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Dirty Projectors

»Swing Lo Magellan«

Domino

Afro-Pop-Gitarren, hysterische Chöre, clubbige Beats, Bongos, Handclaps, Streicher, Bläser, Rockausbrüche und Lagerfeuer-Momente, sogar Flöten und Saxophone: Bei so viel buntem Allerlei könnte leicht etwas durcheinander geraten. Dazu kommt es auf »Swing Lo Magellan« aber zu keiner Zeit. Dirty Projectors Mastermind David Longstreth erreicht durch Reduktion und Konzentration, dass die Songs an keiner Stelle zerfasern. Heraus kommen richtig starke Pop-Songs, die trotzdem nicht auf den für die Dirty Projectors typischen Eklektizismus verzichten, und das ist keine geringe Leistung. Zentral bleibt die Stimme als Instrument. Das macht schon das Eröffnungsstück »Offspring Are Blank« klar. Die von Amber Coffman und Haley Dekle (Angel Deradoorian ist nicht mehr dabei) eindringlich eingesungenen »Uuuh«- und »Aaah«-Chöre und Longstreths frei über den seichten Beat gesungenen Zeilen sind eindeutig die tragenden Elemente des Songs. Auch die Vorab-Single »Gun Has No Trigger« erreicht gerade dadurch seine unglaubliche Intensität, dass sich die Chöre vom Hintergrund ins Zentrum des Songs drängen. Oft verbreiten die Songs auch eine leichte Sixties-Stimmung, etwa bei »Irresponsible Tune«. Retro ist es deswegen noch lange nicht, denn die Songs speisen sich aus so vielen Quellen – die Vergleiche reichen von David Byrne über Yes bis zu Beyoncé – und fügen so viel Eigenes hinzu, dass es mitnichten bei einer nostalgischen Heraufbeschwörung der Vergangenheit bleibt, sondern etwas Neues, Zukunftsweisendes geschaffen wird. Gut zehn Jahre lang haben Animal Collective, Vampire Weekend, Yeasayer, Grizzly Bear und nicht zuletzt Dirty Projectors nun mit Afro-Pop-Gitarren, Afrobeat-Drums und Beach Boys-Harmonien einen Weg aus der The-Band-Einbahnstra&szlige gewiesen. »Swing Lo Magellan« ist eines der überzeugendsten und verführerichsten Angebote dieses Auswegs überhaupt. Und deshalb stimmt hoffentlich bald nicht mehr, was Longstreth in »Irresponsible Tune« singt: »With our songs we are outlaws/ With our songs we’re alone.« Denn dieses Album könnte ein paar Leute mehr für die spannendere Seite von »Indie« begeistern. Dass sich derart interessante und zeitgeistige Musik auch hervorragend zum Distinktionsgewinn anbietet, ist nicht die Schuld der Musik. Sonden nur ein weiterer Widerspruch, mit dem man heutzutage leben muss.

Home / Rezensionen

Text
Hardy Funk

Veröffentlichung
26.11.2012

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