Hans Funk – ein Name, der in den 1980er-Jahren vielleicht nicht die großen österreichischen Bühnen erobert hat, aber in bestimmten Wiener Kreisen zu einer kleinen Legende wurde. Der gebürtige Steirer aus Bad Gams startete seine musikalische Laufbahn mit einer seltsamen Mischung aus Disco, Funk und Alpenromantik. Seine ersten Songs wie »Strassen von Sizilien« und »Liebe in den Bergen« sollten es nie ins Radio, geschweige denn zu einem Hit schaffen. Über 40 Jahre später konnten Teile von Funks Archiv aber zumindest vor der Vergessenheit gerettet werden. Im Interview wirft der bald 70-Jährige einen Blick zurück auf seine Anfänge, die gescheiterten Schlager-Funk-Experimente und seine wilde musikalische Reise durch die Wiener Clubszene in den 1980ern.
skug: Hans, du bist in Bad Gams aufgewachsen, einer kleinen Gemeinde in der Steiermark. Wie bist du vom Dorf zum Disco-Funk gekommen?
Hans Funk: Das klingt fast wie ein Widerspruch, oder? In Bad Gams aufwachsen war jedenfalls … na ja, einfach. Wir hatten nicht viel, außer das Landidyll. Es waren die späten 1950er. Der Krieg war Jahre vorbei. Uns ging es nicht schlecht. Wir hatten eine kleine Bauernwirtschaft, ein paar Hühner, ein Schwein namens Ottilie und – damals das Highlight – einen Traktor. Der war aber so alt, dass er vermutlich schon bei der Erfindung des Rades dabei war.
Wie hast du deine Kindheit in Erinnerung?
Musikalisch war ich jedenfalls nicht, ich war eher … sagen wir experimentierfreudig. Mein erstes Instrument waren ein paar leere Milchkannen. Ich habe stundenlang darauf herumgehämmert, was vor allem meine Mutter zur Verzweiflung brachte. Sie hat immer gesagt: »Hansi, wenn du noch einmal so einen Lärm machst, werfen wir dich mit den Kannen in die Mur!« Sie hat es natürlich nie gemacht – aber irgendwann habe ich die Kannen gegen einen Besen eingetauscht und so getan, als wäre ich ein Rockstar. Ich kannte die ja alle aus den Magazinen, die der Papa manchmal aus der Stadt mitbrachte. Und so war das dann: ein kleiner, rotzfrecher Bub, der durch den Stall fetzt, den Besen als Gitarre und Ottilie als treue Zuhörerin.
Du wolltest Rockstar werden?
Na ja, Rockstar … Ich war ja ein Bub, ich hab’ die Bilder gesehen und halt so getan. Mein musikalischer Moment kam erst, als ich zehn war. Da hat mir mein Onkel Franz ein Akkordeon geschenkt. Aber auch das war eine Katastrophe. Ich habe mehr gequietscht als gespielt. Die Nachbarn haben Spenden gesammelt, um mir den Musikunterricht zu finanzieren – nicht, weil sie dachten, ich hätte Talent, sondern weil sie hofften, dass ich dann endlich leiser werde. Aber irgendwo in diesem Lärm, in diesen ungeschickten, schiefen Tönen, habe ich zum ersten Mal gespürt: Da ist etwas in mir, das raus muss. Und so fing es an.
Wie bist du vom Akkordeon zum Funk gekommen?
Das war später, Ende der Siebziger. Im Dorfbeisl gab es ein kleines Radio, da sind wir manchmal gesessen am Freitagabend und haben getanzt. Auf einmal lief da diese Musik: der Beat, die Bassline, die treibenden Rhythmen … ich war komplett gepackt. Der Sprecher hat dann gesagt, das war »Le Freak« von Chic. »Schick« hat er das ausgesprochen. Und so hab’ ich das notiert auf einem Gösser-Bierdeckel, ich wusste es ja nicht besser. Jedenfalls hat das die Volksmusik für mich weggefegt. Dieser Funk, das war Bewegung, das war Freiheit. Ich wusste, das muss ich machen. Und so hatte ich bald das erste Mal das Verlangen, aus der Enge von Bad Gams auszubrechen. Das Problem war: Ich hätte den Betrieb von meinem Vater übernehmen sollen. Das war ausgemacht und ich hab’ ihm dann gesagt: Papa, ich geh nach Wien.
Wie kam das an?
Mein Vater war entsetzt: »Was machst du da mit deinem Leben, Hansi?« Aber ich hatte nur noch Funk im Kopf.
Und dann bist du 1979 nach Wien gegangen. Wie war das für einen jungen Mann aus der Provinz, plötzlich in der großen Stadt zu sein?
Ja, Wien … was für ein Schock. Ich meine, ich kannte bis dahin nichts anderes als die steirischen Dörfer. Wien war laut, groß und die Menschen dort – die Künstler vor allem – waren so … anders. In den kleinen Cafés saßen sie und rauchten und redeten stundenlang über Musik, über Philosophie, über Dinge, von denen ich nie gehört hatte. Ich fühlte mich anfangs wie ein Außenseiter, so ein richtiger Landbursch, der keinen Plan hatte. Aber das war genau die Herausforderung, die ich gesucht hatte. Mit meinem Ersparten hab’ ich mir eine Gitarre gekauft und eine kleine Wohnung in der Nähe vom Gürtel gemietet – ein winziges Zimmer mit einem Bett, aber für mich war das wie ein Königreich. Ich verbrachte Nächte damit, zu experimentieren, Melodien zu schreiben, die steirischen Volksweisen mit Funk-Rhythmen zu mischen. In meinem Kopf war das der nächste große Musiktrend.
1979 hast du »Strassen von Sizilien« aufgenommen, einen Schlager.
Ich war frisch verliebt und so sind wir, meine Freundin und ich, nach Italien gefahren – bis runter nach Sizilien. Es war ein Traum. Wir, die Küste entlang, vorbei an diesen kleinen Dörfern, wo die alten Männer vor den Häusern sitzen und uns anstarren, als wären wir Außerirdische. Dann kamen die sizilianischen Nächte: Ich hab’ immer noch den Duft von Zitronenbäumen in der Nase. Meine Freundin, sie studierte Operngesang, hat auf dieser Reise oft gesungen. Einfach nur gesungen. Irgendwas. Sie hatte ja eine wirklich süße, fast schon kitschige Stimme.
Du hast mit ihr deinen ersten Song aufgenommen, stimmt das?
Freilich, zurück in Wien. Wir hatten nur kaum Geld, also war an große Studios gar nicht zu denken. Aber ich kannte diesen Typen – Walter, den alle immer »Wolferl« nannten. Der hatte ein winziges Hinterzimmerstudio in Wien. Wenn du »Studio« hörst, stell dir bloß nichts vor: Es war mehr so ein umgebauter Lagerraum mit zwei Mikros und einem 4-Spur-Rekorder, von denen nur drei funktionierten. Außerdem war Wolferl nicht gerade ein Genie, wenn es um Technik ging, aber er hatte dieses Herz für schräge Projekte. Ich mochte ihn. Jedenfalls haben wir einfach drauflos gespielt und gehofft, dass am Ende etwas halbwegs Hörbares herauskommt. Manchmal haben wir Passagen zehnmal aufgenommen, weil Wolferl das Band falsch eingefädelt hatte oder der Rekorder einfach aufgab. Aber am Ende – und ich sag es dir, das war pures Glück – klang es nach etwas! Meine Freundin hat diese kitschige Romantik in den Song gebracht, und ich habe verzweifelt versucht, mit ein paar funky Gitarrenriffs zu retten, was zu retten war.
Ein Hit wurde daraus aber nicht.
Weißt du, damals hatte ich diesen verrückten Traum, dass unsere kleine Urlaubsromanze ganz Österreich erobern könnte. Aber wir, das neue Traumpaar des Schlagers? Das war nicht meine Welt. Und das hörte man auch. Zum einen war der Song wirklich ein seltsamer Mix. Auf der einen Seite sie mit ihrer Schlagerstimme, die über die Freiheit und den Sommer gesungen hat. Auf der anderen Seite ich, der krampfhaft versucht hat, da irgendwie Funk reinzubringen. Das war eine musikalische Identitätskrise!
Du hast danach aber weiter Musik gemacht.
Ja, unsere Romanze zerbrach an dieser Nummer. Es sollte nicht sein. Nicht mit der gemeinsamen Musik und nicht mit uns. Übrigens, sie ist nie Opernsängerin geworden, sondern ganz erfolgreich im Schlager gelandet.
Und du?
Nach der Trennung hab’ ich mich wieder mehr auf mich selbst konzentriert. Zurück zu den Wurzeln, das heißt: raus aus Wien und heim nach Bad Gams. Zumindest für ein paar Wochen war ich dort. Es war eine unbeschwerte Zeit. Ich war wandern und am Nachmittag saß ich mit meiner Gitarre irgendwo auf einer Alm und hab’ versucht, das perfekten Funk-Riff zu finden. Dort habe ich Anna kennengelernt. Sie war das Gegenteil zu meiner vorherigen Freundin: bodenständig, einfach, ein gutes Mädchen. Wir hatten auch eine schöne Zeit, aber als ich zurück nach Wien musste, wollte sie nicht mit. Heute versteh ich, wie verrückt ich war. Ich wollte sie einfach mitnehmen. Als das nicht sein sollte, war ich am Boden zerstört. In Wien holte mich dann die Einsamkeit ein. So entstand »Liebe in den Bergen«.
Gleichzeitig dein erster richtiger Funk-Song?
Tatsächlich, ja. Da war kein Schlager, kein Kitsch mehr. Nur eine treibende Bassline, funky Gitarrenriffs und dazu diese Geschichte von einer ruhigen, ehrlichen Liebe in der Heimat.
Hit wurde auch daraus keiner, richtig?
Richtig. Damals hatte ich sogar einen Termin bei Wolfgang Kos, der gerade frisch die »Musicbox« auf Ö3 übernommen hatte. Er meinte aber, dass jetzt für Lokalkolorit kein Platz sei. Mittlerweile verstehe ich das. »Liebe in den Bergen« war ein Funk-Song, aber der Text und die Atmosphäre hatten diesen steirischen Einschlag. Es ging um Wanderungen, Alpenglühen und um eine kleine Liebesgeschichte in Bad Gams – nicht unbedingt der Stoff, aus dem Disco-Funk-Hits gemacht werden. Die Großstädter, die damals auf Funk standen, konnten mit den steirischen Bergen nichts anfangen. Und die Leute in den Bergen … na ja, die konnten mit Funk nichts anfangen.
Wie ging es für dich weiter?
Anfang der 1980er habe ich dann gar nichts gemacht, außer ein paar Gelegenheitsjobs, um mich in Wien über Wasser zu halten. Ich war am Überlegen, ob ich die Musik vielleicht ganz sein lassen sollte. Da lief mir dieser Typ über den Weg: Bernhard, ein wilder Bursch mit einer Aura von jemandem, der schon alles gesehen hat und schon überall gewesen war. Dabei kam er, wie ich später erfuhr, aus dem Speckgürtel und hatte keinen blassen Schimmer von Musik. Aber er hatte Ideen. Verrückte Ideen. Vor allem dann, wenn wir schon lustig unterwegs waren.
Er hat auf deinem Song »Morgens um elf in der Gonzagagasse« gesungen.
Ja, der Bernhard war so ein Vorstadtcasanova, aber auch ein unheimlicher Tachinierer. Der hat nichts gehackelt, von seinen Eltern aber eine Wohnung im ersten Bezirk bezahlt bekommen. Und da hat er gehaust. Es war wirklich ein Hausen, 3. Stock in der Gonzagagasse 22, schönes Haus – aber ein Schlachtfeld von einer Wohnung. Jedenfalls waren wir im Frühjahr 1981 öfter unterwegs, ich hab’ ihn auch gern besucht. Und so entstand dieser Song. Ich hab’ ihm Platten vorgespielt. Er hat herumgeblödelt. Daraus wurde »Morgens um elf in der Gonzagagasse«. Und: Er hat gesungen, weil ich damals dachte: Wir sind der Moment, so schräg muss das klingen.
Was hast du nach 1981 gemacht?
Das Leben hatte noch ein paar Überraschungen parat, aber musikalisch wurde es ein bisschen ruhiger. Nach »Morgens um elf in der Gonzagagasse« habe ich mich erstmal zurückgelehnt und das alles sacken lassen. Der Song war in gewissen Wiener Etablissements ein kleiner Erfolg, aber ich habe schnell gemerkt, dass das Musikgeschäft nicht unbedingt auf mich wartet. Und ehrlich gesagt, war ich auch ein bisschen müde. 1982 habe ich nochmal versucht, etwas auf die Beine zu stellen. Ich wollte wieder ein bisschen Funk mit einer Prise Wiener Schmäh kombinieren – das war irgendwie zu meinem Markenzeichen geworden. Zusammen mit ein paar Musikern, die ich in der Szene aufgelesen hatte, haben wir den Song »Zug der Nacht« aufgenommen. Das sollte so eine Art funky Ode an das Nachtleben in Wien sein, mit einem schweren Groove und tiefem Bass. Aber der Zug ist leider nie so richtig abgefahren.
Nie?
Nein, nie. 1984 hab’ ich zwar noch einen Song namens »Immer noch Funk« rausgebracht. Das war so eine Art ironische Selbstreflexion über meine musikalische Reise. Ich hab’ das aber bereits ziemlich locker gesehen und wusste auch, dass meine Zeit in der Musik wohl vorbei war. Ich hab’ mich dann mehr auf andere Dinge konzentriert – ein bisschen Produzieren für andere Musiker, hin und wieder ein Gastauftritt, aber nichts Großes. Die Musik war immer noch da, aber sie hat nicht mehr mein Leben bestimmt. Und weißt du was? Das war okay. Ich hatte meinen Spaß, habe ein paar schräge Songs aufgenommen und Leute kennengelernt, die genauso verrückt waren wie ich.