Fletcher Tucker lebt in Big Sur, Kalifornien, einem Küstenstreifen zwei Stunden südlich von San Francisco. (Zur weiteren Lektüre: »be sure to wear some flowers in your hair«.) Aufgenommen wurde das vorliegende Album allerdings in Schweden, ebenfalls an der Küste. Wo ist da jetzt der Zusammenhang, wenn nicht an den mit Blumen bekränzten Haaren herbeigezogen? Geduld,…
Eine Platte ist immer auch ein Szenereport. Wer spielt wann mit wem und warum und wer schreibt was drüber? In den 1970er-Jahren war das sicherlich glamouröser, aber ich bin nicht Lester Bangs und selbst der »Rolling Stone« ist heute ein Nischenmagazin. Über die Home-Recording-Sessions zu »Seafarin’ & Backporchin’« kann ich leider auch nichts im Gonzo-Stil…
Trotz Covid diese Übersicht! Die skug-Redaktion listet auf, was das Jahr 2020 an Bemerkenswertem in Bild, Ton, Klang, Flimmer, Wort und Rausch zu bieten hatte.
Ich könnte es mir leicht und Leser*innen diesen Konsumhinweis vor allem damit schmackhaft machen, dass ich auf historische Vorbilder der Musik von Phantom Horse verweise. Alben wie »Deluxe« von Harmonia, »Sowieso« von Cluster oder Hans-Joachim Roedelius’ »Selbstportrait«-Reihe werfen eindeutig ihren langen Schatten auf nicht nur dieses Album von Phantom Horse. Zu ergänzen wäre dann nur…
Gwenifer Raymond ist eine walisische Gitarristin, die gewissermaßen vollumfänglich als Riot-Grrrl-Role-Model durchgehen kann. Die promovierte Physikerin programmiert zum Broterwerb in der Computerspielbranche und erweitert zum Feierabendbier auf der Couch gerne ihr ohnehin schon enzyklopädisches Wissen um Horror-B-Movies. Das klingt fast wie ausgedacht am Institut für Gender-Studies an der Universität Wolkenkuckucksheim und entsprechend viel Aufmerksamkeit kam…
Orphan Fairytale ist seit über 15 Jahren Eva van Deurens musikalische Rappelkiste. Im belgischen Underground fest verwurzelt, hat sie über die Jahre hinweg unzählige CD-Rs und Kassetten sowie eine Handvoll Schallplatten veröffentlicht. Jetzt sind zwei neue Alben erschienen: »Tune In Tree Ears« auf Kraak und, mehr oder weniger zeitgleich, auf Ultra Eczema »Titania Moon« (dessen…
Kurz bevor das belgische Kraak Label mit Vica Pachecos »Symplegmata« eine sehr zugängliche Platte abwechslungsreich-verspielter elektronischer Miniaturen veröffentlichte, hauten sie ihrem Publikum, das ist einiges gewöhnt, »Nervous Rattles« hin. Unter dem Alias Kramp veröffentlicht Stijn Wybouw hier musikalische Schleifen aus unheimlichem Gemurmel und anderen Geräuschen, von denen man im Schlaf nicht überrascht werden möchte. Die…
Begriffe haben ihre Halbwertzeiten. Durch die frühen 2000er hindurch bis in die Mitte der vergangenen Dekade hinein wurde jedes nicht songorientierte Musikmachen oder Lärmen mit der Vokabel »experimentell« bedacht, was zur Folge hatte, dass das Adjektiv zum Genrebegriff mutierte und daher ähnlich unscharf wurde, wie zuvor »Indie« oder »Punk«. Sei’s drum, so ist das eben….
Auch notorische Provokateure werden mit den Jahren ruhiger. W. David Oliphant, Michael Pistrui und Alan Bishop, die diesen Tonträger eingespielt haben, haben die 60 überschritten, und vor allem Alan Bishop ist durch seine Umtriebe mit den Sun City Girls und unter dem Alias Alvarius B/Uncle Jim dafür bekannt, kein Blatt vor den kettenrauchenden Mund zu…
Mit »Emanations of Desolation« veröffentlichen Sun Worship ein neues Album, ihr erstes in Duobesetzung. Lars Ennsen und Bastian Hagedorn sprachen mit skug über den veränderten Arbeitsprozess zu den Aufnahmen des Albums, den neuen Sound der Band und ihr Selbstverständnis als (Black) Metal Band.
Spemakh sind ein multi-(nicht-)professioneller Haufen, der sich an verschiedenen Instrumenten vergreift – und zwar mit Absicht. Ohne Rücksicht auf Hörgewohnheiten oder andere Bequemlichkeiten setzen sich die sechs Mitglieder der Gruppe auf der Bühne mit der Frage auseinander, was sie denn zu ihrer eigenen und der Unterhaltung ihres Publikums als nächstes mit der Vielzahl an verfügbaren…
Seit 2009 veröffentlicht das Label three|four Records Musik, die im stilistischen Niemandsland zwischen Ambient, Post-Rock, Drone, Singer-Songwriter und experimenteller Musik angesiedelt ist. Was die Alben eint, ist ihre durchgehend hohe Qualität. Dies gilt vor allem für das Jahr 2017, in dessen erster Hälfte sechs Neuerscheinungen herausgekommen sind – weitere werden in der zweiten Jahreshälfte folgen. Aus Anlass dieser Fülle hier ein Interview mit Label-Gründer Gaëtan Seguin sowie ein Blick auf die Veröffentlichungen der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit.
Es quietscht eine Geige souverän knapp neben den Ton, und es irrlichtert ein Hackbrett durch eine kurze musikalische Skizze, die – angereichert durch allerlei nicht weiter identifizierbare Geräusche – im Ohr bleibt wie ein Traumfragment, das in den Tag hinein begleitet, und immer wieder spricht oder singt darin mit beinah tonloser Stimme oder in der Art, wie Kinderlieder gesungen werden, eine junge Frau rätselhafte, verträumt-melancholische Texte. Vieles könnte im Rahmen des ästhetischen Programms, das Brannten Schnüre verfolgen, misslingen. Inspiriert durch romantische, surreale und expressionistische Literatur und musikalisch ebenso blumig (in der Hauptsache Ambient- und Folk-Music-Collagen) orientiert, könnte man das Duo aus Würzburg mit beiden Beinen im Kitsch wähnen.
Die routinierte Rede über psychedelische Rock-Musik greift gerne auf (abgegriffene) Sprachbilder zurück: »Alles fließt, glühend heißer Lava gleich bahnt die Musik sich ihren Weg, eine brodelnde Naturgewalt, so verführerisch wie vernichtend.« Diese (vielleicht wenig originellen) Metaphern haben ein paar Vorteile: sie können – zumindest unter interessierten Freaks – als allgemein verständlich voraus gesetzt werden und…
Mit gutem Grund kann man davon sprechen, dass die Musik auf einem Tonträger bloß den fragmentarischen Anhalts- und vorläufigen Endpunkt einer Vielzahl von über die Veröffentlichung hinausgehenden sozialen Erfahrungen repräsentiert.
Reduktion + Wiederholung = Hypnose. Diesem quasi-primitiven Rezept folgt eine Reihe von Bands, die sich minimaler Mittel bedienen, um sich und ihre Zuhörer_innen in einen Rausch zu spielen. France etwa, die mit Bass, Drum und Hurdy-Gurdy hantieren, oder das ebenfalls in Frankreich beheimatete Duo Nibul, in der Hauptsache Schlagzeug und Gitarre bedienend. Mit diesem Instrumentarium…
Mit dieser selbstbetitelten Platte veröffentlicht der 27-jährige Daniel Bachman bereits sein achtes Album (zählt man Kassetten-Veröffentlichungen mit, so sind es noch zwei, drei mehr). Seit seiner ersten Veröffentlichung hat sich der Gitarrist aus Fredericksburg/Virginia dem Erbe von John Fahey und – stärker noch – Jack Rose verschrieben: einer kontinuierlichen Aktualisierung dessen, was Fahey »American Primitive«…
Eric Arn lebt in Wien und spielt Gitarre. So nüchtern und unprätentiös ließe sich der Stand der Dinge zusammenfassen. Die musikalische Biographie des Amerikaners reicht jedoch zurück bis zum Beginn der 1980er-Jahre: Arn war u. a. Mitglied der Crystalized Movements, bevor er sein langjähriges Bandprojekt Primordial Undermind ins Leben rief, und dass sein Vinyl-Solo-Debüt auf…
Die vorliegende Veröffentlichung ist die vierte in einer fortzusetzenden Reihe von kuratierten Split-LPs auf Unrock. Die ausgewählten Musiker_innen eint bisher sowohl ein gewisser anti-akademischer Stallgeruch als auch ein gerüttelt Maß an avantgardistischer Außerordentlichkeit: Alan Bishop, Sam Shalabi, Bill Orcutt und Sir Richard Bishop – allesamt Vorzeigequerköpfe des musikalischen Undergrounds – kamen zum Zug, ergänzt um…
Léonore Boulanger war mir bisher nicht bekannt. »Feigen Feigen« ist bereits das dritte Album der Französin, die sich nicht wenig Mühe gibt, mit allerlei Verspieltheit zu punkten. Die Instrumentierung der zwölf Lieder auf »Feigen Feigen« wartet mit einer Reihe von Instrumenten auf, die um einen prominenten Platz in den detailreichen und kurzweiligen Kompositionen wetteifern. Neben…
Sam Shalabi ist ein kanadischer Musiker. Er hat auf der ersten A Silver Mt. Zion ein wenig Gitarre gespielt, mit seinem Ensemble Land Of Kush auf Constellation Records Platten veröffentlicht und ist auch ansonsten in der kanadischen Post-Punk-, Improv- und Jazz-Szene kein Unbekannter (und hat u. a. auch mit der in jüngerer Vergangenheit vielfach gefeierten…
Ein kurzer Blick in die Tape-Label-Szene beweist: Ob Noise, Drone, Minimalismus, Spoken Word oder Psychedelic, der No-Audience-Underground lebt!
Das portugiesische Duo Calhau! legt mit »Ú« sein drittes Album vor. Ich kenne die beiden Vorgängeralben nicht. Ich habe auch nicht versucht, während des Hörens der Platte und des Schreibens der Rezension, diese Wissenslücke zu schließen. Ich war und bin hinreichend damit beschäftigt herauszufinden, was ich von »Ú« halten soll, und das ist ja erst…
Der Belgier Bram Devens veröffentlicht als Ignatz (benannt nach der Comic-Strip-Maus von George Herriman) mit »The Drain« sein ungefähr siebtes oder achtes Album – je nachdem wie man zählen will, ob man die zahlreichen Kassetten und CD-R-Veröffentlichungen mitzählt oder nicht. Das nur als Hinweis für all jene, die durch diese Rezension Erstkontakt mit Ignatz’ Musik…
Mit dem vorliegenden Album erscheint nach »Vogelmusik« (2007) das erste Soloalbum von Limpe Fuchs seit neun Jahren! Mir wäre dieser einleitende Satz Rezension genug, um nach dessen Lektüre sofort aufzuspringen und »Gestrüpp« online zu bestellen (wie man das eben heute so macht). Direkt beim Label, keine Umwege! Aber ich schreibe diese Rezension ja nicht für…
Die Vinylversion dieser Aufnahmen auf Unrock ist ein Rerelease der CD-Veröffentlichung des Albums, das im letzten Jahr auf dem libanesischen Annihaya-Label erschien. CDs aus dem Libanon gibt es nicht an jeder Straßenecke, daher ist es umso besser, dass die Platte erneut zugänglich gemacht wird. – Auch wenn die Zielgruppe erwartungsgemäß klein sein dürfte, denn Mazen…
Real Estate, Pink Floyd, Grizzly Bear, Tom Tom Club, Stone Roses, La Düsseldorf, Phoenix, Galaxie 500, Yes … – eine ganze Menge durchaus sehr unterschiedliche Bands fallen mir ein, während ich das Debütalbum der Oracles anhöre. Die melodieverliebten, leichtfüßigen und verträumten Songs auf »Bedroom Eyes« sind üppig arrangiert und stilistisch um keinen Kunstgriff verlegen. Sie…
Black Metal. Da hatte ich 1992 gerade noch so Darkthrones »A Blaze In The Northern Sky« mitgekriegt, da ich – als Metal-Landei – ein paar Peaceville-CDs auf Klassenfahrt in Berlin gekauft hatte (u. a. »Gothic« von Paradise Lost) und das Label irgendwie im Auge behielt (»Rock Hard« lesen).