beth gibbons cover
Beth Gibbons

»Lives Outgrown«

Domino Records

Beth Gibbons erlangte in den 1990er-Jahren Bekanntheit als Sängerin der Band Portishead, die unter anderem als eine der Pionierinnen des TripHop-Genres gilt, einer langsameren, etwas introvertierten, melancholischen Form des HipHop. Dreißig Jahre nach dem ersten Portishead-Album »Dummy« veröffentlicht die mittlerweile 59-jährige Musikerin nun ihr erstes Soloalbum »Lives Outgrown«, das über einen Zeitraum von zehn Jahren aufgenommen wurde. Von Anfang an ist klar, es geht nicht mehr um TripHop oder elektronische Musik, sondern die Platte fußt in der Welt des Folk. Der Sound des Albums ist charakterisiert durch Gitarren als Melodieinstrument, Streicher*innen und allgemein einen trockenen, effektlosen, akustischen Sound, der größtenteils ohne Synthesizer auskommt und dennoch mit seiner hohen Dichte besticht, vergleichbar mit Sufjan Stevens Album »Illinois«. Was aber am meisten heraussticht, sind die verschiedenen Percussion-Sounds, gespielt von Lee Harris von Talk Talk, die größtenteils nicht verwendet werden, um den Rhythmus vorzugeben, sondern um eine Atmosphäre zu schaffen. Zu hören ist kein klassisches Schlagwerk, sondern es sind Paella-Schüsseln, Kartons, Schubladen, eine Wasserflasche aus Kuhfell, alles gespielt mit weichen Paukenschlägern. Inhaltlich beschäftigt sich »Lives Outgrown« mit dem Thema Mutterschaft, dem Altern und den Wechseljahren, die Gibbons als einen massiven Abstieg beschreibt, der dich in die Knie zwingt. In ihrem Alter gäbe es mehr, auf das man zurückblicken könne, als erfreuliche Inhalte, die noch bevorstünden, zudem mache der Körper nicht mehr alles mit, Veränderungen würden als immer anstrengender erlebt und Sterbefälle häuften sich. Diese raue, triste Welt ist in vielen Tracks zu spüren, z. B. in »Burden Of Life«, das vom Altern handelt, oder dem Song »Oceans«, der sich um die Wechseljahre dreht. Einzig der Album-Closer »Whispering Love« beinhaltet auch versöhnliche und fast freundliche Töne und Inhalte. »Lives Outgrown« ist musikalisch ein höchst interessantes Album, dem man die zehn Jahre Produktionszeit in seinen ausgereiften Sounds und Texturen anhört. Inhaltlich beschäftigt sich Beth Gibbons mit Themen alternder Frauen, die die Gesellschaft auszublenden versucht, und trägt somit auch zum wichtigen feministischen Diskurs bei.

Home / Rezensionen

Text
Adrian Malliga

Veröffentlichung
27.05.2024

Schlagwörter

favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Nach oben scrollen