al-qasar_album_cover_2022
Al-Qasar

»Who Are We?«

Glitterbeat Records

Das von Paris aus agierende Psychedelia-Rock-Kollektiv Al-Qasar lässt nordafrikanischen Trance mit sogenanntem Arabian Fuzz kollidieren. Versinnbildlicht im Coverartwork, wo vorne natürlich nicht IS-Schergen gemeint sind und das schwebende alte violette Mercedes-Chassis ohne Räder auf der Rückseite das Flying-High-Gefühl des arabischen Psych-Rock auf coole Weise ausdrückt. Und tatsächlich, das Gefährt Al-Qasar hebt rasant ab. Dank elektrisch verstärkter Saz und ebenso gewaltig verzerrter Gitarren von Bandleader Thomas Attar Bellier sowie den Pep gebenden Instrumenten von Sänger Jaouad El Garouge: Awtar, Karkabou, Tbila, Bendir, Claves Caxixi, Cowbells. Drei weitere Franzosen komplettieren das Quintett. Doch die Studioproduktion, die Alain Johannes (PJ Harvey, Queen of The Stone Age) abmischte, hat es zusätzlich in sich. Lee Ranaldo hilft, die ersten beiden Tracks zusätzlich zu zünden, und Mehdi Haddab von Speed Caravan setzt mit mächtiger elektrischer Oud dem historischen algerischen, noch immer nicht gentrifizierten Pariser Stadtteil Barbès ein klangliches Denkmal. Und dann ist noch Jello Biafra zugange! Und zwar in Nachhall von »Ya Malak«, wo der ehemalige Dead-Kennedys-Sänger ein sozialkritisches Poem des ägyptischen Revolutionsdichters Ahmed Fouad Negm auf Englisch deklamiert. »Who Are We?«, zunächst reduziert begleitet und dann explodierend, verursacht wegen Jellos vokaler Inbrunst Gänsehaut! Doch auch zwei Gastsängerinnen heben dieses Album in schwirrende Dimensionen. Hend Elrawy aus Kairo singt in »Mal Wa Jamal« aus feministischer Perspektive über Prostitution und trotz zunächst romantischem Duktus wendet sich die New Yorker Exil-Sudanesin Alsarah (ihre Band führt den Zusatz The Nubatones und brillierte vor einigen Jahren bei einem Salam.Orient-Gastspiel in Wien) in »Hobek Tawrat« alsbald gegen die antidemokratischen Kräfte des Sudan. Voller Leidenschaft, insbesondere im Chorus, der aktuell nicht lang zurückliegenden Demonstrationen in Khartum entlehnt ist. Was zum Album-Cover und Titelsong zurückführt: »Who are we? … Look in the mirror. We are you and me. We are then. We are here. We are now. And we are tomorrow.«

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Text
Alfred Pranzl

Veröffentlichung
17.10.2022

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