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Murena Murena

»Shame Over«

Totally Wired Records

Murena Murena haben erst letztes Jahr ihr Debüt »Ghoaster Coaster« veröffentlicht. Ein rohes Stück Swamp Rock, wie es überzeugender nicht mal aus Louisiana hätte kommen können. Die Wurzeln des Rockʼn’Roll also. Grobkörnig. Düster. Die Art Rockʼn’Roll, die schon einen Blick ins Jenseits geworfen zu haben scheint. Ein nicht ganz unproblematisches Terrain, weil man sich nur allzu schnell am Tresen wiederfindet, neben dem leidenden, Whiskey trinkenden, begnadet Gitarre spielenden, heterosexuellen, echten Kerl – auch 40 Jahre nach seiner Entblößung durch Punk noch ein blöder Mythos.

Immerhin konnte man argumentieren, dass Swamp Rock aus München ja wohl kaum echter Swamp Rock sein könne und hier also nichts authentisch, alles nur Spiel sei. Und tatsächlich, der Schalk saß und sitzt der Band aus München immer im Nacken. Womit aber der nicht viel bessere Vorwurf im Raum stand, dass hier Genre-Liebhaber ihr Lieblingsgenre möglichst stilecht kopieren wollen, wenn auch eventuell ironisch gebrochen. Stichwort Purismus. Stichwort Retromanie.

Beide Diskussionen muss man mit der zweiten Platte »Shame Over« nur noch halb so laut führen. Denn nur grob die Hälfte der Songs sind wie gewohnt: Handwerklich einwandfreier Rumpel-Country-Blues-Rock mit dem richtigen Maß Roughness – übersteuerter Gesang, bis zum Anschlag verzerrte Gitarren. Gar nicht so unähnlich den ebenfalls aus München kommenden G. Rag y los Hermanos Patschekos, nur etwas durchgedrehter. Und das kann – bitte nicht falsch verstehen – richtig Spaß machen, wie im traurigen Shuffle »Lovely Homes«, im punkigen »Tu Tu«, oder im Schunkelcountrysong »Fossil Fuel 2«.

Die andere Hälfte der Songs kommt weniger puristisch daher, traut sich auch mal an einen Synthesizer, einen Drumcomputer, ein Genre-untypisches Effektgerät oder auch nur ein Piano. Und da wird’s wirklich spannend: Gleich im Opening Track »Newsflash Apocalypso«, der klingt, als hätte man eine Howe-Gelb-Gesangsspur über einen Minimal-Techno-Track gelegt. Im dystopischen »Fossil Fuel«, der bedrohliches Maschinenbrummen mit zackigen Handclaps überzuckert. In »Shy Goose« mit seinem überschwänglichen Refrain. Oder im unheimlichen »Le Van’s Wife« mit seinem blechern dröhnenden Synthie. Ein Song übrigens über den Mann, der mittlerweile mehr als zehn Jahre neben den in einer Statue aufbewahrten Ûberresten seiner toten Frau schläft.

Das sind die Art Themen, die Murena Murena einem auftischen: Groteske Comic-Handlungen? Ehrlich nachempfundene Geschichten menschlicher Extreme? Weiß man nie so genau. Mit »Shame Over« jedenfalls wagt sich die Band erstmals vom festgestampften Boden des unverfälschten Rockʼn’Roll aufs Glatteis des verfälschten. Richtig gut wird’s halt immer erst, wenn eine Band ihre Vorbilder nicht nur perfekt nachspielt, sondern interessant weiterdenkt. Murena Murena können beides.

MURENA MURENA – Le Van’s Wife from Tobias Yves Zintel on Vimeo.

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