Comunidad internacional #11 – Reggae | Soul-, Funk- & Jazz-Reissues

Soul Jazz hat Sugar Minott schon vor einigen Jahren ein eigenes Album für seine Pionierarbeit bei Clemens Dodd gewidmet, betitelt »Sugar Minott at Studio One« (2005). So ist es entschuldbar, dass er auf dem neuesten Release, »Sudio One Dancehall: Sir Coxsone in the Dance – The Foundation Sound« (Soul Jazz/Trost), nur mit einem Song vertreten ist. Denn es war Sugar Minott, der Coxsone Ende der 1970er darauf hinwies, dass man sich bei Channel One von seinen alten Hits Riddim-mäßig inspirieren ließ. Was in der Folge geschah, nannte Sugar in Interviews einen »Krieg« zwischen den beiden Labels. Alte Hits und Riddims wurden recycled, was das Zeug hielt. Nicht nur Coxsones bester Mann, Sugar, sang und toastete über die guten alten Riddims und Melodies. Das wunderbar sanft fließende »My Conversation« von den Uniques wurde von Wyndall Haye als »Haunted House« neu gesungen; »Movie Star« von Alton Ellis, ebenfalls ein alter Hit, ging fast nahtlos in Doreen Schaffers »I Don‘ Know Why« über; genauso wie »Still in Love With You« bzw. »I’m Just a Guy«, mit dem zwischenzeitlich Altea und Donna als »Uptown Top Ranking« viel Geld in die Kassen von Produzent Joe Gibbs gespielt hatten, zu »Peace Truce Thing« von DJ Dawn & The Ranking Queens wurde, einer der besten Songs auf »Studio One Dancehall«. Diese Aufnahmen markieren zugleich das Ende der Ära Coxsone Dodd/Studio One in Jamaica, ein letztes großes Fanal, bevor der Mann, der die Hitparaden und Dancehalls über viele, viele Jahre dominiert hatte, der Gewalt auf Jamaica wich und seine Aktivitäten nach Brooklyn/NY verlegte. Die 18 Songs mögen einerseits »Versions« für Hardcore-Fans sein, andererseits aber sind sie auch zeitlos schön und unvergänglich. BLACK ROOTS, britische Foundation Rockers, hatten sich Anfang der 1990er nach zwölf produktiven Jahren aufgelöst – Jahre, die das Bristol Reggae Archive kürzlich mit einigen Releases dokumentierte. 2012 reformierten sie sich. »Ghetto Feel« (Soulbeats Records/Broken Silence) ist ein perfekt gespieltes und produziertes klassisches Roots-Album, das neben einer routinierten Rhythmus-Sektion exzellente Bläser zum Einsatz bringt und gelegentlich Reggae mit Jazz oder Country & Gospel fusioniert. Eine Begeisterung für Jazz brachte die Ursprungsbesetzung der kalifornischen Reggae-Band GROUNDATION einst zusammen. »A Miracle« (Soulbeats Records/Broken Silence), ihr achtes Album, ist mehr als die Vorgänger von starken Jazzeinflüssen geprägt, eine gelungene Fusion aus Reggae und jazzig-souligen Keyboards, Bläser-Arrangements bzw. Solos auf Zugposaune und Trompete. Als Sängerinnen konnte man überdies zwei Veteraninnen des Genres gewinnen: Marcia Griffiths und Judy Mowatt. LUTAN FYAH trat mit der zweiten Roots-Welle jamaikanischer Bobo Ashanti nach Sizzla, Luciano oder Capleton Mitte der nuller Jahre prominent in Erscheinung. Er gehörte zu den wesentlichsten Singjays des One-Drop-Reggae. Mit »Life of a King« (Sound of Reggae/Hoanzl) bringt er ein ruhiges, gelegentlich meditativ anmutendes Album heraus, das ihn auf der besseren Hälfte der Songs mit Band präsentiert. Es ist ein Album mit eher zurückgenommenen Riddims, auf dem sogar die schnelleren Songs relaxed und getragen wirken. Das stört weiter nicht, da das Album hervorragend produziert ist. Mit Dub-, Dubstep- und Ragga-inspirierten Passagen bietet es genug Abwechslung für seine 40 Minuten Länge. Das nie endende Ska-Revival ist um eine Band reicher: THE DELEGATORS aus London bringen mit ihrem Albumdebut »All Aboard« (Brainlab Groove) eine neue Farbe in das Ska-Panoptikum: Starke Einflüsse von 1960er-Soul, Rocksteady und TwoTone ergeben ein hohes Potenzial an Good-Vibes-Musik. Mit Janet Kumah hat die Band eine herausragende Sängerin, Covers alter Chartbusters wie dem Motown-Hit »Nowhere To Run« von Martha & the Vandellas stehen neben soliden Eigenkompositionen. Soul-, Funk- & Jazz-Reissues Man hört die ersten Takte von DAN MASTROIANNIs »Tears And Whispers« (bbe/Hoanzl) und weiß sofort, das hier ist Musik, wie sie auf den beiden »Americana«-Compilations von Zafsmusic zu finden ist, die sich weißen amerikanischen, Soul-orientierten Mainstream-Rockbands widmen. Und tatsächlich ist Mastroianni auf Nr. 2 vertreten, aber nicht mit dem Eröffnungs-Track dieses Reissues, sondern mit dem uptempo rockenden »Just One Touch«. Alle Songs dieses superraren Albums von 1984 (aus Discogs gibt’s z.B. genau kein Angebot) haben diesen Faserschmeichler-Touch, der einerseits auf Sax und Flöte zurückzuführen sein mag, aber andererseits auch dann da ist, wenn sie mit schrillen Keyboards und hämmernden Drums überfrachtet sind. Das muss an der durchgängig stimmigen Produktion und den Vocals der beiden Sänger liegen. In jenen Tagen war so etwas wie ein roter Faden durch ein Album noch selbstverständlich. Mir ist klar, dass das Musik für Liebhaber, um nicht zu sagen: etwas schräge Vögel ist, aber man betrachte es als Auszeichnung, dazuzugehören. NANA LOVE: »Disco Documentary – Full of Funk« (bbe/Hoanzl) ist ein sensationelles Album-Rerelease aus der Blütezeit des Disco 1978. Es ist jazzig, funkig, elektronisch und – zeitunabhängig – avantgardistisch. Es kann in seiner Art mit den besten 70er-Alben von Weather Report oder Osibisa mithalten. Außer dem hohen Anteil an Afrofunk-Disco kamen Reggae und andere karibische Beats mit in den Mix. Die hohe Kopfstimme von Nana Love windet sich durch die dichten Rhythmusgeflechte aus Afro-Drums, die funkigen Gitarren und Bläsersätze. Die Band war einmalig, ihr gehörten neben Harry Mosco Mitglieder von Boney M. an. Vergleichbares wurde in der letzten Zeit nur von Kiki Gyan oder William Onyeabor wiederveröffentlicht. »Independent Jazz Sounds from the Seventies & Eighties« ist eine der Vorgaben für Kev Beadle, Londoner DJ in diesem bei uns ein wenig unhippen Genre. Soul und Funk – klar, aber Jazz war das, was ihn immer schon wirklich begeisterte, merkte er am Cover der ersten Compilation an. Auf »KEV BEADLE Presents Private Collection Vol. 2« (bbe/Hoanzl) bringt er wieder eine Auswahl von ein wenig aus der Mode gekommenen, nichtsdestotrotz sehr schönen Jazz-Songs, darunter auch »Mozambique« von Archie Shepp, das man durchaus als Klassiker bezeichnen darf. Doch die Palette ist weit gestreut: Ruhige und meditative Songs – und um Songs handelt es sich häufig – wie Janet Lawsons »Dreams Can Be«, das einen Touch Bossa hat, Kathryn Moses‘ »Music In My Heart« oder Appendix‘ »Autumn Song« wechseln sich mit geradlinigem Jazz wie Chico Freemans Version von Cecil McBees »Wilpan’s Walk« oder dem funkigen Latinjazz Rhythmus »Carnaval« von Cortijo & His Timemachine ab. Weniger raren als ungerechterweise aus der Mode geratenen Jazz für Leute, die so was nicht unhip finden, holt...

Soul Jazz hat Sugar Minott schon vor einigen Jahren ein eigenes Album für seine Pionierarbeit bei Clemens Dodd gewidmet, betitelt »Sugar Minott at Studio One« (2005). So ist es entschuldbar, dass er auf dem neuesten Release, »Sudio One Dancehall: Sir Coxsone in the Dance – The Foundation Sound« (Soul Jazz/Trost), nur mit einem Song vertreten ist. Denn es war Sugar Minott, der Coxsone Ende der 1970er darauf hinwies, dass man sich bei Channel One von seinen alten Hits Riddim-mäßig inspirieren ließ. Was in der Folge geschah, nannte Sugar in Interviews einen »Krieg« zwischen den beiden Labels. Alte Hits und Riddims wurden recycled, was das Zeug hielt. Nicht nur Coxsones bester Mann, Sugar, sang und toastete über die guten alten Riddims und Melodies. Das wunderbar sanft fließende »My Conversation« von den Uniques wurde von Wyndall Haye als »Haunted House« neu gesungen; »Movie Star« von Alton Ellis, ebenfalls ein alter Hit, ging fast nahtlos in Doreen Schaffers »I Don‘ Know Why« über; genauso wie »Still in Love With You« bzw. »I’m Just a Guy«, mit dem zwischenzeitlich Altea und Donna als »Uptown Top Ranking« viel Geld in die Kassen von Produzent Joe Gibbs gespielt hatten, zu »Peace Truce Thing« von DJ Dawn & The Ranking Queens wurde, einer der besten Songs auf »Studio One Dancehall«. Diese Aufnahmen markieren zugleich das Ende der Ära Coxsone Dodd/Studio One in Jamaica, ein letztes großes Fanal, bevor der Mann, der die Hitparaden und Dancehalls über viele, viele Jahre dominiert hatte, der Gewalt auf Jamaica wich und seine Aktivitäten nach Brooklyn/NY verlegte. Die 18 Songs mögen einerseits »Versions« für Hardcore-Fans sein, andererseits aber sind sie auch zeitlos schön und unvergänglich.

BLACK ROOTS, britische Foundation Rockers, hatten sich Anfang der 1990er nach zwölf produktiven Jahren aufgelöst – Jahre, die das Bristol Reggae Archive kürzlich mit einigen Releases dokumentierte. 2012 reformierten sie sich. »Ghetto Feel« (Soulbeats Records/Broken Silence) ist ein perfekt gespieltes und produziertes klassisches Roots-Album, das neben einer routinierten Rhythmus-Sektion exzellente Bläser zum Einsatz bringt und gelegentlich Reggae mit Jazz oder Country & Gospel fusioniert.

Eine Begeisterung für Jazz brachte die Ursprungsbesetzung der kalifornischen Reggae-Band GROUNDATION einst zusammen. »A Miracle« (Soulbeats Records/Broken Silence), ihr achtes Album, ist mehr als die Vorgänger von starken Jazzeinflüssen geprägt, eine gelungene Fusion aus Reggae und jazzig-souligen Keyboards, Bläser-Arrangements bzw. Solos auf Zugposaune und Trompete. Als Sängerinnen konnte man überdies zwei Veteraninnen des Genres gewinnen: Marcia Griffiths und Judy Mowatt.

LUTAN FYAH trat mit der zweiten Roots-Welle jamaikanischer Bobo Ashanti nach Sizzla, Luciano oder Capleton Mitte der nuller Jahre prominent in Erscheinung. Er gehörte zu den wesentlichsten Singjays des One-Drop-Reggae. Mit »Life of a King« (Sound of Reggae/Hoanzl) bringt er ein ruhiges, gelegentlich meditativ anmutendes Album heraus, das ihn auf der besseren Hälfte der Songs mit Band präsentiert. Es ist ein Album mit eher zurückgenommenen Riddims, auf dem sogar die schnelleren Songs relaxed und getragen wirken. Das stört weiter nicht, da das Album hervorragend produziert ist. Mit Dub-, Dubstep- und Ragga-inspirierten Passagen bietet es genug Abwechslung für seine 40 Minuten Länge.

Das nie endende Ska-Revival ist um eine Band reicher: THE DELEGATORS aus London bringen mit ihrem Albumdebut »All Aboard« (Brainlab Groove) eine neue Farbe in das Ska-Panoptikum: Starke Einflüsse von 1960er-Soul, Rocksteady und TwoTone ergeben ein hohes Potenzial an Good-Vibes-Musik. Mit Janet Kumah hat die Band eine herausragende Sängerin, Covers alter Chartbusters wie dem Motown-Hit »Nowhere To Run« von Martha & the Vandellas stehen neben soliden Eigenkompositionen.

Soul-, Funk- & Jazz-Reissues

Man hört die ersten Takte von DAN MASTROIANNIs »Tears And Whispers« (bbe/Hoanzl) und weiß sofort, das hier ist Musik, wie sie auf den beiden »Americana«-Compilations von Zafsmusic zu finden ist, die sich weißen amerikanischen, Soul-orientierten Mainstream-Rockbands widmen. Und tatsächlich ist Mastroianni auf Nr. 2 vertreten, aber nicht mit dem Eröffnungs-Track dieses Reissues, sondern mit dem uptempo rockenden »Just One Touch«. Alle Songs dieses superraren Albums von 1984 (aus Discogs gibt’s z.B. genau kein Angebot) haben diesen Faserschmeichler-Touch, der einerseits auf Sax und Flöte zurückzuführen sein mag, aber andererseits auch dann da ist, wenn sie mit schrillen Keyboards und hämmernden Drums überfrachtet sind. Das muss an der durchgängig stimmigen Produktion und den Vocals der beiden Sänger liegen. In jenen Tagen war so etwas wie ein roter Faden durch ein Album noch selbstverständlich. Mir ist klar, dass das Musik für Liebhaber, um nicht zu sagen: etwas schräge Vögel ist, aber man betrachte es als Auszeichnung, dazuzugehören.

NANA LOVE: »Disco Documentary – Full of Funk« (bbe/Hoanzl) ist ein sensationelles Album-Rerelease aus der Blütezeit des Disco 1978. Es ist jazzig, funkig, elektronisch und – zeitunabhängig – avantgardistisch. Es kann in seiner Art mit den besten 70er-Alben von Weather Report oder Osibisa mithalten. Außer dem hohen Anteil an Afrofunk-Disco kamen Reggae und andere karibische Beats mit in den Mix. Die hohe Kopfstimme von Nana Love windet sich durch die dichten Rhythmusgeflechte aus Afro-Drums, die funkigen Gitarren und Bläsersätze. Die Band war einmalig, ihr gehörten neben Harry Mosco Mitglieder von Boney M. an. Vergleichbares wurde in der letzten Zeit nur von Kiki Gyan oder William Onyeabor wiederveröffentlicht.

»Independent Jazz Sounds from the Seventies & Eighties« ist eine der Vorgaben für Kev Beadle, Londoner DJ in diesem bei uns ein wenig unhippen Genre. Soul und Funk – klar, aber Jazz war das, was ihn immer schon wirklich begeisterte, merkte er am Cover der ersten Compilation an. Auf »KEV BEADLE Presents Private Collection Vol. 2« (bbe/Hoanzl) bringt er wieder eine Auswahl von ein wenig aus der Mode gekommenen, nichtsdestotrotz sehr schönen Jazz-Songs, darunter auch »Mozambique« von Archie Shepp, das man durchaus als Klassiker bezeichnen darf. Doch die Palette ist weit gestreut: Ruhige und meditative Songs – und um Songs handelt es sich häufig – wie Janet Lawsons »Dreams Can Be«, das einen Touch Bossa hat, Kathryn Moses‘ »Music In My Heart« oder Appendix‘ »Autumn Song« wechseln sich mit geradlinigem Jazz wie Chico Freemans Version von Cecil McBees »Wilpan’s Walk« oder dem funkigen Latinjazz Rhythmus »Carnaval« von Cortijo & His Timemachine ab. Weniger raren als ungerechterweise aus der Mode geratenen Jazz für Leute, die so was nicht unhip finden, holt Kev Beadle aus seinem Regal.

Zum 100. Geburtstag: SUN RA & HIS ARKESTRA »In the Orbit of Ra« (Strut/Hoanzl), zwanzig Songs, Kompositionen, ausgewählt von Marshall Allen, einem seiner Mitstreiter. Es mag sein, dass Sun Ra zeitlebens mit seinen seltsamen kosmischen Connections und strangen Kostümen in Jazzkreisen an öffentlicher Credibility verlor. Schade, denn das hier ist eine Form von zeitloser Avantgarde, witzig, brillant und teils abgefahren, wie es sie meines Wissens heute nicht mehr gibt. Ein Guide in einen eigenen musikalischen Kosmos.

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