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Aki Takase

»So Long, Eric«

Intakt

Der früh verstorbene Saxophonist Eric Dolphy war immer schon mehr ein musicians musician, ein Musiker also, der inspirierend für die Kollegen, dem zeitgenössischen Publikum aber zu steil, zu schrill, zu verschroben war. Dolphy gilt als Avantgardist und im Booklet zur aktuellen Hommage anlässlich seines 50. Todestages wird er gar als Schönberg des Jazz gewürdigt, der in einzigartiger Weise den Ûbergang von Hardbop zum Free Jazz geprägt hat. Dem ist wenig entgegenzuhalten, auch wenn Jazzgymnasiasten natürlich wissen, dass die Geburt von Free Jazz auf ewig mit dem Namen Ornette Coleman verknüpft ist, selbst wenn die Anerkennung unter Jazzfans erst mit dem unter der Ägide von John Coltrane eingespielten Album »Ascension« kam (an der auch Dolphy mitwirkte). Tatsächlich hat Dolphy nicht nur als Solist eine außergewöhnliche Stellung, auch die Aufnahmen mit der Band von Charles Mingus (das legendäre Paris-Konzert etwa) belegen, dass hier Jazz in einer Freiheit zelebriert wurde, die zugleich einen Schritt vor und einen nach dem Free Jazz angesiedelt war. Das Mingus-Quintett spielte ebenso frei, nur eben nicht im damals kanonischen, sondern eher in einem polystilistischen Sinne, sich also am gesamten Jazzkanon vergreifend, aber diesen stets neu deutend. Die Hommage-CD der beiden WeltklassepianistInnen Alexander von Schlippenbach und Aki Takase klingt in der Tat streckenweise nach eben diesem Mingus Quinett aus dem Jahr 1964, was auch der quirligen Spielweise der großartigen Aki Takase geschuldet ist, die ein wenig an den Mingus-Pianisten Jaki Byard erinnert. Wenn Schlippenbach an den Tasten sitzt, sind wir wiederum näher an der Dolphyplatte »Out To Lunch«, auch ein absolutes Meisterstück im modernen Jazz. Und da man mit solchen Vorbildern arbeitet und zugleich eine großartige, hingebungsvolle Virtuosität aufbietet, fällt fast gar nicht auf, dass diese live eingespielte CD streckenweise zum astreinen Revival gerinnt. Als hätte der Geist von Dolphy ein paar Nummern neu eingespielt, wobei er flüchtig in aktuelle Jazztendenzen reingehört hat, aber im Grunde keine Veranlassung sah, sich großartig zu modernisieren, da er schon 1964 zeitlos modern war. Der Vergleich macht sie übrigens sicher: Der Gitarrist Ken Aldcroft huldigte mit seinem Convergence Ensemble ebenfalls den 50. Todestag von Dolphy. Die unter dem Titel »Tangent – For Eric Dolphy« (übrigens mit haarsträubendem Tippfehler am Cover) eingespielte CD versteht sich nicht als Revival oder Hommage, sondern ist nur dem Titel nach Dolphy gewidmet. Das Resultat ist hochklassiger, aber doch recht sperriger und irgendwie austauschbarer Improjazz. Dann doch lieber mit etwas mehr Wehmut und Verbeugung vor dem Meister – wie eben bei Takase und Schlippenbach. Das Dolphy-Double geben auf »So Long, Eric« übrigens gleich drei Saxophonisten. Und weil sie ihre Sache so gut machen, sollen sie hier zum Schluss auch noch erwähnt werden: Rudi Mahall, Tobias Delius und Henrik Walsdorff. Applaus, Applaus!

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