crédit photo Ali Mobarek <a title="www.orchestrenationaldebarbes.com" target="_blank" href="http://www.orchestrenationaldebarbes.com">www.orchestrenationaldebarbes.com</a>
crédit photo Ali Mobarek www.orchestrenationaldebarbes.com

Comunidad Internacional #8

Paris heißt für mich jedes Mal auch Barbes. Das ist jener Stadtteil unweit vom Zentrum, der stark von nord- und schwarzafrikanischen Zuwanderern geprägt ist. Es ist kein besonders lauschiges Viertel - trotz Markt und guter, einfacher Küche. Und das Freitagsgebet der Hunderten von Moslems aller Herren Länder hier, zum Teil auf offener Straße, ist dem Front National ein Ärger. Weltmusik-Aficionados kommen hierher, um ihren aktuellen Bestand an kongolesischer, senegalesischer oder berberischer Musik aufzufrischen, soweit er noch auf Tonträgern erscheint.

ORCHESTRE NATIONAL DE BARBES: Das Orchestre National de Barbes ist ein elfköpfiges Ensemble, das die Ethnien dieses Stadtviertels widerspiegelt, individuell und musikalisch: Mit der Live- Doppel-CD »15 ans de scène« (La Prod JV/ Broken Silence) feiern sie auf 105 Minuten vor allem ihre nordafrikanischen Roots aller Couleurs, von marokkanischer Gnawa bis zu algerisch-kabylischen Rhythmen, aufgefrischt mit Reggae-Riddims und Rockgitarren, Soukous und Chansons wie dem sensationellen »La Rose Valse«.

»Orient Noir« (Piranha/Hoanzl) ist nach »Egypt Noir«, »Brass Noir« und »Luso Noir« eine weitere Compilation tiefgehender orientalischer Musik mit einer dunklen Note. Musik von rund um das Mittelmeer, das auch für uns so nahe ist (sein könnte): vom Balkan über die Levante und den Maghreb und zurück nach Europa. Eine Reise mit Boban und Marko Markovic, den Kletzmatics, Mahmoud Fadl und Maurice El Medioni u. a.; Gäste stellen sich zudem aus New York ein: Frank London und Susan Sandler. Stilsicher ausgewählt ohne jede Plattheit und mit Bedacht auf einen breiten und runden Bogen an Stilen und Farben. Zum Schluss ein Museumsstück aus den Tagen des Krautrock: die deutsche Siebziger-Band Effendi’s Garden mit »The Garden«, das orientalisch-arabisch eröffnet und dann zu einem schwermütigen Popsong mutiert und keinesfalls aus dem Rahmen fällt.

»Songs for Desert Refugees« (Glitterhouse/Hoanzl) ist eine 12-Track-CD klassischer Tuareg-Musik, wie man sie bei uns vor allem durch die Stars der Szene, Tinariwen, Tamikrest oder auch Tartit, alle aus Mali, kennt. Dieser Sampler versammelt darüber hinaus jedoch auch Bands aus den Wüsten- und Sahelgebieten Afrikas, die hierzulande nur wenige kennen werden, wie Bombina aus dem Niger. Insgesamt ist diese Musik zwischen den Polen authentisch (Tartit und Amanar aus Mali) und Blues- bzw. Bluesrock (Nabil Baly Othmani aus Algerien) angesiedelt. Wer die Nachrichten aus Mali aus den letzten Wochen verfolgt hat, wird von der verzweifelten Lage der Tuaregs zwischen der malischen Zentralregierung und den radikalen moslemischen Fundamentalisten, die auch das architektonische Welterbe in Timbuktu zerstörten, gehört haben. Der Ertrag aus dem Verkauf dieser CD wird Organisationen, die sich um Flüchtlingslager kümmern, zuflie&szligen.

»Arabic Beat« (Putumayo/Hoanzl) kompiliert zehn Sänger und Sängerinnen mit Schwerpunkt Marokko und Algerien, Samira Said ist die bekannteste unter ihnen. Die Mehrzahl der Rhythmen stammt aus der berberischen und kabylischen Tradition, ist rhythmusbetont und von hoher populärer Attraktivität. Eine sehr gelungene Sammlung zur aktuellen Musik des Maghreb.
KOO.png
»Highlife Roots Music« (World Music Network/Lotus) von KOO NIMO bringt keinen eigentlichen Highlife, sondern jene Musik, die diesem Stil zugrunde liegt: ghanesische Palm-Wine Music der fünfziger und sechziger Jahre, die ihrerseits von Shanties herrührte und später im Arrangement der Jazz-Bigbands und unter dem harmonischen Einfluss von trinidadschem Calypso zum Highlife wurde. Der Ghanese Koo Nimo, heute fast 80, hat das Alter, die Genealogie populärer ghanesischer (und nigerianischer) Musik miterlebt zu haben. Hier erinnert er sich mit einigen alten Profis an akustische Gitarren, diverse Percussions und mit Backing Vocals in authentischen Stimmlagen alter Zeiten an die Songs von damals: traumwandlerisch sicher, unprätentiös – als hätte man ein verschollenes Meisterwerk wieder veröffentlicht.

Es schien in den letzten Jahren, als habe Soundway Records sozusagen alleinig die Aufgabe geschultert, die Cumbia-Historie zu schreiben. World Circuit bringt nun eine Doppel-CD auf den Markt (erstmals Ende der Achtziger von Label-Boss Nick Gold auf zwei LPs kompiliert), auf der es unter dem Titel »Cumbia Cumbia 1&2« (Lotus) die ganz berühmten Bands und Sänger dieses kolumbianischen National-Genres mit den ganz gro&szligen Songs und klassischen Rhythmen schlechthin zu hören gibt. Jene Songs, mit denen bei vielen hiesigen Fans des Stils damals das Feuer der Liebe entfacht wurde: wie »La Colegiala« von Rudolfo Y Su Tipica R.A.7 oder »La Piragua « von Gabriel Romero, einem weiteren Nationalhelden. Es lohnt sich, auf die fein instrumentierten Kunstgriffe der Produktion zu achten – viele der Songs haben auch sensationelle Eröffnungspassagen. Ist CD1 wie ein Beginner’s Guide to Cumbia kompiliert, gibt CD2 quasi einen Eindruck davon, was neben der massentauglichen Hits von den Stars noch gemacht wurde: unkonventionelle Meisterwerke von hoher Kunstfertigkeit mit einem gro&szligen Traditionsbewusstsein. Man muss diese Rhythmen kennen, um alles weitere zu verstehen.

Brasilien ist reich an gro&szligen Sängerinnen, aber sie war die Königin der Musica Popular Brasileira: ELIS REGINA. Und dieses Album, »Elis Regina In London« (Soul Jazz/Trost), wird als Meilenstein eines internationalen Crossovers gefeiert. Im Jahr 1969 eingespielt mit einer Auslese von Londoner Studiomusikern und einigen brasilianischen Superstars wie Wilson das Nevas, mischte es Samba, Bossa Nova und populäre Musik mit orchestralen Arrangements. Die Plattenfirma Philips, bei der Elis Regina damals unter Vertrag war, scheute keine Kosten. Mit Peter Knight engagierte man einen Starproduzenten. Das Album verband authentischen Samba mit gepflegtem Jazz, für jede dezente Komposition wie Jobims »Wave«, findet sich ein rhythmusgetriebener Song wie »Zazueira« oder »Upa Neguinho«. Das ist die erste Wiederveröffentlichung au&szligerhalb Brasiliens

Auch das zweite Album des TAMBA TRIO, »Tempo« (Soul Jazz/Trost) kam wie das Debüt ein Jahr zuvor bei Philips heraus. Die drei Musiker bildeten damals eine der meistgefragten Studiobands für viele Bossa-Stars. Auch auf diesem Album, 1964 in Brasilien aufgenommen, sprengen sie eindeutig die Grenzen dessen, was Bossa Nova ist. Jazz, Samba und andere populäre Rhythmen werden zwar im geschmeidigen und luftigen Sound der Bossa interpretiert – wer aber ein Faible für instrumentale Arrangements und vokale Harmonien hat, den wird die au&szligergewöhnliche Vielschichtigkeit, die hier mit Klassikern wie »Berimbau« oder »Consolocao« vorgetragen wird, begeistern.

Hans Grausgruber’s Comunidad Internacional II

favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Ähnliche Beiträge

Nach oben scrollen