Günther Schlienz © Hanno Braun
Günther Schlienz © Hanno Braun

Deep Listening für Wellness-Oasen

»Sterne über der Stadt« (2017) und »Orph​é​e Aux Enfers« (2020) des deutschen Elektronikers Günter Schlienz sind in limitierten Vinylauflagen auf Silent State Recordings wiedererschienen. Eine Empfehlung.

Günter Schlienz macht elektronische Musik. Die wird überwiegend auf Nischenformaten (meistens Kassetten, manchmal CD-Rs) und in Kleinstauflagen von 50–100 Stück veröffentlicht, die in aller Regel schnell ausverkauft sind, manchmal binnen Stunden. Darüber hinaus ist die Musik über die gängigen Online-Portale verfügbar. Doch mit der Digitalisierung hat sich die Formatfrage in der Popkultur mitnichten erledigt, und daher hier der Hinweis, dass zwei lange vergriffene Veröffentlichungen von Günter Schlienz seit Kurzem (und für wohl eher kurze Zeit) wieder erhältlich sind, und zwar dieses Mal in sehr schönen Vinylauflagen von jeweils 200 Exemplaren, die das Frankfurter Label Silent State von den beiden Alben »Sterne über der Stadt« und »Orphée Aux Enfers« aufgelegt hat. 

»Sterne über der Stadt« erschien ursprünglich 2017 auf dem Pariser Pantheon-Label als CD-R, »Orphée Aux Enfers« 2020 als Kassette auf Moon Glyph mit Sitz in Portland (Oregon). Und ich sitze hier und schreibe ein Review, weil jenseits von Formaten, Limitierungen und sonstigem branchenüblichem Schickschnack die Musik zählt. Und die ist sehr, sehr gut. Günter Schlienz’ elektronische Musik entsteht in der Hauptsache durch das geduldige Hantieren mit Modular-Synthesizern und Bandmaschinen und manchmal ergänzen weitere Instrumente sowie Field Recordings das Klangbild. In Summe entsteht so eine Musik, die, in Genrebegriffe gefasst, Anleihen bei Musique concrète, krautiger Elektronik, New Age und Ambient nimmt und da fallen einem in diesem Zusammenhang beispielhaft Tangerine Dream, Klaus Schulze, Mort Garson, Pauline Oliveros, Emerald Web oder – aus jüngerer Vergangenheit – Norm Chambers (Panabrite) oder Daryl Groetsch (Pulse Emitter) ein. 


All diese Einflüsse und Referenzen sind Schlienz nicht fremd, er hat seine Hausaufgaben gründlich gemacht, doch zeichnen jede seiner eigenen Veröffentlichungen eine unverkennbare Ruhe und Gelassenheit aus, die sozusagen »typisch Schlienz« sind. Der Stuttgarter Musiker verfügt zudem über die beeindruckende Fähigkeit, seinen sorgsam konstruierten Kompositionen eine gewisse Leichtigkeit zu verleihen, die, oberflächlich wahrgenommen, den Eindruck erwecken vermag, es handele sich hier um Hintergrundmusik für Wellness-Oasen. Und, nicht dass wir uns hier falsch verstehen, nichts gegen Wellness-Oasen! Doch auch wenn die ätherisch anmutenden Klänge dazu geeignet sind, im Bademantel im Ruhebereich einzudösen, so besteht der eigentliche Reiz dieser unaufdringlichen Kompositionen darin, zuzuhören und ihren Detailreichtum zu entdecken. Deep Listening! Live am Samstag, dem 5. August 2023 in Waidhofen an der Ybbs beim Feathered Coyote Family Meetup.

Günther Schlienz © Hanno Braun

Links: http://www.guenterschlienz.de

https://silentstaterecordings.bandcamp.com/ 

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