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Various Artists

»Bangs & Works, Vol. 2 (The Best of Chicago Footwork)«

Planet Mu

»Diese Musik ist so schnell, dass sie mir langsam vorkommt, sagt Josephine Baker. Du musst die Beats per Minute zählen, sagt Justin Timberlake, so schnell war Chicago House noch nie. Aber wenn doch so viele Beats ausgelassen werden, wendet Josephine ein.« (Thomas Meinecke: »Lookalikes«, 2011) Ja was jetzt? Vielleicht bringt die neue Werkschau ja etwas Licht in die Sache. Und wirklich: So schnell jagt das alles nicht mehr durch einen. Gewöhnungseffekt? Nein, eher ein weiteres Ausdifferenzieren und Wuchern plus noch mehr Subbässen. Film-Noir-Stakkato-Bläser im Stretch-Kostüm (RP Boo’s »Heavy Heat«, Jlin’s »Asylum«), 90ties-House (Boylan mit »Bullet Proof Soul«) und 80ties-Schmock (»Brainwash« von Traxman), dazu New Orleans P-Funk (DJ Clent mit »DJ Clent #1«) sowie Tracks, die sich genüsslich an einer einzigen Soundidee entlangschrauben, wie bei DJ T-Why (»Finished«, »Juice«) oder gleich so hei&szligen wie sie klingen (DJ Metro: »Tekno Bangz«, Young Smoke: »Space Muzik Pt.3«), stehen diesmal im Focus der staunenden Ohren. DJ-T-Why ist aber auch für einen der Hits (ja, solche gibt’s hier zur genüge) der Compilation verantwortlich. Sein »Orbits« lässt auf Basis eines enervierenden ESGSamples (»UFO«) das Thema von »Lord Of The Rings« so klingen, als wäre es ein Lost Track aus Hitchcocks »Vertigo«. Ähnlich DJ Spinns »Crazy’n’Deranged«, dass in einer Art Möbiusschleife Melodram (Douglas Sirk) und (Horror-)Thriller (Hitchcock) ewig sich in- und auseinander verfangen lässt. Suspense scheint bei Footwork dann auch eine ähnliche Funktion inne zu haben wie Eisensteins Montagetechniken bei den frühen Public Enemy. Dabei geht es nicht einfach um abgefahrene Samples. Siehe Young Smoke, der bei seinem »Psycho War« natürlich Bernhard Hermmans Musik sampelt, damit aber genau das macht, was die berühmte Duschszene eigentlich ausmacht: Wie Hitchcock hier gleichsam den Film brutal zerschneidet und zerstückelt, so kommt auch hier das Sample durch all die wie Messerschnitte gesetzten Beats nicht heil durch. Den Gegenpol dazu liefern DJ Rashad & Gant-Man mit dem himmlischen »Heaven Sent«, wo mittels Hyperdub-P-Funk glücklich nach Detroit gehoppelt wird. Da stellt sich natürlich die Frage, inwieweit das alles nicht auch irgendwie doch hypnagogische Hauntologie sein könnte. Nur will das nicht so recht gelingen, agiert doch Footwork eher von einem Paralleluniversum aus, in dem Zeit und Raum noch nie linear und dreidimensional gedacht wurden (File under: »Black Secret Technologies«). Eher lautet die Footwork-Botschaft zu den aktuellen Pop-Seancen: »Na ihr habt Probleme.«

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