Der Salon skug auf Rädern geht auf die Straße © Redaktion
Der Salon skug auf Rädern geht auf die Straße © Redaktion

Reden wir auf der Straße über die Straße

Zwischenbilanz. Die skug-Serie »Wem gehört die Straße« und mit ihm die Salons auf Rädern haben ein Jahr abgerollt. Lehrreich war’s und kurzweilig.

Die Straße ist metaphorischer und realer Raum. »When I’m out in the street, I walk the way I wanna walk«. Klar, also raus aus der Bude und rein in die (vermeintliche) Freiheit des Draußen. Und schließlich, wo sollen wir uns sonst begegnen? Ganz so einfach ist es dann natürlich nicht, denn die Straße ist Verhandlungsraum und Ort des energischen Diskurses: »Des is ka Radlweg, Depperta!« Die Straße ist durchzogen von unzähligen Linien, sichtbaren und unsichtbaren, weil jeder Flecken wem gehört oder vermeintlich gehört und genutzt werden möchte. Der Straßenraum betrifft alle, denn selbst die Reichsten der Reichen brauchen festen Boden für ihre Limousinen, man kann schließlich nicht immer den Helikopter nehmen. skug fragt deshalb breit angelegt in seiner Serie »Wem gehört die Straße?« Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen, wie sie die Straße sehen, gestalten und was sie zukünftig von ihr erwarten.

Zu Gast beim TONSPUR_festival am 1. Mai 2022 © Sabine Groschup

Die Öffentlichkeit in der Krise

Straßen führen in eine gewisse Richtung und mit ihr das gesellschaftliche Ganze. Haben wir schon längst die eine oder andere Abbiegung verpasst? Hat es die überhaupt gegeben, oder wären wir neben dem asphaltierten Boden gleich im Schlamm versunken? Wer grundsätzlich fragt, was eine Straße überhaupt ist, erkennt, wie sehr sie determiniert. Denn wo keine Straße hinführt, da ist schlecht hingelangen. Nun gehören zur Einbahnstraße aber auch immer zwei: diejenigen, die behaupten, es sei so und es ginge nicht anders, und diejenigen, die dies auch glauben. Wenn sich jetzt etwas ändern soll (Und wer stellt beim Blick auf die aktuelle Lage infrage, dass dem so ist?), dann gilt es, neue Formen der Begegnung und des Austausches zu finden. Natürlich auch auf der Straße selbst.

skug hat deshalb seinen Salon auf zwei umgebaute Lastenfahrräder mit Anhängern gepackt und fährt an öffentliche Orte der Stadt, um Diskurs mit anderen Mitteln zu halten. skug Talk, Live-Musik und auch Party, denn das informelle Gespräch mit musikalischer Untermalung soll niemals unterschätzt werden. Hier treffen Menschen zusammen, die flanieren, anwohnen oder auch absichtlich zum Salon skug herbeigeeilt sind. Eine Intervention, die immer erst ausgehandelt werden muss: Ist das zu laut, zu frech, brauchen wir das überhaupt?

Offizieller Saisonauftakt am 25. Juni 2022 im Yppenpark © Redaktion

Faszinierend, wie hierbei uralte und archaische Bilder aus den Menschen aufsteigen. Manche Anwohner*innen waren sich sogleich sicher, dass, wer am Wochenende mit Fahrrädern Musik bringt und auch noch ein buntes Zelt aufschlägt, keiner geregelten Arbeit nachgehen kann. Nachzuschlagen unter »Fahrendes Volk«. Dem Team skug waren diese Diskussionen montags ins Büro eine genüssliche Erinnerung. Wir möchten zugleich die wissenschaftliche Forschungsfrage stellen: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Immobilienpreis einer Liegenschaft und dem Ruhebedürfnis der Besitzer*innen? Am Wiener Yppenplatz ist man Leben und Lärm gewohnt, am Stadtrand wohnen größere Empfindlichkeiten. Aber genau deshalb braucht es Salons auf Rädern und die Frage nach den Möglichkeiten des öffentlichen Straßenraumes. Hier die Bildgalerie vom Salon skug auf Rädern am 31. Juli 2022 auf der Lagerwiese Rehlacke zum eigenen Augenschein, Fotos: © Tom Zeitlhuber.

Auch ein medialer Aufbruch

Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, dann muss dies an unterschiedlichen Orten zugleich geschehen. Die Welt wäre nicht die, die sie ist, wenn nicht alles ineinandergreifen würde. Politik, Öffentlichkeit und Medien. Was hierbei schnell ermüdet: Es sind die immer gleichen Akteur*innen, dieselben Entscheider*innen und dieselben wohlbekannten Meinungen, die in die gleichen Sackgassen führen. Sofort nehmen wir bei skug die eigenen Nasen in die Hand. Haben wir unsere Meinung über den Straßenraum nicht schon gefasst? Viele Sitzgelegenheiten aus Europaletten zimmern, bunt anmalen und mit Topfpflanzen garnieren – gut ist’s. Nein, es geht darum, die vielen Stimmen zu hören und auch beispielsweise die emanzipatorische Funktion des Autos in den Blick zu nehmen. Außerdem, erkläre niemals anderen, was sie zu lieben haben.

Salon skug beim Volksstimmefest am 3. September 2022 © Redaktion

Das Problem, anders aufzeigen zu wollen, ist zugleich eines der medialen Verbreitung. skug ist Teil von BAM!, dem Bündnis alternativer Medien, bei dem wir uns bemühen, andere Sichtweisen in der ihr gebührenden Komplexität aufzuzeigen. Dies soll mit keinem Wort heißen, dass wir einen besseren Journalismus betreiben, nur haben wir ein gewisses Potenzial, weil wir »zur Freiheit verdammt« sind. Wenn in einer »großen« Zeitung ein durchaus kritischer Bericht zur Automobilität erscheint und drei Seiten weiter ein zehnseitiger »exklusiver« Fahrbericht über einen neuen SUV, der sich trotz seiner zweieinhalb Tonnen Gewicht mit seinen rund 400 PS gut fährt, dann ist dies zumindest eine »doppelte Botschaft«. Eine gewisse Skepsis ist hier angebracht, inwieweit es sich große Verlage überhaupt erlauben können, den Alternativen den entsprechenden Raum zu gewähren.

Aber wir wollen auch konkret aushandeln, deshalb haben wir uns den Zukunftsrat Verkehr als Partner*innen angelacht. Änderungen sollten von unten wachsen und nicht per Dekret hereinbrechen. Wenn ändern, dann gemeinsam und dazu müssen möglichst alle gehört und ihre verschiedenen Sichtweisen gewürdigt werden. Zwei Jahre lang erprobt dies der Zukunftsrat mit aleatorisch ausgesuchten Bürger*innen, die ein Abbild dieser Gesellschaft im Kleinen geben. Das Ganze wird wissenschaftlich aufbereitet und von skug journalistisch begleitet. Zwecks weiterer Erläuterung ein kurzer Einblick, wie in der Hitze des letzten Sommers skug und Zukunftsrat einmal über sich selbst geredet haben:

The Long and Winding Road geht weiter. Demnächst neue Texte zur Straße und im kommenden Frühjahr, wenn es wieder wärmer wird, bricht der Salon auf Rädern erneut auf und erkundet die Straße. Wir sehen uns!

P.S.: Den nächsten Salon ohne Räder gibt es bereits am 13. Oktober 2022 im Wiener Rhiz. Dort dann Hyperpop, Reggaeton, Queerness und eine Diskussion zur notwendigen Dekolonialisierung der Landwirtschaft. Genaueres in Bälde auf diesem Kanal.

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