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Alexandr Vatagin

»Serza«

Valeot Records

Der in der Ukraine geborene Alexandr Vatagin kam als Jugendlicher nach Österreich, wo er sich bald mit den völlig falschen Leuten einließ. Anstatt mit Anzug und Krawatte um die Häuser zu ziehen, ein Jus-Studium abzuschließen, ein paar Millionen zu veruntreuen oder Schlagerstar zu werden, entschied er sich für die elektroakustische »Szene«. Es ist nicht überliefert, ob seine Mutter hernach entsetzt in die Hände klatschte, aber einschlägig bekannte Wohlklangübeltäter wie Bernhard Fleischmann, Bernhard Breuer, Stefan Nemeth und viele mehr wurden seine Weggefährten. Und dann, weil ohnehin schon alles wurscht war, gründete Vatagin ein »Label«. Darauf vertreibt er seit mittlerweile sieben Jahren soundsphärisch und elektroakustisch vorbestrafte CDs – und auch eigene Schöpfungen. »Serza« ist nach seinem Debüt »Valeot« (daher der Labelname) und »Shards« der dritte Streich. Wir hören Vatagin entweder solo (allerdings nicht wirklich, denn er spielt Cello, Synth und natürlich den allgegenwärtigen Laptop) oder im Trio. Mit David Schwaighart oder James Yates an den Drums und Martin Siewert an der Gitarre, der auch das Mastering besorgte. Das klingt oberflächlich (wenn man etwa nur die Ausschnitte auf soundcloud hört) nach düsterer Konfektionsware aus dem Kaufhaus der sphärischen Elektroakustik. Aber gerade in diesem Genre ist ein zweites, drittes Mal Hören immer Pflicht. Im Falle von »Serza« wird man dafür mit einer unvermuteten Reichhaltigkeit belohnt. Immer wieder öffnen sich die Stücke in jazzige und minimalistische Parallelwelten, die mit geradezu romantisch-verklärenden Spielereien um sich werfen. Diese Slide-Guitar-Reminiszenz etwa, wohin führt die? Ganz offenbar nicht into the desert, sondern eher in die Tundra, was vielleicht diese betörende Mischung aus Sphärik und Schwermut auf »Serza« erklärt. Alexandr Vatagins drittes Werk ist eine jener wenigen CDs des Genres, die man gerne immer wieder hört, um an dieser oder jeder Stelle erneut ein Verschieben und ein Verschimmern wahrzunehmen. Andrei Tarkowski etwa hätte diese Musik vermutlich auch geliebt. Wir dürfen also seiner Mutter versichern, dass das Intro dieser Review nur ein Scherz gewesen ist. Ihr Sohn ist nicht in die Hände übler Elektroschurken gefallen, ganz im Gegenteil, er hat sich zu einem Schmetterling sphärisch-verspielter Sounds verwandelt. Ein Glücksfall.

Home / Rezensionen

Text
Curt Cuisine

Veröffentlichung
28.06.2013

Schlagwörter

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