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Attwenger

»Flux«

Trikont/Lotus Records

 

 

Drei unterschiedliche Blickwinkel auf ein gefluxtes Ding


Michael-Franz Woels
über »Flux«:

 

Die Attwengers haben sich nicht erst mit ihrem mittlerweile siebenten Studioalbum in eine selbst-referenzielle Idiosynkrasie hineingegroovt. Dialekt und Denglisch im Flow, der im aktuellen Longplayer nach zwanzigmonatiger Bastelarbeit unter »Flux« subsummiert wird und im Opener »Shakin‘ My Brain« sich auch zitierend vor einer Soullegende wie Bill Withers verbal zu verbeugen gedenkt. Ansonsten zitiert man sich gerne selbst, musikalisch wie textlich. Same same but different und definitely Folk-Funk’n?Roll, unterfüttert mit taktvoller, elektronischer Geräuscherzeugung (obwohl iTunes ganz klar das Genre Rock behauptet). Auch die Family wird gefeatured und bringt frische, verkratzte Vocals ein (Anspieltipp: »one« mit Juri Binder, auch Janna Binder ist wieder mit von der Partie, sie refraint »mief«). Warum klingt Markus Binder, wenn der Sprechgesang mal nicht am Spielplan steht wie der Ostbahn Kurti (gehört oder verhört auf Track 09 »orkan«)? Interessant die zwei Stücke, die unter Mitarbeit von Wolfgang Schlögl von den Sofa Surfers entstanden. Proberaum gibt Anekdotisches aus dem Musicbizz zum Besten mit einem aphoristischen Wien-Diss: »wean is ned wean waun ned schnö a boa deppad wean«. Neu im Attwenger-Sound-Compound ist Harri Stojka, der am Album-Ende »swing« garniert. Attwenger sind wieder dada, Zeit zum In- und Innehalten.

 

Stefan Koroschetz zu »Flux«:

Jetzt fluxt Attwenger also! Wenn flux gleich Flow ist, haben Attwenger schon immer gefluxt, ganz besonders live. Als einer, der im Laufe der Jahre die beiden Herren fast 20 mal live erlebt hat, trau‘ ich mich das zu behaupten. Die ersten beiden Alben fluxten vielleicht etwas weniger, aber spätestens mit »luft« wurde das flux-Universum betreten, betrommelt, bequetscht, besungen. Schon die Shows aus dieser Phase hatten kaum noch Pausen zwischen den Stücken, eher fra&szlig sich der Sound wie eine mal hei&szligere, dann wieder kühlere Lavamasse ins geneigte Flux-Ohr. Bestimmte Melodien auf der Harmonika tauchten fast schon leitmotivisch immer wieder auf, um die Songs/Tracks miteinander zu verfluxen. Jetzt hat das Kind also offiziell einen Namen unter dem gleich 17 Stücke heranfluxen, stilistisch sogar noch »experimentierfreudiger« als gewohnt: Quetschn und Drums sind nur mehr das Fundament, auf das noch jede Menge draufgefluxt wird. Beinahe ein Tabubruch ist der Einsatz der Flux-Gitarre von Harry Stojka, eh nur bei einem Stück, und elektronischen Support hat man sich mit dem Electro-Flux Wolfgang Schlögl alias I-Wolf in die Fluxkiste geholt. Gleich im ersten Stück bedient sich Markus Binder in einem originellen Medley der englischen Flux-Zunge und vermischt diese nassforsch mit der oberösterreichischen. Hört man nur halb zu, gehen beide Sprachen locker als ein- und dieselbe durch. ?berhaupt wollen die Texte weniger vordergründig Bedeutung transportieren, vielmehr hat Binder einen maximal spielerischen Zugang zum Texten, bei dem der reine Klang wichtiger sein dürfte, als der semantische Inhalt. Und mit der Menge an (abgedrucktem)Text, den Attwenger nur für dieses Album rausgefluxt haben, würden andere 30-jährige Karrieren bestreiten. Bis jetzt mein Favorit ist das aberwitzige »mief« (Refrain: »Come on feel the mief«), und wahrscheinlich liegt’s am gerade im TV laufenden Beitrag zur Causa Ernst Strasser, dass ich dabei an den »Special Smell« von Lobbyisten denken muss. Aber bevor ich hier völlig aus der Spur kippe, mach ich mich lieber – der späten Stunde entsprechend – flux auf in Richtung Bett.

Curt Cuisine »refluxed«:

Ans, zwa, ged scho. Lassen wir zunächst die Frage beiseite, ob Attwenger immer noch hörbar, annehmbar, relevant sind. Die schöne neue Volksmusik als heimisches Pendant zum modernen (oder »weird«) Folk hatte ja in Gegensatz zu diesem nur einen kurzen, längst verjährten Frühling – und Attwenger war das alles stets herzlich wurscht. Das Herausragende an der zweiten, der dritten, der vierten Attwenger-CD war, dass sich Markus Binder und Hans-Peter Falkner jeweils genau im Fokus einer zeitgemä&szligen Volksmusik bewegten. Erst wurde das Genre reduziert und damit zugleich modernisiert, dann HipHop integriert, dann das Ganze elektronisch aufpoliert und zu einer Art Folkfloormusic (geradezu mantrahaft) verschwei&szligt. Die fünfte CD, »sun«, nach einer langen Schöpfungspause, war dann mehr ein Rundumschlag, ein in alle Stilrichtungen ausfransendes Werk, das sich in Nachhinein als eine ihrer facettenreichsten Arbeiten erwies. Unüberhörbar aber auch, dass sich der experimentellere Binder von Falkner ein wenig abgesetzt hatte, was nicht zuletzt textlich bemerkbar war. Ziemlich düster und grantig gaben sich Attwenger anno 2002, und drei Jahre später, auf »dog«, war das kaum anders, nur dass »dog« kaum noch eine Standortbestimmung erlaubte. Aber auch da könnte man im Nachhinein behaupten, das waren Attwenger im Zeichen der damaligen Rockrenaissance, ziemlich straight und eckig eben. Und wo stehen wir jetzt bei »flux«, das mit einer Rockabilly-Hommage beginnt, und danach fast soulige, vor allem aber viele poppige Nuancen herbei zaubert? Das sich so fröhlich und unbeschwert gibt, wie seit (ja, muss man sagen) Jahrzehnten nicht mehr, und wo sich Attwenger auf »douamasche« erstmals sogar selbst zitieren? Rück- und Selbstbezüglichkeit rules offenbar, aber selbst das lie&szlige sich als zeitgemä&szlig interpretieren, schlie&szliglich lebt die Popmusik derzeit von flächendeckendem Selbstrecycling, als hätte die Postmoderne jetzt erst begonnen. Fairerweise also muss man sagen: Wenn sich »flux« nicht mehr so relevant anfühlt wie das Frühwerk, liegt das nicht an Attwenger alleine ?? Aber denen ist das ja, wie gesagt, herzlich wurscht. Dem unbelehrbaren Fan sind derlei Zuordnungsversuche ebenso wurscht, er freut sich über eine gut gelaunte und facettenreiche neue Attwenger-CD. Der Attwenger-Skeptizist findet in dieser Review hingegen eine Ausrede, doch wieder mal in ein Werk der Herren Falkner & Binder reinzuhören. Was wiederum dem Rezensenten herzlich wurscht ist (denn mit einer anderen Einstellung sollte man eine Attwenger-CD gar nicht anhören). Ans, zwa, ged scho.

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