Elektronisch-experimenteller Herbst mit atmosphärischer Popaffinität. Die Palette mit melodischem Durchschimmern klangmalen Dedekind Cut, Roger Goula, Giulio Aldinucci und Denovali-Acts. Von letzterem Label äußert sich The Eye of Time durchaus politisch, wenngleich sich dies wie bei Hauschka aufgrund instrumentaler Poesie nur in den Tracktiteln niederschlagen kann.
Jerrilynn Patton aka Jlin kommt aus der Stahlstadt Gary, Indiana, 45 Autominuten entfernt von Chicago, wo sich Footwork aus Ghetto House entwickelte. Und als Elektronik-Musikproduzentin Jlin ist sie nun diejenige, die wesentlich dazu beiträgt, das Battle-Dance-Genre auf eine Metaebene zu heben bzw. gar hinter sich zu lassen. Atemberaubend war der Live-Gig der Afroamerikanerin beim Hyperreality…
Mit gutem Grund kann man davon sprechen, dass die Musik auf einem Tonträger bloß den fragmentarischen Anhalts- und vorläufigen Endpunkt einer Vielzahl von über die Veröffentlichung hinausgehenden sozialen Erfahrungen repräsentiert.
Da ist sie endlich, die Platte, die der jetzt schon mindestens zwei Jahre andauernden zivilisatorischen Entkernung Deutschlands und Europas den Kampf ansagt. Und zwar von A wie Anschläge über P wie Pegida bis S wie Selbstoptimierung. Während die einen von der Altbauwohnung träumen und andere nur weg fahren wollen, schauen Human Abfall den Widrig- und…
Auch wenn schon Kraut über On-U-Sound gewachsen schien: Dank Reissues und Neuabmischungen ruft sich Adrian Sherwoods Label kräftig in Erinnerung.
Chuck Prophet ist ein Uhrwerk. Alle zwei Jahre veröffentlicht der König des Songwriter-Roots-Rock aus San Francisco ein Album voller Ideen und Energie und trotzdem tourt er durch Clubs. »Night Surfer« ist Nummer 13 in einer langen Reihe nie fader Alben und trotzdem kam er einem Hit oder einem Song, der ihn definiert, nie sehr nahe,…
Wehleidig, glatt, einverstanden: Indie-Rock aus Deutschland war in den letzten Jahren oft eine wenig spannende Angelegenheit. Seit einiger Zeit aber machen wieder mehr und mehr Bands Sound mit Message und deutlichen Kanten. Gruppen wie Die Nerven, Messer, Candelilla, Trümmer und Zucker knüpfen damit an den lautstarken Antigemütlichkeits-Diskursrock der 1990er an.
Es gibt so ein Vorurteil gegen HipHop, das besagt, aus dieser Ecke würde eh nichts Anständiges mehr kommen. Stimmt leider sehr oft, aber eben nicht immer.
Ein Rundgang durch neue Veröffentlichungen zwischen experimentellen Dancefloor und purer Elektronik-Avantgarde. Mit CDs von Nicola Ratti, Eaux, Wieman (Ex-Zèbra), A winged victory for the sullen, Sawako, HHY & The Macumbas, Paul Baran, Tarab.
Badeurlaub in Sphärisch Hall. Im Black Metal-Bereich gelten sie mittlerweile nicht umsonst als die Hippie-Schwuchteln des Genres, die daddeligen Birkenstock-Trottel am Fuße der Welteiche. Von wegen Ragnarök, dem Trio aus der Riot Girl-Weltstadt Olympia in Washington traut die Schwarzkuttengemeinde gerade mal Fünf Uhr-Tee mit vollveganen Ingwerkeksen zu. Dabei wurde das Konzept Band als düstere Wald-…
Schlagzeug gegen Gitarre, Deutsch gegen Englisch, Stopp gegen Go. DŸSE gegen den Rest der Welt. Das sind zwei gegen eine. Ûberzahl gewinnt, zu unserem Glück. Präzise gespielt, klug gebrüllt, kenntnisreich mit Pausen durchsetzt und keine Sekunde langweilig, kommt der dritte reguläre Longplayer von Andrej Dietrich und Jarii van Goh daher. Das dynamische Duo aus Dresden…
Das schlechte Gewissen des US-Undergrounds ist zurück. Oder zum ersten Mal richtig da. Ladies and gentlemen, »the man you love to hate«, wie der »San Francisco Chronicle« einmal schrieb: Monte Cazazza mit »The Cynic«.
Foto: Tracey Roberts
»Blingsanity«, die neue Platte von Patric Catani: trotz Intellektuellen-Bashing findet sich doch einiges an Hirn im Bass-Eingemachten mit Ei. skug zog es ihm aus der Nase.
Wire im Interview. Anlass: ihre aktuelle CD »Change Becomes Us« (Pinkflag/Cargo)
Wunderschön, zumindest phasenweise, ist das Album »Spiderwebbed«, worauf Stumbleine gleich mit gepitchter Autotune-Stimme anhebt, die trotzdem soulful gen Himmel strebt. Frappanterweise schimmert dazu eine housig-gospelige Grundstimmung durch. Orgeln tragen dazu bei, doch wirkt der Bristoler Produzent dank bassfundierter Beats moderner als How To Dress Well. Leider verirren sich die neblig-verrschleierten Gitarren/Synth-Wolken manchmal zu sehr ins…
OK, yepp, es ist eine harte, ungerechte Welt. Sagt er und spuckt den Prim ungeniert in den Steppensand. Good Luck, Suckers, I am on my way! Der 56-jährige Howe Gelb ist der Indie-Rock-Cowboy wie er im Buche steht, ein kauzig selbstverliebter Ego-Crooner, der ständig um Anerkennung gockelt, dabei endlos cool sein will. Grotesk, dass mit…
Pures herzzerschepperndes Opium. Ein zärtlich raschelndes Treffen leiser Titanen. Ein Epos der träumerischen Sanftmut. Die polnisch-israelische Bassistin/Sängerin Malka Spigel der legendären 1980er Wave-Gitarren-Band Minimal Compact und ihr nicht minder legendärer Ehemann Colin Newman of »Wire«-Fame sind so ziemlich das süßeste und stimmigste Underground-Poppärchen, dass einem das Zeitalter der Ledermäntel und neonbestrahlten Sonnenbrillen hinterlassen hat. Malkas…
Mats Gustafssons Sax schnurrt, der Bass strollt ahead, die Drums marschieren in behäbigem Tempo und schlussendlich fährt die Coverversion in den Himmel auf. Es röhrt und die Ekstase ist nah, auch wenn sie nicht eintritt. Suicides »Dream Baby Dream« ist einer der ergreifendsten Songs aller Zeiten und in der Version von The Thing mit Neneh…
Politische Musik, mit Dringlichkeit und ausgefeiltem Vorschlaghammer dargebracht, ist nach wie vor eine Stärke des ehemaligen Pop Group- und Maffia- Frontmannes. Nur funktioniert diese nur mehr bedingt. Etwa im grandiosen Opener »Vanity Kills« (mit Kenneth Anger am Theremin, Richard Hell im Vokalduett, Keith Levene an Schneidbrennergitarre und Youth bzw. Kahn an Bass und Synths) oder…
I’m not a scientist but I know all things begin and end in eternity«, präsentiert sich Laurel Halo auf Twitter. Man muss ja nicht unbedingt WissenschaftlerIn oder EsoterikerIn sein: stöbert man im avancierten Popbereich, ist dies heuer einer der essentiellen Outputs. Nicht mit dumpfen Bumm-Tschack-Dancegrooves alles zukleisternd – die Künstlerin aus Brooklyn ist ja keineswegs…
Vintage Widerstand Adios! Heute: Emo-Kids schlagen sich die Ebay-Köpfe um Hardcore T-Shirts ein, wo die konterfeiten Bands in ihrer Lebenszeit weniger Umsatz gemacht haben als ein Style-Fetzen mit Copy&Paste-Print aus einem alten Punk-Magazin. Heute: Die Rotzlöffel aus der ersten 77er-Revoluzzer-Reihe bis hin zum Grunge-Upstart der 1990er sind heute alles allergraute Retro-Bastarde (bis hin zum Granden…
»We come from chaos/You cannot change us!« Veröffentlicht eine Post-Punk/New-Wave-Partie der Siebziger nach zwanzig Jahren Pause ein neues Album, könnte man dieses wohl gleich mal dissen, denn ein bedeutendes Ereignis ist da kaum zu erwarten. Andererseits könnte man auch mal in das Album reinhören, obwohl das für das Gros der Musikkritiker wohl auch wieder nix…
Ach, welch mediales Getöse doch um die zur aktuellen Lo-Fi-Pop-Göttin gekürten Julia Holter wegen ihres »Tragedy«-Nachfolgealbums veranstaltet wird. Dabei verstieg sich die Kalifornierin kürzlich doch glatt in der Behauptung, das große Problem des Homerecordings wäre die Faulheit – und nicht etwa die (Selbst-)Ausbeutung – der Independent-MusikerInnen. Gut, Holter ist wirklich alles andere als faul, studierte…
?? Zeit also, weiter ins Hotelzimmer 103 zu gehen. Selbes Projekt, völlig anderer Output. Auf »Baro 103« finden Xavier Charles an der Klarinette und Terrie Ex an der Gitarre einen viel introvertierteren, viel traditionalistischeren Zugang zum Thema »freier Austausch der Kulturen«. Dass dieser Austausch von Klarinette und Gitarre erzeugt wird, ist streckenweise kaum zu erhören,…
Und wenn in der modernen, improvisierten Musik gar nichts mehr hilft, weil man mit der elektroavantgardistischen Nabelschau einfach nicht vom Fleck kommt, ist es wohl am Besten, wenn Jazzer und Jazz Urlaub von sich selbst machen. In Äthiopien etwa. Dorthin zieht es die umtriebigen »Anarchopunker« The Ex immer wieder, zuletzt mit ihrem »Free the Jazz…
Während an der Außenfassade der Popmusik in den letzten Jahren der gerade angesagte »heiße Scheiß« oft schneller aufkam und wieder verschwand als die Klaxons »What the fuck?« sagen können, formierte sich im Hintergrund eine wachsende Schar an MusikhörerInnen, die dem in sich gekehrten, entschleunigten Folkpop von Acts wie Feist oder Iron & Wine mehr abgewinnen…
Wie die Tindersticks haben auch die Schaffhausener Aeronauten dieser Tage zwanzig Jahre Bandgeschichte am Buckel. Im Februar 1992 erschein ihre erste Kassette mit dem obskuren Titel »1:72«. Angeblich verbirgt sich dahinter ein Maßstab für Modellflugzeuge, die Sänger Olifr M. Guz in seiner Freizeit immer noch gern zusammenstoppeln soll. Womit auch mehr als eine Fährte in…
Alog ist im Grunde ein Duo, bestehend aus den Multiinstrumentalisten Espen Sommer Eide und Dag-Are Haugan. Gemeinsam macht man auf dem mittlerweile fünften Studioalbum schwer einzuordnende, jedenfalls aber experimentelle Instrumentalstücke, die durch Synthesizer-Sounds, eingestreute Fieldrecording-Fragmente, minimalistische Loops (bzw. Streams) einen Soundtrack zu einem absurden Science-Fiction-Film ergeben, wo es ständig neblig ist (offenbar befindet sich man…
Wieder mal Norwegen. Und wieder mal das Rune-Grammofon-Label. Die haben ja den Tick, bei jeder CD, gleich welcher Artwork das Cover ziert, dieselbe Schriftart und -größe zu verwenden. Corporate Design in der Nordic-by-Nature-Fassung. Nur hin und wieder gibt es eine Ausnahme. Bei Jono El Grande zum Beispiel. Wohl weil der Mann insgesamt eine Ausnahme ist….