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Satellite Grooves

Micro Bits For Everyday Living

Mira

Skeptischer Blick ins Kinderzimmer. War da was? Stand das Schaukelpferd vorhin nicht näher am Bücherregal? Fragen wie diese, von denen wohl niemand in seinen Jugendtagen verschont blieb, treten beim Lauschen der vorliegenden Platte wieder zu Tage.
Gemäß Quarks‘ »Alle Dinge leben, sie bewegen sich nur einfach nicht«, begeben sich hier längst vergessenen Spielgefährten auf musikalische Abwege und es scheint ihnen mächtig viel Spaß zu bereiten. Wie wir’s immer geahnt haben, säuseln da Casio Keyboards begleitet von glockenspielenden Plüschtierchen süßlich durch den Raum und versuchen die nimmermüden Zinnsoldaten, die nicht aufhören wollen ihre Trommeln zu befrickeln und beflirren, in den Schlaf zu wiegen. Wenn dann allerdings Spielzimmerdirigent Satellite Grooves selbst zum Mikrofon greift um für Ruhe im Mikrokosmos zu sorgen, schlüpfen alle gemeinsam unter eine große Decke und wundervollste Harmonie legt sich über die kommenden 40 Minuten. So lange nämlich dauert dieses verträumte und zierliche Kleinod aus dem Hause Mira, welchem zwar eine gewisse Morr- bzw. Wichita-Affinität nicht abzusprechen ist, den Referenzbogen allerdings in Sachen Soundästhetik auch weiter in Richtung Vertracktheit à la Boards Of Canada oder Schlammpeitziger’scher Krautmelancholie spannt. John Kale, der junge Herr hinter diesem Kinderzimmerorchester, lebt in Washington und fand über Emo-Hardcore-Sozialisation zu dieser von ihm selbst als beep music bezeichneten Verkörperung infantilen Wonnegefühls. Niedlichkeit wird hier groß geschrieben und bezaubernde Melodien durchziehen diese in Jugendreminiszenzen getränkte Liebeserklärung an Sandkästen und Drehschaukeln. Demnach wäre es kaum verwunderlich, wenn Kinder am Spielplatz künftig neben obligaten Lakritzestangen auch Satellite Grooves naschen würden. Verübeln könnte man es ihnen nicht, den Kleinen, denn wenn ihre anderen Snacks auch nur halb so lecker wie »Micro Bits For Everyday Living« schmecken, wünsch ich der Süßwarenindustrie schon jetzt viel Glück für die Zukunft.

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Text
Florian Obkircher

Veröffentlichung
22.10.2003

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