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The Messthetics and James Brandon Lewis

»s/t«

Impulse!/Universal

Fugazi mit Saxofon? Vielleicht hatten einige diese spontane Assoziation, als sie entdeckten, wer hinter The Messthetics steckt: Gitarrist Anthony Pirog mit der unbestechlichen Rhythmusgruppe Joe Lally und Brendan Canty von der einst wichtigsten Band aus Washington, D.C. Mitte der 1980er ertönten zum ersten Mal kurz Saxofone auf Dischord-Records-Veröffentlichungen: auf Screams »This Side Up« und Beefeaters »Plays For Lovers«. Nun ist die erste Dischord-Band zusammen mit einem Saxofonisten auf Impulse! gelandet. James Brandon Lewis gehört zu den bemerkenswertesten Tenorsaxofonisten der jüngeren Generation, der sogar die Aufmerksamkeit von Sonny Rollins (still alive!) auf sich zog. Die schmerzlich vermisste Trompeterin Jaimie Branch spielte in Lewis’ UnRuly Quintet; einen ihrer musikalischen Weggefährten, den Schlagzeuger Chad Taylor, kann man im Duo sowie im Red Lily Quintet mit Lewis hören. Das gigantische Doppelalbum des Quintetts »For Mahalia, With Love« sowie Lewis’ »Eye Of I« zählten auf etlichen Listen zu den Alben des Jahres 2023. Auf dem letzten Track, »Fear Not«, kamen bereits The Messthetics ins Spiel. Und wo nach acht Minuten Schluss war, beginnt nun die Kollaboration in Albumlänge. Anders als es die Namensgebung vielleicht nahelegt, spielt hier nicht einfach ein Trio, zu dem sich ein prominenter Saxofonist gesellt. Die Vier harmonieren durchwegs unangestrengt als Einheit, als veritables Quartett. Eine unbestreitbare Qualität des Albums. Diesem allerdings den Stempel »Jazz-Punk-Jam« aufdrücken zu wollen, verrät mehr über Marketing-Ratlosigkeit seitens des Labels als über die Musik und ihre vielfältigen Einflüsse. Das Fugazi-Erbe der Messthetics kommt noch am deutlichsten in »Emergence« zur Geltung: Die Dynamik, ein treibender Beat führen zu einem einprägsamen Riff – ähnlich »Better Wings«, dem Opener des zweiten Messthetics-Albums. Freilich mögen sie auch Dub, wie uns Lallys relaxt-deepe Bassline in »Three Sisters« spüren lässt. Danach greift Canty in »Boatly« erstmals zu den Besen. »That Thang« hat einen großartigen Groove; und in Pirogs kurzem Solo offenbart sich augenblicklich ein Haupteinfluss seines Gitarrenspiels: Sonny Sharrock. Schon auf dem Messthetics-Debüt wagten sie sich über »Once Upon A Time« von Sharrocks Jahrhundertalbum »Ask The Ages«. Bezeichnenderweise folgten sie seither weniger Sharrocks freiem intensitätsmaximierenden Powerplay (Last Exit mit Peter Brötzmann wäre dafür die richtige »Jazz-Punk«-Referenz), sondern bevorzugt seinen melodischen, leiseren Tönen. Auch diese können vor dem Abgleiten in eitle Fusion-Akrobatik bewahren. Mit Blick auf das bisherige Schaffen der vier Musiker hätte ihr erstes gemeinsames Album durchaus etwas abenteuerlicher, mit mehr »UnRuly«-Power ausfallen können. Aber mal sehen und hören, wohin sie der weitere Weg führt – demnächst auch auf eine Bühne in unseren Breiten, beim Jazzfestival Saalfelden: Live am Samstag, dem 24. August 2024 um 23:30 Uhr im Congress Saalfelden!

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