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Von kleinem Geld und großen Nasen

Tove Jansson ist die bekannteste Autorin und Zeichnerin Finnlands. Obwohl ihre Mumin-Comics in 40 Sprachen übersetzt wurden, ist sie als Person weitestgehend unbekannt. Zaida Bergroths Film »Tove – auf der Suche nach Freiheit und Liebe« füllt diese Lücke und zeichnet ein ehrliches Porträt.

Auch wenn vielleicht nicht jede*r die Mumin-Comics im Original gelesen hat, so kennen vermutlich selbst alle Millennials und Gen-Zs die Zeichnungen der nilpferdartigen Trollwesen, auch Mumins genannt, zumindest von diversen Abbildungen auf Kinderpyjamas, Stramplern oder Teetassen. Natürlich ist das eine absolut inadäquate Repräsentation der in fast 40 Sprachen übersetzten Comic-Geschichten und der unendlich reichhaltigen Fantasiewelt von Tove Jansson, die Mitte der 1940er-Jahre als Kritzeleien im Notizbuch der finnischen Autorin begonnen haben. Vor allem aber erzeugt die reine Reduktion auf die Mumins eine völlig verkürzte Geschichte der finnischen Künstlerin, über die man – wenig überraschend – außerhalb von Finnland fast nichts weiß. Zaida Bergroths Streifen »Tove – auf der Suche nach Freiheit und Liebe« will das ändern und gibt der persönlichen Geschichte Janssons den gebührenden Raum, während er ein überraschend stürmisches Porträt der 2001 verstorbenen Autorin zeichnet. Der deutsche Zusatztitel »Auf der Suche nach Liebe und Freiheit« ist dabei auffällig erzwungen und lenkt missverständlicherweise schon im Vorfeld die Aufmerksamkeit auf die falschen Aspekte dieser doch sehr stürmischen Lebensgeschichte.

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Auf der Suche nach Geld und Anerkennung

Tove Jansson (großartig besetzt von Alma Pöysti), wächst, noch gebeutelt von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs, in einem »bohèmen« Umfeld auf: Der Vater, Viktor Jansson (Robert Enckell), gilt als bekannter Bildhauer im künstlerischen Milieu Helsinkis und will seine Malerei-affine Tochter mit eiserner und akademisch-konservativer Haltung zur Perfektion treiben. Ihre kleinen Rebellionen als junge Malerin, die sich gegen das vertrocknete Erbe ihrer Eltern-Generation auflehnt, werden wie gewöhnlich vom Zeitgeist der alten und männlichen Akademie abgelehnt.

Trotz eines Ateliers mit kaputten Fenstern und mangelndem Brennholz hält Tove aber ihren Humor hoch und sich selbst durch die marginale Unterstützung ihres ablehnenden Vaters und mit einigen politischen Karikaturen, die sie in kleineren Blättern publiziert, irgendwie über Wasser. Die Lebensfreude in dem kleinen Nukleus an geistesverwandten Menschen lässt die stürmische und neugierige Tove ehrgeizig bleiben. Bei einer Feier lernt sie den sozialistischen Politiker Atos Wirtanen (Shanti Roney) kennen, der sich hilflos in die junge Träumerin verliebt. Soweit, dass er beschließt, seine Ehe zu annullieren, um kurz darauf Tove selbst einen Heiratsantrag zu machen.

Parallel dazu wird Tove aber auf einer Ausstellung von der »bourgeoisen« Tochter des Bürgermeisters, Vivica Bandler (Krista Kosonen), angesprochen, die sie, angelockt durch einen Kleinstauftrag für ihren Vater, wortwörtlich in den Bann ihrer Aufmerksamkeit zieht. Die von Paris träumende Freidenkerin Vivica führt Tove in die queere Welt Helsinkis ein. Es entwickelt sich zwischen den beiden eine leidenschaftliche Liebesbeziehung, die für sie an der Schwelle der Konventionen ihrer Zeit einen Raum der Freiheit eröffnet. Es ist auch Theaterregisseurin Vivica, die in weiterer Folge die Kritzeleien der Mumins in einer Schreibtischschublade findet und beschließt, ein Stück für Kinder daraus zu machen.

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Ein Raum für Träume

Zwischen diesen beiden Beziehungen mäandert die Geschichte der jungen Tove hin und her, die im Film aber immer mehr an diesen Erfahrungen reift und sich gleichfalls irgendwo genauso von den beiden loslöst. Es sind ehrliche – wenn natürlich auch etwas romantisch-verklärte – Momente der Befangen- und Verlorenheit, in denen sich Tove zwischen Liebeskummer und Unentschlossenheit wiederfindet. Gleichzeitig bleibt der Motor ihres Treibens ihre Arbeit. Selbst wenn es im Film so skizziert wird, als hätte sie ihr Erfolg mit den Mumin-Comics innerlich erhärten lassen, weil es nicht ihr eigentlicher Traum war (der ja eigentlich dem Malen galt) und rein monetäre Zwecke verfolgte. Dennoch wird als Grundgefühl sehr gut herausgearbeitet, wie Toves zu »große« Träume (für ihre Zeit) durchaus ein Ventil in den absurd-komischen Fantasiewelten der Mumins fanden.

Und nachdem sie sich, von Leidenschaft gebeutelt, schlussendlich sowohl von ihrem Verlobten Atos verabschiedet als auch die nicht in gleicher Intensität erwiderte Liebe Vivicas endlich abschüttelt, hatte die finnische Zeichnerin mit ihrer späteren Lebensgefährtin, der Grafikerin Tuulikki Pietilä (Joanna Haartti), doch ein sehr erfülltes Leben. Tove Jansson war eine leidenschaftliche Person, doch verbrannte sie nicht daran, sich in aller Ehrlichkeit hinzugeben. Vielmehr brachte sie gerade dadurch die großen Räume an Kreativität hervor, in denen sich noch viele Generation von Kindern ihre eigenen Träume bauen würden. Ein Film, der nachhaltig erwärmt.

Kinostart in Österreich ist der 8. April 2022.

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