Nichtseattle © Noel Richter
Nichtseattle © Noel Richter

Zwischen Glück und Schwermut

»Kommunistenlibido« auf Staatsakt. Wir sprachen mit Katharina Kollmann aka Nichtseattle über die Zusammenarbeit mit dem Berliner Label, ihre bisherigen Konzerterfahrungen und kommende Auftritte mit Tocotronic (leider nicht in Wien).

Seit ihrem 2019 erschienenen Album »Wendekid« hat sich das Bandgefüge von Nichtseattle erweitert. Für ihr zweites Album hat sich die Berlinerin Katharina Kollmann, die sonst allein oder in wechselnder Begleitung spielt, Unterstützung geholt – in Form von Sebastian Albin an Schlagzeug und Metallophon, Sebastian Wiege an zweiter Gitarre und Backings, Fania Jacob an Bass und Backings (und als Illustratorin des begleitenden Songbooks) sowie Gregor Lener an Trompete und Flügelhorn.

So schön, wie Katharina es schafft, in ihren kleinen Erzählungen das Spektrum, in dem sich Privates und Politisches untrennbar verquicken, äußerst verdichtet und eindringlich darzubieten. Sie wirkt so introvertiert, und das steht nicht im Widerspruch zu ihrer unglaublich expressiven Art, in welcher jeder Satz vor Bedeutungen pulsiert und doch wirkt, als käme er so leicht und natürlich über ihre Lippen wie ein Lachen oder Weinen.

Nichtseattle: »Kommunistenlibido« (Staatsakt)

Dein Album »Kommunistenlibido« ist jetzt seit einigen Wochen draußen. Wie ist es bisher aufgenommen worden?

Ziemlich gut, zumindest was die Presse angeht. Hab’ irgendwie ’ne Menge tolle und erwärmende Kritiken dazu gelesen und mich auch oftmals richtig verstanden gefühlt. Schöne Erfahrung.

Beim Konzert in Berlin konnte die Hälfte des Publikums deine Texte mitsingen. Du hast offensichtlich eine Fangemeinde, die dich unterstützt.

Das war total schön und auch ganz neu für mich. Hoffentlich passiert das bald mal wieder. Ein tolles Gefühl, wenn die Sätze, die einem selbst etwas bedeuten, sich aber manchmal eben wie sehr eigene Grübeleien anfühlen, auf mich plötzlich viel größer wirken. Sie bekommen auch eine zusätzliche Bedeutung, wenn andere Menschen sie singen. Und es ist ein Gefühl von großer Verbundenheit, das ich in dieser Form noch nicht kannte. Die Gedanken, die mitunter auch oft aus der Einsamkeit entstehen, lösen diese für den Moment komplett auf. Ich hab’ mich darüber so gefreut, ich weiß noch, dass ich kurz überlegt habe, ob mein Dauergrinsen bei diesen Liedern jetzt vielleicht etwas unpassend ist.

Haha, ich glaube, alle haben gesehen, wie selig du warst, und haben sich in dem Moment einfach mitgefreut. Deine Texte wirken ja wie Tagebucheinträge, so intim und persönlich wie sie sind. Wie geht es dir nach so einem Auftritt?

Sehr unterschiedlich. Es kommt ganz darauf an. Aber es gibt auch immer einen Moment der Leere, als würde etwas nicht eingetreten sein, das ich unbewusst erwartet habe. Vielleicht die komplette und dauerhafte Auflösung der Getrenntheit, ein Happy End. In den Gesprächen danach, egal wie schön sie sind, spürt man wieder, dass man nicht für immer verschmolzen sein kann, sondern wieder in seinem Kopf, der mehr oder weniger starke Übersetzungsleistung anstrengen muss, und einem Körper, der ganz woandershin nach Hause gehen wird als all die anderen Körper aus dem Publikum, das einem in der Musik ja so nah gekommen ist.

Und in dein Glück dringt eine Schwermut? Wie gehst du dann, wieder zu Hause, damit um?

Das geht wie alles wieder vorbei. Und ich hab’ eh keine großen Probleme mit Schwermut. Ich kann das ganz gut einfach so sein lassen.

Du sprichst immer wieder von Verstanden- und Missverstandenwerden. Hast du da Zuhörer*innen oder gar bestimmte Personen im Kopf?

Eher nicht. Ich versuche einfach, Wörter und Bilder für Gefühle zu finden. Wenn mich diese Wörter selbst berühren, sind sie die richtigen. Es gibt ein paar kritische Stimmen im Kopf, die kommen aber erst später, die wollen dann wissen, ob das wirklich wahr ist, ob man es nicht auch aus einer anderen Perspektive ganz anders sehen könnte. Das merkt man in manchen Texten, wie in »Ein Freund«. Manchmal sage ich der Stimme aber auch, dass das eh alles ausgewiesen subjektiv ist und ich darum frei sprechen kann. Das Verstandenwerden durch andere ist eher ein Bonus, der jetzt manchmal dazukommt. Ich habe lange ohne dieses inhaltliche Feedback Lieder geschrieben, schon allein, weil ich früher auf Englisch getextet und auch undeutlicher gesungen habe.

Wie ist das für dich, jetzt auf Staatsakt zu sein?

Staatsakt war mein absolutes Wunschlabel und ich habe mich total gefreut, dass das geklappt hat, zumal ich von keinem anderen Label eine Antwort bekommen habe. Ich glaube, das ist schon ein sehr guter Kontext für meine Lieder. Und ich mag die Menschen, denen ich darüber bis jetzt begegnet bin, echt richtig gerne.

Was macht das Label aus?

Das Label selbst, die Motivation dahinter, scheint mir relativ frei zu sein von gewinnorientiertem Handeln und Gefälligkeitsmatschigkeit. Ich finde, dass eigentlich so gut wie alle Projekte dort eine gewisse kritische und autarke Haltung verbindet. Es hat sich für mich auch wirklich einiges verändert, dadurch dass ich Maurice Summen kennengelernt habe, also jemanden, der einigermaßen spürt, was ich meine und es wirkmächtig weitererzählen kann, als Bestärker, Tröster, Vermittler, dadurch haben sich weitere tolle Verbindungen ergeben und plötzlich bin ich nicht mehr ganz alleine mit den schweren Liedern im Gepäck. Es ist schon viel leichter jetzt, gehört zu werden.

Aber ist das nicht auch irgendwie etwas beängstigend, auf einmal so präsent zu sein?

Ja, weil Leute davon mitbekommen, die es meinetwegen gar nicht mitbekommen müssten, die es vielleicht nicht verstehen, die sich über irgendwas daran ärgern und es auch mitteilen wollen und plötzlich werde ich ein bisschen angreifbar durch meine ziemlich persönlichen Texte, die nicht gerade nur Glanzvolles zeigen. Aber irgendwie auch ganz okay.

Jetzt steht die Deutschland-Tour an, die auch ein paar Termine mit Tocotronic, den Namensgebern von Nichtseattle beinhalten. Stelle ich mir ziemlich aufregend vor …

Ich bin aufgeregt und freue mich darauf! Zumal ich wirklich viel Zeit mit Tocotronic auf meinen Ohren verbracht habe und mich einige Texte und Lieder schon sehr berührt und wahrscheinlich auch geprägt haben, am meisten wahrscheinlich das Album »K.O.O.K.« Ich wollte z. B. früher gerne so ein Stück wie »17« machen, das so düster und rätselhaft und gleichzeitig so wahr und authentisch traurig ist, auch so kindlich intensiv. Ich glaub ich habe bei »Im Garten« die Atmosphäre und Spannung aus »17« im Herzen getragen. Will sagen, Tocotronic spielen für mich wirklich eine wichtige Rolle.

Klingt wie ein Traum …

Ich habe auch tatsächlich schon von der Begegnung geträumt, dort stellte sich heraus, dass Dirk von Lowtzows schönes graues Haar eigentlich eine Perücke ist. Erst war ich erschrocken, aber dann hab’ ich ihn umarmt. (lacht)

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