas, 19.05.2022, Kesselhaus, Wiesbaden

Der Herr der Ringe als Musical, gewissermaßen. Eskapismus pur. Die Mantelmännchen kamen, sangen und siegten. Herrlich!

  • Wiegedood, 02.06.2022, Kesselhaus, Wiesbaden

Wie auf Platte, so auch auf der Bühne: Kompromissloser, knüppelharter und messerscharfer Sound. Keine Ansagen, kein Firlefanz. Danach weiche Knie.

  • Datashock, 17.07.2022, Experimance Festival, Saarbrücken

Denkwürdiger Auftritt des improvisierenden Psychedelic-Kollektivs, inklusive Publikumsbelehrung und -beschimpfung und fliegenden Synthesizerkisten, und das ist jetzt nicht im übertragenen Sinn gemeint. Es ging hoch her, aber niemand wurde verletzt.

Bücher

  • Vashti Bunyan: »Wayward. Just Another Life To Live« (White Rabbit)

Sie erzählt, wie es damals war, in London, die Swinging Sixties, Andrew Loog Oldham und die Popmusik-Karriere, aus der dann doch nichts werden sollte. Dann war lange Funkstille, bis »Just Another Diamond Day« Jahrzehnte später wiederentdeckt wurde und sie dann noch zwei sehr schöne Spätwerke aufnahm. Happy End.

  • Kid Congo Powers: »Some New New Kind of Kick« (Hachette Books)

Der Mann mit der Vita, die alle gerne hätten: The Gun Club, The Cramps, Nick Cave and the Bad Seeds – Kid war überall dabei und erzählt davon. Cool, gar kein Ausdruck.

  • Markus Müller: »Free Music Production. FMP – The Living Music« (Wolke Verlag)

Großes Format, ein Schwergewicht. Das passt zur Musik und Szene, die im Buch umfangreich dokumentiert sind. Free Jazz ist Arbeit. 

  • Frank Schäfer: »Heavy Kraut. Wie der Metal nach Deutschland kam« (Verlag Andreas Reiffer)

Sehr lohnenswerter Blick auf ein bislang wenig beleuchtetes Kapitel deutscher Popkultur: Wie sich aus dem »anderen«, nicht elektronischen Krautrock (frühe Scorpions, Lucifer’s Friend, Franz K. u.v.m.) Hardrock und Metal entwickelten. Zeitzeug*innen wie Uli Jon Roth, Jutta Weinhold und viele mehr berichten.

  • Jennifer Lucy Allen: »Das Lied des Nebelhorns. Eine Klang- und Kulturgeschichte« (Mare Verlag)

Ja, man kann über alles ein Buch schreiben. Und dieses ist besonders originell und spannend.

Jenny Legenstein über miese Politik und hervorragende Kunst

2022 – ein Jahr, das schlimm begann und leider nicht besser aufhört. Zuletzt las ich von einer Umfrage, laut der zurzeit die FPÖ die Partei sei, die bei Nationalratswahlen die meisten Stimmen bekommen würde, nämlich rund 30 %. Das macht mich traurig, trauriger fast als die vielen aus meinem Bekanntenkreis, die in diesem Jahr verstorben sind. Denen blieb wenigstens die Aussicht, die diese Umfrage befürchten lässt, erspart. Mein lebender wie nicht mehr lebender Bekanntenkreis besteht natürlich zum großen Teil aus »linkem Gsindl«, was denn sonst. 

Das Hoch der Rechtsaußen-Partei macht mich aber auch wütend. Wütend auf die 30 % meiner Landsleute, die sich jedoch immerhin darauf ausreden können, dass die anderen Parlamentsparteien echt enttäuschend agieren. Von der ÖVP erwarte ich ohnehin nichts, die letzten Parteimitglieder, die Worte wie Nächstenliebe, Teilen oder den Inhalt der Bergpredigt verstanden, sind seit Jahrzehnten in Pension. Wirklich sauer bin ich auf die SPÖ, die sich vom »Sozialen« vor langer Zeit verabschiedet hat, und sich nicht einmal jetzt darauf besinnt, dass sie ursprünglich für Arme und Ausgebeutete eintrat, für Gleichheit und das, was heute »das gute Leben für alle« genannt wird. 

Heute gilt es unter politischen Akteur*innen, oder genauer Funktionär*innen nahezu aller Couleur als Tugend, pragmatisch zu sein, und zwar ausschließlich pragmatisch, ohne Blick auf (Fern-)Ziele und auf jeden Fall ohne Ideologie. In der Politik auf Sicht zu fahren, wird also als Nonplusultra und State of the Art gefeiert. Ideologie als Utopie wird belächelt, verteufelt, auf den Müll geworfen. Dabei steckt in der Ideologie die Idee und das Ideal. Das klingt fürchterlich altmodisch. Aber: Gesellschaftliche Ordnungen, die diskriminierungsfrei jeder und jedem ein humanes Dasein ermöglichen, die das Wohl und Weiterbestehen von Pflanzen, Tieren, Gewässern, einfach des ganzen Planeten ermöglichen, sind denkbar und müssen angestrebt werden. Die klassenlose Gesellschaft, ja auch diesen Begriff werfe ich nicht über Bord, wird sich vielleicht nie verwirklichen lassen, darauf hinarbeiten müssen wir.

Eigentlich geht es hier aber ums Best of. Und bei allem Schiachen, das in diesem Jahr vorgefallen ist, und den düsteren Aussichten für die nähere Zukunft, halte ich es mit Hölderlins Sentenz »Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.« Mit etwas Zuversicht und Skepsis (Friedrich Hölderlin selbst rettete sich in den Wahnsinn), sehe ich doch Flämmchen leuchten im Dunkel und hoffe, dass wir wünschenswert bald den Schlaf der Vernunft beendet sehen.

Jetzt wirklich, mein kulturelles Best of 2022: (ohne wertende Reihung, alphabetisch geordnet).

Bücher

Viel gelesen dieses Jahr, aber wenig, was mir in (guter) Erinnerung bleibt:

  • Olja Alvir: »Spielfeld. Gedichte – Pjesme – Poems« (Kollektiv Verlag)
  • Roxane Gay: »Schwierige Frauen. Stories« (Btb Verlag)
  • Robert Sommer: »Ich komm aus der Herz Gegend meine Mutter Sprache ist das Herz Klopfen. Ein Blend Werk« (Selbstverlag)

Klassiker, kürzlich auf Deutsch neu aufgelegt und Pflichtlektüre für alle, die sich mit Rasse, Klasse, Gender, Literatur auseinandersetzen:

  • bell hooks: »Die Bedeutung von Klasse. (Kontrast)
  • Audre Lorde: »Sister Outsider« (Hanser)

Entdeckung:

  • Joe Haldeman: »The Forever War« (Gollancz)

Kino

Entdeckung:

Das Filmarchiv Austria zeigt diesen Spielfilm im Rahmen der Retrospektive »100 Jahre Oskar Werner«. Die letzten Tage des NS-Regimes im Führerbunker in Berlin aus Sicht des Nazigegners Hauptmann Wüst (O. Werner). Selbstredend war der Film 1955 kein Kassenschlager. Ein wenig pathetisch, aber sehr, sehr sehenswert. Vergesst den unsäglichen Streifen »Der Untergang«, G. W. Pabsts Werk ist um ein Vielfaches wahrhaftiger und packender als so einige neuere Filme, die auf Authentizität und historische Exaktheit pochen. Sehenswert sind übrigens so manche Filme der Oskar-Werner-Reihe des Filmarchivs. Nicht unbedingt wegen des ikonischen Darstellers (kann man mögen, aber auch nicht), sondern weil vor allem die Filme der Nachkriegszeit und der 1960er-Jahre Denkweisen, Geschichtsbilder jener Zeit (in Österreich) sichtbar machen. Und auch, wie progressiv das heimische Kino sein konnte, siehe »Der letzte Akt«.

TV-Serien

Streamen ist ja, vom Energieverbrauch gesehen, ziemlich schlecht für den Planeten. Trotzdem gestehe ich die guilty pleasure, Fernsehsendungen nach der Ausstrahlung übers Internet zu konsumieren. Dafür besitze ich kein TV-Gerät (und keine Konsole, kein Smartphone, kein Klimagerät, kein Auto). In diesem Jahr hat mich arte in den Bann gezogen:

Ja, genau, das ist die Fernsehserie, mit der Wolodymyr Selenskyj satirisch die Politik seines Landes aufs Korn nahm. Er spielte einen Lehrer, der zum Präsidenten der Ukraine gewählt wird – bald darauf wurde Selenskyi himself zum Präsidenten gewählt.

  • »In Therapie«, 2. Staffel

Eigentlich gehören wir alle auf die Couch … Mit Frédéric Poirot (als Psychotherapeut), Charlotte Gainsbourg (als Psychotherapeutin des Psychotherapeuten), u. a.

Schwedische Science-Fiction-Serie: Hubots, menschenähnliche Roboter, werden für Tätigkeiten wie Arbeiten in Warenlagern, als Haushaltshilfen oder in der Altenbetreuung eingesetzt, aber auch als Prostituierte oder Partner*innenersatz. Der Erfinder der Hubots hat ein paar Exemplare mit Intelligenz und ohne Zwang, sich den Befehlen der Menschen unterzuordnen, programmiert. Und die möchten ihre »versklavten« Artgenoss*innen befreien.

Musik

  • Kee Avil: »Crease« (Constellation)
  • Jana Irmert: »What Happens At Night« (Fabrique Records)
  • Mos: »mnemonic« (col legno)
  • Genevieve Murphy: »I Don’t Want To Be An Individual All On My Own« (Unsounds)
  • Roland Schappert: »Route 2« (R-ecords)
  • Stimmgewitter Augustin: »Die Reste gibt’s zum Schluss« (konkord)
  • Christina Vantzou: »N. 5« (Kranky/Mute)

Konzert

  • Patti Smith, 22.07.2022 in der Arena

Chris Hessles YouTube-Disco 2022

Manchmal frage ich mich, ob YouTube langsam den Club ablöst. Jedenfalls ertappe ich mich regelmäßig dabei, abends vor dem Laptop zu raven, um der kulturellen Enge zu entkommen. Dann träume ich davon, diese Playlist gemeinsam mit Freund*innen und anderen Nachteulen in einem Club voller Neon und Glitter auf einer tollen Anlage zu hören.

  1. Flohio: »SPF«
  2. Cruel Santino: »Heating Rocks«
  3. Manga Saint Hilare: »Kendall & Kylie«
  4. Louis Culture: »Twiss«
  5. Zaire: »Lubumbashi«
  6. Enny: »Champagne Problems Remix (feat. Unknown T)«
  7. Lady Lykez: »Killa Bee«
  8. P1 Caps: »Phoneless«
  9. Aṣa: »Ocean«
  10. Sainté: »Sade«

Jannik Eders Musikrevue 2022

Und, was waren eure schönsten Momente des Jahres? Der Erhalt der Anti-Teuerungs-Sodexo-Gutscheine? Die Nachricht über Thomas Schmids Auspacken bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft? Die Krönung Charles’ III.? Der erste Tröt bei Mastodon? Bei der skug-Leserschaft kann man sich vorstellen, dass es für viele sehr, sehr schön gewesen sein muss, wieder unter »normalen« Umständen Konzerte besuchen zu können. Wobei »normal« – die Anführungszeichen zeigen’s an –, was heißt das noch? Hast vielleicht schon viermal Corona gehabt, deshalb hast keine Angst mehr vor Menschenansammlungen, und es stimmt halt doch, ewiger Rückzug geht nicht. Mach, was dir Spaß bringt, solange du noch kannst, zischelt das Teuferl auf der rechten Schulter. Aber schau auf dich, schau auf mich, schauen wir gemeinsam, dass die Liams und die Emilias und natürlich alle Unterprivilegierten dieser Erde es hier noch lebenswert haben, mahnt das Engerl auf der linken. JA, EH! Zwiespalt, Dilemma und überall Apokalypse, wir kannten das ja immer, aber dass es immer ärger wird, ist nicht mehr nur ein subjektives Gefühl. Musik wird ihre Eskapismusfunktion so schnell nicht einbüßen – hier die Revue 2022.

  • Ben Harper: »Bloodline Maintenance« (Chrysalis Records)

Es beginnt mit langsamem A-cappella, daraufhin die Funkgitarre und die großen Fragen zum Erbe der Un-United States: »Slavery / We need to talk about it / What does it say about America / What does it say about Africa / And what does it say about all of us«. Fantastischer Soul im Geiste von Marvin Gaye und Black Lives Matter.

  • Chat Pile: »God’s Country« (Flenser)

Hart wie früher Feldarbeit: Der Gesang furcht, die Gitarre senst, Bass und Schlagzeug dreschen drauflos. Chat Pile in einem Interview dazu, was ihre Musik zum Ausdruck bringe: »the anxiety and fear of seeing the world fall apart«. Da wird wohl noch einiges kommen.

  • Christin Nichols: »I’m Fine« (Freudenhaus)

Nichols schauspielert vor allem in Krimis des Vor- und Hauptabendprogramms von ARD und ZDF. Verpasst? Egal, unbedingt ihre Musik hören, früher im Duo Prada Meinhoff, heute als Solokünstlerin. Die Aussage »I’m fine« stimmt vermutlich nicht ganz, Nichols hat viel zu bemängeln, vor allem das Patriarchat.

  • Die Nerven: »Die Nerven« (Glitterhouse)

Man mag der Meinung sein, der poppigere Stil stehe den Nerven nicht so gut, die Subtilität früherer Texte biete mehr Reiz als ein plakatives »Deutschland muss in Flammen stehen« – und trotzdem ist das fünfte Album des Post-Punk-/Noise-Trios 2022 einer der besten Releases aus Schland.

  • Ditz: »The Great Regression« (Alcopop Records)

Brachial und britisch, das zieht fast immer. Der stetige Hype um Krach-Newcomer von der Insel beweist es, Ditz reiht sich ein. Video zu »Ded Würst« (keine Ahnung, was das heißt) besser nicht vorm Einschlafen anschauen.

  • King Hannah: »I’m Not Sorry, I Was Just Being Me« (City Slang)

Heuer nichts annähernd so Cooles und Lässiges gehört; schon der Albumtitel deutet auf ein unbeeindrucktes Ego. Die Songs klingen ein wenig, als ritten Portishead nach einer argen Nacht im Saloon einsam durch den Wilden Westen.

  • Maria BC: »Hyaline« (Fear of Missing Out Records)

Nicht nur das Cover, auch die wenig traditionellen Songstrukturen, die schmerzvolle Stimmung und all das Dumpf-Flüchtige im Sound erinnern an Grouper. Im Vergleich ist bei Maria BC aber der Folk präsenter. Gemacht, um sich darin zu versenken. Wunderwunderschön.

  • Moin: »Paste« (Ad 93)

Moin, ein Tech-House-Hipster-DJ aus Hambuich? Paste synonym für Amphetamin? Falsch gedacht! Hier dekonstruieren die Drummerin Valentina Magaletti (Tipp: »A Queer Anthology of Drums«, 2020) und das Ambient-Duo Raime den Post-Hardcore der frühen 1990er.

  • Rosa Anschütz: »Goldener Strom« (BPitch Control)

Die in Wien und Berlin lebende Multiinstrumentalistin debütierte 2020 mit »Votive«, dieses Jahr folgte das zweite hervorragende Album. Hauptader des goldenen Stroms ist der Dark Wave, auf seinem Weg ins offene Meer fließen Rave, Ambient, Industrial und Pop ineinander.

  • Sudan Archives: »Natural Brown Prom Queen« (Stones Throw Records)

Sudan Archives aka Brittney Parks wurde 2017 mit dem Song »Come Meh Way« bekannt und als geigende R’n’B-Innovatorin gehandelt. Innovativ fürwahr, »Natural Brown Prom Queen«, Parks’ Zweitling, vereint so viele Stile und Stimmungen, ein Wahnsinn – und natürlich ein Genuss.

Abschied

Am 5. November 2022 starb Mimi Parker, Schlagzeugerin der aus ihr und ihrem Ehemann Alan Sparhawk bestehenden Band Low. Ihre Krebsdiagnose hatte Parker bereits erhalten, bevor sie sich mit dem dreizehnten Low-Album »Hey What« (2021) und anschließender Welttournee verabschiedete, auch am 11. Mai im Wiener WUK. »Cross over and turn / Feel the spot don’t let it burn / We all want, we all yearn / Be soft don’t be stern.«

G. Bus Schweigers Momente des Jahres 2022

  • First Aid Kit: »Wild Horses II«

Das Beste aus dem Americana-Topf kam heuer direkt aus Stockholm, was für ein relaxtes Lied, was für eine Demonstration absoluter Souveränität.

  • Paul Plut, 28.01.2022, Radiokulturhaus

Die Führung durch die Ramsauer Unterwelt mit Unterstützung der hauseigenen Orgel wird zur Seelenreinigung.

  • Philipp Lingg Band: »Flick doch endle min Herz«

Das Liebeslied des Jahres.

  • Marc Ribot, 05.02.2022, Porgy & Bess

Ribot huldigt allein mit der Gitarre seinem Lehrer und Lieblingskomponisten Frantz Casseus, eine himmlische Grenzerfahrung.

  • Sparks, 24.04.2022, Metropol Berlin

Nach Ewigkeiten genießen die Giganten des Pop den Erfolg, den sie verdienen, und können es kaum fassen. Jede Stadt ist groß genug für die Sparks und mich.

  • David Kitt, 10.11.2022, Laden

Das Tiny Screen Concert wird geboren. Live aus Dublin direkt in die Piaristengasse. Das irische Spontankonzert des Jahres.

  • Raphael Sas: »Schau, schau«

Video des Jahres, Lebensfreude über ganze 2 Minuten und 19 Sekunden.

  • Die Aeronauten: »Hits! Vol.1« (Tapete Records)

Kompilation des Jahres, diese Band muss man immer wieder wiederentdecken, bis sie den Stellenwert haben, den sie verdient hätten.

  • »The Return Of Tanya Tucker«

Brandi Carlisle holt in dieser Dokumentation ihr halsstarriges Vorbild auf den Spuren von Rick Rubin in die Gegenwart. Eine Geschichte, die erzählt werden musste.

Stefan Koroschetz’ Listenzeug 2022

An dieser Stelle sei noch einmal der ungemein sympathische Alex Miksch, der mit seiner Band und seinem Opus Magnum »Krems« sich wieder einmal selbst übertroffen hat, gewürdigt. Ob in kleinerer oder größerer Formation mit Jelena Poprzan, der grandiosen Anna Anderluh und anderen: Der räudige Straßenkater der Dialektmusik kann mit seinem Understatement auf voller Linie punkten.

Live-Acts

  • Soap&Skin, 29.04.2022, Donaufestival Krems
  • Heart of Noise Festival, 26.–28.05.2022, Innsbruck
  • Alex Miksch & Band, 08.06.2022, Porgy & Bess
  • Patti Smith, 21.07.2022, Arena Wien
  • June Coco, 26.08.2022, Fuzzstock Bergfestival
  • Fuzzman & The Singin’ Rebels, 27.08.2022, Fuzzstock Bergfestival
  • Intimspray & Peter Hein im Schallschatten, 31.08.2022, Chelsea
  • Lila Downs, 04.10.2022, Wiener Konzerthaus
  • Sigur Rós, 08.10.2022, Gasometer
  • Son of the Velvet Rat, 16.12.2022, Sargfabrik

Alben

  • Alex Miksch: »Krems« (Lautmalerei)
  • Belofour: »suiten suite« (Bayla Records/Galileo Music)
  • Stimmgewitter Augustin: »Die Reste gibt’s zum Schluss« (Konkord)
  • Black Country, New Road: »Ants from Up There« (Ninja Tune)
  • Vienna Rest in Peace: »Ein Album für die Jugend« (Trauerplatten)
  • CAN: »Live in Cuxhaven 1976« (Spoon Records)
  • Fuzzman: Endlich Vernunft« (Lotterlabel)
  • Lou Reed & Kris Kristofferson: »In Their Own Words« (Red Distribution)
  • The Düsseldorf Düsterboys: »Duo Duo« (Staatsakt)
  • Beyoncé: »Renaissance« (Columbia/Sony Music)
  • Oliver Welter & Clara Frühstück: »Winterreise« (Col Legno)

Michael Zangerl Jahresendliste 2022

An dieser Stelle ein dickes Danke ans skug Team! Ohne Franks Unterstützung, Mios und Alfreds Musiktipps sowie tanzlastige Salons mit Christoph und Ania wäre mein Jahr viel trüber gewesen.

1. Soul Glo: »Diaspora Problems« (Epitaph)

Hardcore, Noise-Rap. Die Kosten wachsen dir über den Kopf? Keine Sorge. Soul Glo sind hier, um einzuheizen – mit Punk auf 180, der Vokal-Performance des Jahres und einer gehörigen Ladung linker Militanz. 

2. Marina Herlop: »Pripyat« (PAN)

Hybrid aus Art Pop, Neuer und südindischer Musik. Ein Kleinod, das gleichermaßen Gleichmut und Entdeckungslust verkörpert.

3. Emily Jane White: »Alluvion« (Talitres)

Chamber Pop/Folk. Melancholie wird in Whites Händen zum politischen Affekt. Verträumt und unnachgiebig.

4. Big Thief: »Dragon New Warm Mountain I Believe In You« (4AD)

Alternative. 20 sanfte Songs voller Liebeserklärungen an Neugeborene und daran, die Ellbogen an den Rändern des Erfahrbaren zu reiben. 

5. The Otholith: »Folium Limina« (Blues Funeral Recordings)

Doom Metal mit Folk-Orchester. Cineastisches Songwriting mit großartigen Riffs, Charlie Chaplin und Gänsehautfaktor.

6. Emma Ruth Rundle: »EG2: Dowsing Voice« (Sargent House)

Ambient-Folk-Improvisationen. Musik, um sich in unmögliche Welten transportieren zu lassen.

7. Kaitlyn Aurelia Smith: »Let’s Turn It Into Sound« (Ghostly International)

Modernistischer Ambient Post-Pop? Wenige Künstler*innen arbeiten so intensiv an musikalischen Formen wie Smith. Hass-Liebe des Jahres.

8. Lucretia Dalt: » ¡Ay! « (RVGN Intl.)

Art Pop, Bolero. Wie der Soundtrack eines Films, dessen Zeit noch nicht gekommen ist.

9. Park Jiha: »The Gleam« (Glitterbeat Records)

Postminimalistische Komposition mit koreanischen Instrumenten. Ideal für ausgedehnte Spaziergänge.

10. Senyawa, Lawrence English, Aviva Endean, Peter Knight, Helen Svoboda & Joe Talia: »The Prey and the Ruler« (Room 40)

Elektroakustischer Drone mit eigens entworfenen Instrumenten. Diese desolate Klanglandschaft belohnt Geduld – mit Albträumen.

Peter Kaisers eklektische Kür

Krieg und Krisen, das war 2022, oder? Trotzdem und allen widrigen Umständen zum Trotz bleibt Musikkultur eine empowernde »healing force«. Auf alte Kräfte aus (Free) Jazz, Metal und (Post-)Hardcore war in diesem Jahr ebenso Verlass wie auf die relativ neuen starken Stimmen.

5 super Alben (alphabetisch):

10 starke Songs (alphabetisch), die u. a. auch zu Zuständen und Verhältnissen 2022 passen:

  • The Art Gray Noizz Quintet: »Killed By An Idiot«
  • Chelios: »Ich stehe auf«
  • Florence + The Machine: »Free«
  • Hammered Hulls: »Hardest Road«
  • Kreator: »Hate über alles«
  • Little Simz: »Heart On Fire«
  • Fred Owusu, SISKA, EsRAP: »2049«
  • Tocotronic: »Nie wieder Krieg«
  • Von Seiten der Gemeinde: »Wolffreie Zone«
  • Wet Leg: »Ur Mum«

Und als Bonustracks noch 2 etwas ältere Songs, die 2022 dauerhaften Eingang in meine Gehörgänge gefunden haben:

  • Josh Pyke: »Endless Summer« featuring Elana Stone (Jezabel-Cover)
  • Shungudzo: »It’s A Good Day (To Fight The System)«

No Means No hatten einst den T-Shirt-Slogan »Stay Home, Read a Book« (freilich bei Konzerten angeboten). Hier nun 5 Mal Punk & mehr zum Schmökern:

  • Vivien Goldman: »Die Rache der She-Punks – Eine feministische Musikgeschichte von Poly Styrene bis Pussy Riot« (Ventil)
  • Greg Graffin: »Punk Paradox – A Memoir« (Hachette Books)
  • Diana Ringelsiep/Ronja Schwikowski (Hg.): »Punk as F*ck – Die Szene aus FLINTA-Perspektive« (Ventil)
  • Jim Ruland: »Corporate Rock Sucks: The Rise and Fall of SST Records« (Hachette Books)
  • Juliane Streich (Hg.): »These Girls, too – Feministische Musikgeschichten« (Ventil)

5 Musiker*innen, die leider nicht mehr in irdischen Gefilden spielen: Thank you for the music – rest in eternal sound! 

  • Mark Lanegan (+22.02.2022)
  • Willi Resetarits (+24.04.2022)
  • Jaimie Branch (+22.08.2022)
  • Pharoah Sanders (+24.09.2022)
  • Mimi Parker (Low) (+05.11.2022)

Walter Pontis’ Faves 2022

Einst erfreuten opulente Ausgaben der drei führenden britischen Independent-Musikmagazine (»Melody Maker«, »NME« und »Sounds«) unterm Gabentisch, ehe diesen der alternative Zeitgeist abhandenkam. Mittlerweile findet man mit den gewiss umfangreicheren »Best of 2022: Music Critic Top Ten Lists« auf Metacritic das Auslangen. Soll sein. 

Meine Albenliste führen mit Tanya Tagaq und Diamanda Galás zwei der gegenwärtig avanciertesten Vokalistinnen an. Abgeschlossen wird sie mit »American Rituals«, einer späten Werkschau der Sound Poetry von Cheri Knight. Female Rap Songs werden im Land der unbegrenzten Möglichkeiten im Jahr 2022 noch nicht zensuriert. Fein. »You ain’t nothin’ but a hound dog«, wie Doja Cat in »Vegas« treffend anmerkt. Break a leg!

Walter Pontis’ 15 Alben 2022

  • Tanya Tagaq: »Voices« (Six Shooter Records)
  • Diamanda Galás: »Broken Gargoyles« (Intravenal Sound Operatio/Indigo)
  • Bill Orcutt: »Music For Four Guitars« (Palilalia)
  • Moin: »Paste« (AD 93)
  • Lucrecia Dalt: »¡Ay!« (RVNG Intl.)
  • Fantastic Negrito: »White Jesus Black Problems« (Storefront)
  • Billy Woods: »Aethiopes« (Backwoodz Studioz)
  • Moor Mother: »Jazz Codes« (Anti/Indigo)
  • Honey Dijon: »Black Girl Magic«(Classic Music Company)
  • Wu-Lu: »Loggerhead« (Warp/Rough Trade)
  • The Chats: »Get Fucked« (Bargain Bin)
  • Petrol Girls: »Baby« (Eat Sleep)
  • Spoon: »Lucifer On The Sofa« (Matador)
  • Jack White: »Fear Of The Dawn« (Third Man Records/Membran)
  • Cheri Knight: »American Rituals«(Freedom to Spend/Cargo)

Walter Pontis’ 10 Female Rap Songs 2022

  • Baby Tate: »S.H.O. (Slut Him Out)«
  • Shenseea, Megan Thee Stallion: »Lick«
  • Doja Cat: »Vegas«
  • Rubi Rose: »I Like«
  • Rubi Rose: »Wifey«
  • Coi Leray & Nicki Minaj: »Blick Blick!«
  • Nicki Minaj: »Super Freaky Girl«
  • GloRilla, Cardi B: »Tomorrow 2«
  • Latto feat. GloRilla & Gangsta Boo: »FTCU (Fuck The Club Up)«
  • Latto: »Another Nasty Song«

Adrian Malligas Best of 2022

Das Jahr 2022 war musikalisch nicht mehr wirklich von Corona geprägt, auch wenn schon noch die eine oder andere Lockdown-Anekdote in den Releases zu finden war. Es gab einige starke Comebacks wie das neue SOHN-Album, coole Debüts wie das von doppelfinger und hoch antizipierte Releases wie »Ants from Up There«, die zweite LP von Black Country, New Road. Nachstehend findet ihr die besten Alben und Songs, die ich in diesem Jahr gehört habe, das Meiste stammt aus der melancholischen Indie- und Alternative-Ecke der Musikwelt.

Album des Jahres

  1. Black Country, New Road: »Ants from Up There« (Ninja Tune)
  2. Kevin Morby: »This Is a Photograph« (Dead Oceans)
  3. The Smile: »A Light for Attracting Attention« (XL Recordings)
  4. black midi: »Hellfire« (Rough Trade Records)
  5. Big Thief: »Dragon New Warm Mountain I Believe in You« (4AD)
  6. doppelfinger: »by design« (Ink Music)
  7. SOHN: »Trust« (4AD)
  8. Nilüfer Yanya: »Painless« (ATO)
  9. Tocotronic: »Nie wieder Krieg« (Universal Music)
  10. L.A. Salami: »Ottoline« (Best Recordings)

Song des Jahres

  1. Kevin Morby: »This Is a Photograph«
  2. Arctic Monkeys: »There’d Better Be a Mirrorball«
  3. The Smile: »You Will Never Work in Television Again«
  4. Black Country, New Road: »Concorde«
  5. SOHN: »Figureskating, Neusiedlersee«
  6. black midi: »Sugar/Tzu«
  7. Black Country, New Road: »Basketball Shoes«
  8. Peter Fox: »Zukunft Pink (feat. Inéz)«
  9. The Düsseldorf Düsterboys: »Korn auf Korn«
  10. The National: »Weird Goodbyes (feat. Bon Iver)«
  11. doppelfinger: »how to hide« 
  12. L.A. Salami: »Peace of Mind«
  13. Pauls Jets: »Magdeburg«
  14. International Music: »5000 Saiten«
  15. Kurt Vile: »Mount Airy Hill (Way Gone)«
  16. Big Thief: »Simulation Swarm«
  17. Nilüfer Yanya: »stabilise«
  18. The Tallest Man on Earth: »Pink Rabbits«
  19. alt-J: »Get Better«
  20. Tocotronic: »Nachtflug«
  21. OSKA: »Misunderstood (It’s Normal to Shiver Version)«
  22. BEACHPEOPLE: »tonight«

Lisa Wallersteins Jahr in Reimen

Bevor das Jahr zu Ende geht,
sich eine letzte Scheibe dreht.
Es springt, von selber ganz, mitunter
manch’ melancholisch’ Ton herunter.
Sinnierend gewahr der Klanggefüge
merkt man des Herzens Wesenszüge.
Sie prägten sich, Rille für Rille,
vom Klangmensch in die Vinylstille.
Und sind nun haftend in der Zeit,
verharrend, doch zum Spiel bereit!
Und wird mit Strom Energie übertragen,
fördert die Nadel sorgsam Musik zutage.
Sie setzt sich fort, mal laut, mal leise,
durchs Ohr in die Gedankenkreise.
Hält an die wogenden Verirrten,
führt sie wie Schafe zu dem Hirten.
Hilft ordnen Freud und Leid und Tugend,
sortiert nach Lied Alter und Jugend
ein, durch die Erinnerung,
legt sie zur Ruh und gibt den Schwung
für neues, unerhörtes Klingen
und macht das Herzerl wieder singen.

… und in Konzerten

  • Bestes Konzert: Kikagaku Moyo, 18.06.2022, Flex
  • Schönstes Konzert: Blixa Bargeld und Teho Teardo, 04.12.2022, Volkstheater
  • Vollstes Konzert: Thirsty Eyes, 05.12.2022, Rhiz
  • Verpasstestes Konzert: Einstürzende Neubauten, 14.06.2022, Arena Open Air
  • Lustigstes Konzert: Knarf Rellöm Arkestra, 10.09.2022, Rhiz
  • Körperlich anstrengendstes Konzert: Tedeschi Trucks Band, 25.10.2022, Benz Arena, Berlin
  • Abgesagtestes Konzert: King Gizzard & The Lizard Wizard, 07.08.2022, Arena Open Air
  • Abgefahrenstes Konzert: Black Myths, 20.08.2022, Klangfestival, Gallneukirchen
  • Wildestes Konzert: K.U.N.T.Z, 16.09.2022, Venster99
  • Berühmtestes Konzert: Lee Ranaldo, 03.08.2022, Fluc
  • Tanzbarstes Konzert: Mdou Moctar, 27.4.2022, Kapu, Linz
  • Feministischstes Konzert: Zinn, 06.08.2022, Lames, St. Pölten
  • Vergleichsweise lautestes Konzert: Hautzinger/Cajado/König, 29.11.2022, Central Garden
  • Geflüchtetstes Konzert: Gewalt, 21.08.2022, Klangfestival, Gallneukirchen
  • Beeindruckendstes Konzert: Les Filles de Illighadad, 06.05.2022, Donaufestival, Krems
  • Häufigstes Konzert by far: Primordial Undermind, 26.02.2022, Chelsea, 17.06.2022, Rhiz, 23.09.2022, Venster99, 23.11.2022, Kramladen
  • Seltenstes Konzert: Moritz Morast, 03.02.2022, in diesem Atelier, wie hieß es noch gleich …
  • Erstes Konzert des Jahres: Monza Blitz, 22.01.2022, Breitenseer Lichtspiele
  • Letztes Konzert des Jahres: In the Hills, the Cities, 18.12.2022, Spitzer

Alfred Pranzls hyperdimensionales 2022

Der 24. Februar 2022 war ein Schock, der noch andauert, und meine interdisziplinäre Liste explodieren ließ. Der Krieg in der Ukraine führt wie der Klimawandel zu extremen Verwerfungen. Alles wird teurer, die dem Kapitalismus immanente Spekulationsgier multipliziert die Krisen. Sinnlose Betongoldbauten, immer mehr Menschen unter der Armutsgrenze, Niedergang allerorten, jedoch nicht bei den Überreichen. Weshalb gleich zwei längere Essays aus den Tasten flossen: Zeitenwenden in einer Epoche multipler Krisen, Teil 1 jetzt, Teil 2 folgt. Voran kompakt an dieser Stelle meine interdisziplinäre politsch-ökologische Auflistung, danach 22 Superalben aus 2022.

  • Friedensnobelpreis 1990: Michail Gorbatschow und Friedensnobelpreis 2022: Memorial, Ales Bjaljazki, Center for Civil Liberties
  • Friedensforscher Werner Wintersteiner in Ö1-»Gedanken«, 11.12.2022
  • »Insights from / Reflections on Ukraine«, 12-seitige Beilage in »IWMpost focus« – Magazin des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen, Ausgabe No. 129, Wien Frühjahr/Sommer 2022
  • Orlando Figes: »Eine Geschichte Russlands« (Klett-Cotta Verlag)
  • Mantas Kvedaraviičus: »Mariupolis«, »Mariupolis 2«, Dokumentarfilme, Ukraine, Litauen, Frankreich, Deutschland 2016, 2022
  • Pussy Riot: »Riot Days«, 06.09.2022 Porgy & Bess, 07.10.2022 Werk X
  • Jafar Panahi: »Khers Nist« / »No Bears«, Spielfilm, Iran 2022
  • Erklärung von UN-Generalsekretär António Guterres zum Abschluss der COP27 in Sharm el-Sheikh (https://unric.org/de/cop27guterres21112022/)
  • Mike Davis: »Die Geburt der Dritten Welt. Hungerkatastrophen und Massenvernichtung im imperialistischen Zeitalter« (Assoziation A)
  • Donatella di Cesare: »Komplott an der Macht« (Verlag Matthes und Seitz) 
  • Alexander Behr »Globale Solidarität – Wie wir die imperiale Lebensweise überwinden und die sozial-ökologische Transformation umsetzen« (oekom)
  • Marlene Engelhorn: »Geld« (Kremayr & Scheriau)
  • Lohngefälle Topmanager vs. Angestellte (EPI, Economic Policy Institute) 
  • Entgangene Erbschaftssteuern (Solidarität, Monatsmagazin des ÖGB) 
  • Älteste Tageszeitung der Welt: »Wiener Zeitung«
  • Ö1-Sendungen: »Zeit-Ton«, »Kunstradio«, »Jazznacht«
  • Letzte Generation

Alfred Pranzls 22 Longplayer-Sounds

Derya Yıldırıms Stimme hat einen lieblichen, hinreißenden Schmelz und eröffnet den Reigen, den gleich fünf Longplayer aus dem Hause Glitterbeat fortsetzen. Yanna Mominas »afar ways« markiert den zehnten Release aus der »Hidden Musics«-Serie. Die aus Djibouti stammende Sängerin gehört den Afar, der zweitgrößten Ethnie des Staates am Horn von Afrika an und schreibt ihre Lieder selbst. Einzigartig sind ihre räsonierenden Vocals, teils von männlichen Stimmen umrahmt, unter spärlicher Instrumentierung (Kalebassen, Handclaps, Akustikgitarre). Auch International Anthem ist mit einigen Tonträgern präsent, wobei Alabaster dePlume, Sozialarbeiter, Poet, Sänger, Saxophonist und Erzähler aus London, mit seiner Doppel-LP hervorgehoben sei: Mehr als golden sind sein mit zärtlicher Inbrunst geblasenes Saxophon und die es umrankenden femininen Gospelstimmen. Ein Spiritual-Jazz-Hochamt und doch ganz anders als das erleuchtende Werk von Carlos Niño & Friends oder des Saxophonisten Shabaka Hutchings, der mit The Comet Is Coming intergalaktischen Rave gebiert. Herausragend auch »La Nuova Collezione« des steirischen Singer-Songwriters Matthias Forenbacher, dessen grandiose Kollaboration mit italienischen Bläsern zu einem Porträt anregt. Demnächst. Und final sei mit den aktuellen Tonträgern von Little Simz und Sudan Archives noch auf deren famose Wien-Konzerte im November bzw. Dezember 2022 verwiesen. 

  • Derya Yıldırım & Grup Şimşek: »Dost 2« (Bongo Joe)
  • Gaye Su Akyol: »Anadolu Ejderi« (Glitterbeat Records)
  • Yanna Momina: »afar ways« (Glitterbeat Records)
  • Al-Qasar: »Who Are We?« (Glitterbeat Records)
  • Širom: »The Liquified Throne of Simplicity« (tak:til/Glitterbeat)
  • Trupa Trupa: »B Flat A« (Glitterbeat Records) 
  • Vieux Farka Touré & Khruangbin: »Ali« (Dead Oceans) 
  • Matthias Forenbacher: »La Nuova Collezione« (Pumpkin Records)
  • Angel Olsen: »Big Time« (Jagjaguwar)
  • Big Thief: »Dragon New Warm Mountain I Believe In You« (4AD)
  • Alabaster dePlume: »Gold« (International Anthem)
  • Anteloper: »Pink Dolphins« (International Anthem)
  • Carlos Nino & Friends: »Extra Presence« (International Anthem)
  • Daniel Villarreal: »Panamá 77« (International Anthem)
  • Pyrolator: »Niemandsland« (Bureau B)
  • DER: »Supersound« (BISOU Records/Beast Records) 
  • mos: »mnemonic« (Col Legno)
  • The Comet Is Coming: »Hyper-Dimensional Expansion Beam« (Impulse/Universal)
  • Sudan Archives: »Natural Brown Prom Queen« (Stones Throw Records) 
  • Little Simz: »No Thank You« (Age 101 Music)
  • Beyoncé: »Renaissance« (Parkwood/Columbia/Sony)
  • Rosalía: »Motomami« (Columbia/(Sony)

Christoph Benkesers austriakische Beinah-Endlosliste

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Ania Gleichs Film-Empfehlungen für den ganzen Körper

Seltsam melancholisch blickt die Erinnerung zwischen abgefallenen Christbaumnadeln und den letzten Kekskrumen auf ein Jahr, das, trotz wenig Gründen zum Feiern, einer ambivalenten Euphorie nicht entbehren will. Ähnlich widersprüchlich stellt sich folgende Ansammlung filmischer i-Tüpfelchen dar, die irgendwo zwischen misanthropischem Abgrund und verträumtem Eskapismus herumtänzeln und so keine stringente Dramaturgie erkennen lassen wollen. Als Listen-faule Cineastin ist die folgende Schubladisierung dieser 2022er Kino-Highlights also willkürlich und soll die Balance zwischen leichtfertiger Einordnung und pathetischer Klassifizierung stolz ins frische 2023 tragen. 

Filme fürs Herz

Filme fürs Hirn

  • Jerry Rothwell: »Warum ich Euch nicht in die Augen schauen kann«
  • Kenneth Branagh: »Belfast«
  • David Cronenberg: »Crimes of the Future«
  • Claudia Müller: »Elfriede Jelinek – die Sprache von der Leine lassen« 
  • Kurdwin Ayub: »Sonne«

Filme für den Bauch oder ganzen Körper

  • Ruben Östlund: »Triangle of Sadness« 
  • Quentin Dupieux: »Incroyable mais vrai«
  • Saralisa Volm: »Schweigend steht der Wald« 
  • Luca Guadagnino: »Bones and All« 
  • Yngvild Sve Flikke: »Ninjababy« 

Die Consumerism-Escapism-Videos 2022 von Frank Jödicke

Die Escapism-Liste gibt es seit vielen Jahren und sie wird vermutlich immer wichtiger, weil sie die Videos des Jahres bietet, die Augen- und Ohrenkanäle so effizient verstopfen, dass der Geist (aka Restverstand, aka das Ding, das dauernd arbeitet) wegdriften darf und sich in gerade genügend großen Schau- und Hörreizen ergehen kann. Einfach weil die Kombination von Bild und Ton zu schön, zu seltsam oder zu irgendwas ist, um nicht hinzusehen. Im stressigen Alltag ist es zunehmend von Bedeutung, mal was zu empfinden, weil oft die Zeit fehlt, ein Buch zu lesen, einen ganzen Film zu schauen oder sich auf eine neue Musik einzulassen. Einfach mal nur kurz den Mund aufsperren und denken: »Ach.« Auch wenn die Pandemie jetzt vorbei ist (ist sie doch, oder?), bleibt schließlich der Lockdown im Kopf, diese Liste versucht ein paar Fenster zu öffnen. 

Jockstrap: »Concrete Over Water«

Jockstraps Art, Musik zu machen, lässt sich so fassen: Im Kuhstall wird ein Fliegenleim ausgelegt. Die Sounds, die kleben bleiben, kommen aufs Tape. Fertig. Dementsprechend alles herrlich crazy in Sound und Bild. Hemmungslos kosmische Themen, die bildgewaltig bearbeitet werden. Die Erde eine Styroporkugel an der Nylonschnur. Kein CGI, kann alles mit Haushaltsgegenständen nachgefilmt werden. Am Anfang und Ende der klassische Kenneth-Anger-Powermove aller Experimentalmusiker*innen: das Material einfach rückwärts abspielen. Passt.

Asake: »Organise«

Whaaaat? Der Afro-Beat-Masta braucht gute zwei Minuten, um Absurdität, Pathos, Sexiness, Familienwerte, entfremdete Arbeitswelt, Schulsystem, Raubkunst, Kolonialismus, Gewalt und den ganzen Rest unterzubringen. Kurze Zwischenfrage: Sind das eigentlich Viet Kong? Wurscht, wir sollten uns organisieren, da hat Asake einfach Recht.

Eddie Chacon: »Holy Hell«

Ach ja, die guten alten Zeiten, als die Autos noch Kassettenlaufwerk hatten und der Beifahrer während der Fahrt noch Keyboard spielen konnte. Der Sound ist von der Qualität von Thundercat und ebenso ein bisschen leicht beknackt. »We can make it holy or we can make it hell.« Stimmt eh und beweist: Eddie Chacon ist in Würde alt geworden und eigentlich besser denn je, oder: »Would I Lie To You, Baby?«

Samora Pinderhughes: »Masculinity«

»Young man, come down from that tower / It isn’t yet your time.« Ein ergreifender Kurzfilm, der bedeutungsstarke Bilder zur eindringlichen Musik liefert und immer die knappe Grenze zum Kitsch wahrt. In diesem kleinen Gesamtkunstwerk zu männlichen Empfindungswelten steckt mehr Wissen drin als in 200 Jahren ORF 2. Auch hier die kleinen Bild-in-Bild-Frames, die dieses Jahr einfach hip bei ambitionierten Videos sind. 

Steve Lacy: »Sunshine ft. Fousheé« 

Enjoy the simplicity. Ein paar der besten Videos ever sind die Durchführung eines einzigen, simplen Gedankens. Für Steve Lacy und Fousheé heißt es Abheben zu einem der klarsten, aussagekräftigsten und Lust am Zuschauen machenden Video seit »Bakerman« und die mussten damals extra Lars von Trier herbeibemühen. Es macht gerade deshalb so viel Spaß, weil man eh gleich checkt, was passieren wird. 

Alabaster DePlume: »Dont Forget Youre Precious«

Die Kinder spielen Erschießungskommando, der zum Tode Verurteilte erinnert an ein wichtiges, aber gern übersehenes Detail: Wir merken uns all diesen unnötigen Unsinn und vergessen darüber, wie kostbar und bedeutend wir sind. Bilder, Nahaufnahmen, Gestik und die musikalische Komplexität einfacher Mittel des Gus Fairbairn machen diese 3 Minuten und 55 Sekunden zu einem ergreifenden und kaum vergesslichen Erlebnis. 

Bad Bunny: »Moscow Mule« 

Die Chronist*innenpflicht verlangt, den meistgestreamten Artist des Jahres einmal kurz anzuglotzen und tja, was soll man sagen? Menschheit, 2022 und Bad Bunny – ihr habt einander einfach verdient. Vor den Gefahren, nackte Männer vom Straßenrand mitzunehmen, wird eindrücklich gewarnt. Dann wird der genretypische »Zu-was-gekommen-sein«-Reichtum ausgestellt, bis zum Booty-Call. Beim unausweichlichen Blankziehen zeigt sich überraschend, der Sonnyboy und seine Liebste haben halt keine Genitalien (Barbie-und-Ken-Style). Wer braucht die aber, wenn man Hochdruckwasserdüsen in den Unterschenkeln hat? Jenseits von Seltsam und in einer gruseligen Weise unfreiwillig komisch. Für ein Accidental Masterpiece leider zu verblödet. 

Ethel Cain: »American Teenager«

Sind wir nicht alle froh, nicht in der US-amerikanischen Provinz aufgewachsen zu sein? So viele Regeln, von Religion bis Dating und lokalem Leistungssport. Aber wenigsten kann der ganze Unsinn, dem man ja lebenslang doch nie ganz entkommt, mit der nötigen Distanz von der Musikerin und Autistin Ethel Cain in umwerfende Songs verwandelt werden.

Soul Glo: »Gold Chain Punk (whogonbeatmyass?)«

Schöner Hardcore, angemessen verfilmt. So ist das eben, wenn man morgens im Altglas-Container aufwacht, der das eigene Bett ist, und das Video belegt, dass man auch echt stinkig drauf sein kann, wenn man auf einem von diesen scheiß Elektromobilen herumkurvt. Und überhaupt: Warum – verdammt noch mal – stehen da überall so bescheuerte Typen rum? Zum Reinschlagen.

Yeah Yeah Yeahs: »Wolf«

Bekanntlich müssen Frauen der höheren Gesellschaft einwilligen, dass sie, wenn sie einen Fauxpas begehen, fortan wie ein Tier im Wald leben. Logisch, deshalb heißt es ja auch »unverzeihlicher Fehler«. Yeah Yeah Yeahs zeigen, dass das ganz schön Spaß machen kann, dem Ruf des Zwitschervögelchens zu folgen, denn in der Natur lebt’s sich irgendwie ursprünglicher. Eine schöne Hymne der New Yorker Rocker*innen, die zeigt, wie geil es im Wald sein kann. 

The Weather Station: »Endless Time«

Abschiede sind manchmal schwer auszuhalten. Tamara Hope blickt uns schwermütig und zweifelnd an. Dann geht sie mit uns eine Straße in einer nordamerikanischen Großstadt entlang. Den anderen geht es auch nicht gut. Das sieht man gleich. Vielleicht sich mal kurz umarmen? Die Hand auf die Schulter legen? Es ist bitter, sehr bitter. So viel ist klar. Die Musik und der Film bilden einen transzendenten Augenblick der Gemeinschaft der einsam Trauernden. Zum Niederknien schön: »It’s only the end of an endless time.« 

Built to Spill: »Fool’s Gold«

Ein Video über die drängenden Themen unserer Zeit: Autos und Frisuren. Platten von Built to Spill sind wie der Besuch eines guten, alten Freundes, der einem immer die gleichen Stücke auf der Gitarre vorspielt, die aber seit Jahrzehnten einfach gut sind. Das ist Indie entwicklungslos, trotz des periodischen Komplettaustauschs der Bandmitglieder, bis eben auf Doug Martsch. Was immer er so mit sich herumträgt, er macht es zu guten Melodien, satten Sounds, die er mit einzigartiger Stimme vorträgt.

Gilla Band: »Post Ryan«

Holy fuckin’ shit, was für ein Sound und was für Bilder! Vorsicht: sicherlich ein Video, das Krampfanfälle auslösen kann. Logisch: »I’m in recovery.« Das Ganze wäre ideal für den Salon skug, sowohl was Musik als auch was die Kunstschiene betrifft. Vielleicht schaffen sie es ja mal aus Dublin rüber ins fade Wien. Wir kratzen die letzte Kohle zusammen …

Danger Dan: »Eine gute Nachricht«

Abschließend hat sich Danger Dan noch in die Liste geschummelt, mit einem etwas mehr als zwölf Monate alten Song. Grund: Die Nummer ist einfach auch 2022, trotz aller sonstigen guten Arbeit der Antilopen Gang, ein Song dieses Jahres. Religion, Philosophie leicht und widerspruchsfrei erklärt, im gut gefilmten Naturkundemuseum, das die Message brillant unterstützt: Bald sind wir alle ausgestopft und blicken starr auf die Glasscheibe. Aber heute noch nicht! Prosit 2023!

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