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Berserkers Inventur: April & Mai 2022

Die besten neuen Veröffentlichungen aus Österreich – mit Dowser, Antonia XM und Luxusgold.

Wer in die Vergangenheit reisen will, kann das ganz einfach tun. Ein Blick auf das Line-up des Nova Rock Festivals reicht aus, um sich einer Frischzellenkur aus drei bis vier Paletten luluwarmen Pittingers zu unterziehen. Plötzlich ist man wieder 16, sturzbetrunken und hat keine Ahnung, wieso man gerade mitten im Burgenland an einem Trichter saugt. Orale Phase aside – nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass die Herren Kuratoren in Nickelsdorf wie gewohnt auf eine diverse Programmierung ihres Wüstenrodeos geachtet haben. Fängt man erstmal an, die female acts an einem Finger abzuzählen, hackt man sich konsequenterweise zwei ab. Gelebte Geschlechterneutralität und Gitarren! Da blickt man lieber auf aktuelle Neuveröffentlichungen aus Österreich und haut die gesparten 200 Flocken für den Festivalpass bei Bandcamp raus.

ganetta – »demo« (s/r)

Fünf Nummern, fünf Minuten – die neue Punk-Show aus Wien rotzt auf die Vensterdielen, was auf die Vensterdielen gehört. Glatsch!

dowser – »432 Hurts« (s/r)

Früher spannte man das Powerhouse vor den Karren, jetzt hat man den Namen einer App für Wasserentnahmestellen in Deutschland. Wurscht, der neue alte Viererbob aus Wien klopft mit elf Stücken ein Album raus, für das sich Kevin Shields von My Bloody Valentine den richtigen Broadcast reinzieht und zum Slowdiven an bunten Plattln leckt.

Antonia XM – »Demons« (Ashida Park)

Dass Ashida Park derzeit zu jenen Labels in Wien gehört, die am Zukunftszeiger zupfen, hat sich rumgesprochen. Antonia XM, die Labelchefin, knallt mit »Demons« eine verlängerte EP raus, für die man die Plateautreter in Olivenöl einlegt und den PC so lange mit Music füttert, bis das Teil in Flammen aufgeht. Halleluja, Heiterkeit!

Geist in Bewegung – »Vaisvanara – Das Allengemeinsame« (Sirius Wobble)

Ungerichtete Aufmerksamkeit für die ADHS-Kids von morgen – wenn der Geist erstmal in Bewegung gerät, das Deep Listening reinkickt und man in der Buddhismus-Bibel schmökert, findet sich »Das Allengemeinsame« irgendwo zwischen sieben Gliedern und fast zwanzig Mündern.

Zahnsisters – »Das Ewige Leben« (Tamtam Recordings)

Als wollten sich Klaus Nomi und Clemens Denk beim Zähneputzen einen Jux machen – das Duo-Projekt Zahnsisters macht allerdings kein großes Tamtam aus der Gaga-Collagen-Rumsynthesizerei, sondern lieber Reime für Schweine. Eine Oper für die Kaputten.

mosch – »The blue whale in the room« (s/r)

Mosch, der Duzz-Down-San-Babo, gräbt mit einer Single den »Beats to study to«-Playlists das Kondenswasser ab, füllt es in schicken Flascherln ab und vercheckt das Zeug als Heilwässerchen für Bio-Tinkturen.

Gerald VDH – »Snacks« (Meat Records)

Der Meat-Papa verlegt Stacheldraht im Darkroom, fistet in motiviertem Marschiertempo und zerbröselt zur Pride die Forelle. Bis dahin ist es noch ein Weilchen, bereits jetzt schiebt die Auskopplung aus dem Debütspieler. Techno. Nicht mehr, nicht weniger!

BOG – »Remission« (Polawa Records)

»Explosionen, feuerspeiende Drachen und Arnold Schwarzenegger, der auf einer Harley jodelt« – so beschreiben die Düsterdudes von BOG ihre neue Platte selbst. Klingt crazy, lässt zwischen Anathema und Swans aber dermaßen viel Spielraum, dass man beim Hornbach in der Metallabteilung das Schweißgerät auspackt und headbangend an Eisenstangen rumlötet.

Enfleurage – »Around its Tail« (Waschsalon Records)

Wenn sich Anna Anderluh, Lukas Aichinger und David Gratzer im Waschsalon treffen, haben fiese Flecken keine Chance! »Enfleurage«, das Schleuderprogramm zwischen Ambient-Abfluss und Holly-Herndon-Hüpfer, kreiselt um Stücke, die so unschuldig klingen, wie frisch gewaschene Wäsche duftet. Einmal weichspülen, please!

kometa – »our open bodies will respond« (no expectation records)

Mit dem »Eierschneider« sind kometa, die Wiener Trödlertruppe, schon im Kassettenformat in den Frühstücksraum für Freibeuter-Punk im Indie-Wonderland gecrasht. Jetzt kommt das Debüt im Albumformat auf Vinyl und lockt die Numavi-Crew in eine Falle für sozialkritische Menschen, die trotzdem keine Erwartungen haben.

Luxusgold – »Reserve« (s/r)

Luxusgold, vier Grazer Deichkinder, haben eine Platte draußen, für die man sein altes Audiolith-Shirt aus der Sofaritze kratzt, den Nachbarn in die Vorzüge des Viervierteltakts einführt und so lange rumeiert, bis die MDMA-Depri reinkickt und man im Gestern von Falafel-Sandwiches, Nudelboxen und Sauerkrautsaft zum Katerfrühstück träumt.

Ultima Radio – »Sleep Panic Repeat« (s/r)

Irgendwann musste der Nu-Metal-Sound der 2000er wiederkommen. Eh klar … man pennt ein, weil man von der allgemeinen Gesamtkacke gestresst ist und wacht auf, weil einen der Stress der gesamten Kackallgemeinheit aus dem Schlaf reißt. Ultima Ratio, die Heilsbringer zwischen Rage Against The Kaffeemaschin und Limp Biscuit, zücken zwar keine Melatonin-Tabletten, ziehen aber eine Schneise von der Mur bis Meidling.

VOOCOO – »Twisted« (Vienna Underground Traxx)

Endlich mal kein Techno-Tröten-Tralala! VOOCOO baggert auf seinem Debüt für die Schwarzfahrer*innen von VUT drei neue U-Bahnschächte mit Sub-Bässen, bei denen man entlang des Donaukanals erst das richtige Soundsystem finden muss.

divmod – »pretty warp machine«

Mischa Verolet denkt sich untertags Kampagnen für S-Klasse-Fahrer aus und bestückt spätabends seinen Gameboy mit Duracell-Häschen, um den Platinen Klänge zu entlocken, als hätte Super Mario der gesammelten Chipmunks-Partie ein Kilo Koks vorgesetzt, Zelda auf Acid durchgezockt und die Einstürzenden Neubauten in HTML-Code übersetzt.

Venter – »Saudade« (s/r)

Am Bodensee entsteht Musik, für die man ein Sci-Fi-Coming-of-Age-Roadmovie für verlorene Gen-Ceeees vertonen könnte. Iman Taghadossi klingelt dafür die Arpeggios durch, hat nebenbei aber auch ein Händchen für Akkordfolgen, bei denen sogar der oide Zimmerhans ans Aufhören denkt.

Wiener Miniorchester – »Heimspielerei« (s/r)

Im Prater blühn wieder die Bäume, deshalb trink ma no a Flascherl Wein, weil wia ma san, so san ma! Anna Berger und Georg Schwarz quetschen und fiedeln, dass einem der Spritzwein aus den Augen schießt. Jetzt echt für alle, die sich zu kammermusikalischen Ausflügen aufs Heurigenbankerl mit Reben anfreunden.

V.A. – »SQ? Tape Compilation 2021« (Sounds Queer?)

Zosia Holubowska köchelt als Mala Herba nicht nur den ärgsten Witch-House Wiens, sondern sorgt auch dafür, dass mehr Menschen vor Synthesizern hocken, die sonst nie am Filterbankerl rumgeschraubt hätten. Aus Workshops und Weiterbildung entstehen so Sammlungen von Songs – diesmal mit zwölf Artists und einem Output zwischen Morning-Show-Gutmütigkeit und Peaktime-Pumpen in der Schwitzkammer.

Voiler – »Anhedonia« (Tender Matter)

Jedes Mal, wenn Voiler ein Tape veröffentlicht, wird es Zeit, den Thermen-Typen anzurufen und einen Termin bei der Zahnärztin auszumachen – weil böse Überraschungen überall dort lauern, wo man sie nicht vermutet. Krawumm!

Pressyes – »Breeze In Breeze Out« (Assim Records)

Hätten Ariel Pink, die Beach Boys und Belanglosigkeitsbengel von Tame Impala heimlich ein Cover-Album mit altem Beatles-Bums aufgenommen, es klänge exakt so wie das Ding, das René Mühlberger als Pressyes in der Hazyness über der Copa Cagrana aufgehen lässt.

FX666 – »Deep Breath« (s/r)

V-Style, saugeil! Felix Sauermoser ist der einzige Vorarlberger in Vorarlberg, der elektronische Musik produziert, die auch aus Wien, Berlin oder London kommen könnte. Damit steht er zwischen Muttersberg und Pfänderspitze zwar ziemlich allein vor seinem Gerätepark, macht aber nix: Das Rauschen hört man auch hinterm Berg!

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