Die beste Compilation aus dem Fundus der World-Music-Reissues kommt dieses Mal (wieder) vom Label Soundway und ist »Cartagena! Curro Fuentes & the Big Band Cumbia And Descarga Sound of Colombia 1962-72« (Hoanzl) betitelt. Ich muss zugeben, dass ich beim ersten Nebenbei-Hören der vorschnellen Ansicht war, dass das schon wieder eine Ansammlung von Songs (von mir nicht bekannten Bands) mit klassischen und bestens bekannten Cumbia-Rhythmen sei. Was im Prinzip auch stimmt. Aber mit welch großartigen Bandaufgeboten diese instrumentiert und arrangiert wurden, das geht über die bloße Hit-mäßige 3-Minuten-Präsentation dieser rustikalen Tanzboden-Musik weit hinaus. Neben der Komplexität der Stil-Crossovers zur Salsa und Descarga, die dieser von westafrikanischen Rundtänzen und europäischen Präsentationsweisen abstammenden musikalischen Grundform der Cumbia eine Latin-Jazz-Grundierung unterlegt, bleibt die scheinbare Leichtigkeit der Tanzform erhalten. Soundway ist damit das – für mich – bislang interessanteste Album in diesem Genre gelungen: konsistent aus der Hand eines Produzenten (ein Spross der Fuentes-Familie, deren gleichnamiges Label für diese Musik schlechthin steht), rhythmisch immer hart akzentuiert und für den geneigten Hörer insofern neu, als es diese Aufnahmen außerhalb Kolumbiens bislang nicht zu hören gab.
Eine Kraut-und-Rüben-Compilation kommt von »Sofrito Tropical Discotheque« (Strut/Hoanzl), aber eine, die wirklich gut funktioniert – obwohl die Reise zwischen Lateinamerika, Afrika und der Karibik hin und hergeht. Klar, das Ganze basiert auf afrikanischen Rhythmen – aber auch das ist keine Gewähr für einen durchwegs fließenden Mix. Einige der hier kompilierten Songs hat Sofrito zuvor schon auf 12″s (inkl. Remixen) herausgebracht oder auf Single (Frente Cumbiero mit »Pitchito« z. B.). Nun also fünfzehn Tracks, von denen ich nicht sagen könnte, welcher mir morgen besser gefällt. Jedenfalls freue ich mich etwa, Mighty Sparrow mit »Soca Gold«, das ich als 12″-Reissue nicht mehr bekam, jetzt zumindest in dieser Version zu haben. Und Roaring Lion, ein anderer Großer des Calypso/Soca-Genres, mit »Carnival Long Ago« ist auch einmal was Neues. Schön auch, dass mit der Band Les Ya Tupas du Zaire ein klassisches Stück Kongo auf die CD gefunden hat, damit diesen hierzulande chronisch unterrepräsentierten Stilen von Rhumba Congolaise über Soukous bis zu Ndombolo einmal etwas Üffentlichkeit geboten wird. Kolumbien, Haiti, Ghana und GB via Quantic im Mix – große Songs auf einer wahrhaft kosmopolitischen Compilation.
Mit EBO TAYLORs »Life Stories – Highlife & Afrobeat Classics 1973-1980« geht Strut (Hoanzl) wieder einmal ungeniert auf von anderen ausgetretenen Pisten: Man veröffentlicht Material des ghanesischen Altmeisters , das sich zum Gutteil schon auf früheren Compilations befand, vor allem auf den beiden »Ghana Soundz«-Alben, die Soundway in den letzten Jahren herausbrachte. Diese waren »Afro-Beat, Funk And Fusion« unterbetitelt, und das ist es wohl auch, was sie sind: eine Afrobeat & Funk-Fusion, wie sie nach dem Auslaufen des in Ghana und Nigeria populären Highlife-Stils in vielen westafrikanischen Staaten dominierte und wie das Genre via Fela Kuti auch in Europa aufbereitet worden war – wenn auch nicht so relaxed swingend. Der lockere Swing, der bei diesen Songs den forcierten Groove des Afrobeat besänftigt, rührt vom Highlife-Rhythmus, welcher hier eine – wenn auch dominante – Nebenrolle spielt.
Strut setzt auch beim Reissuen des Katalogs von Fania auf Nummer Sicher: »Fania Records 1964-1980. The Original Sound of Latin New York« (Strut/Hoanzl) übt sich wieder einmal im Reigen der approbierten Compilation-Hits: Wenig erstaunlich wird die breite bunte Palette von gängigen Latin-Stilen zwischen frühem Barrio, Boogaloo und Salsa bedient – wenig überraschend auch die Namen der Helden von Johnny Pacheco, Joe Bataan und Willie Colon. Ich hatte immer gehofft, dass es all die wunderschönen Entdeckungen, die uns seit Jahr und Tag aus der Welt des Reggae und vor allem des Soul verkündet werden, all die erstaunlichen Alternative-Versions und Disco-Remixe im Latin-Business-Alltag ebenso reichlich gegeben hat und dass sie eines Tages serienweise ausgegraben und veröffentlicht werden. Dass es sie nicht zur Genüge gibt, kann ich nicht glauben, weil ich selbst immer wieder tolle 12″-Editions gefunden habe und auch Alben von Musikern, deren Namen sich nie auf Reissues finden. Auf »Fania Records 1964-1980« also wieder die gängigen Smash-Hits wie »Che Che Cole«, »Mi Gente« oder »Quimbara« – von jenen Superstars, die sie anno dazumal zu Evergreens machten. Ein wenig enttäuschend – nicht darum, weil das nicht ganz große Musik wäre, sondern weil man es halt schon – mehrfach – im Regal stehen hat.
Zu DAVID MURRAY »Plays Nat King Cole« (Universal) ließe sich viel schreiben. Hier kurz die Geschichte, die einiges mit Kuba zu tun hat: Nat King Cole machte in den Jahren 1958 und 1962 zwei Latin-Jazz-Alben, deren Instrumentals er in den EGREM-Studios in Havanna mit kubanischen Musikern einspielen ließ 1959 kam die Revolution, und so musste die zweite Hälfte des Materials in Mexiko aufgenommen werden. Fünfzig Jahre später beschließt David Murray mit seinem Ensemble aus kubanischen Jazzmusikern, die Songs neu aufzunehmen – von »El Bodeguero«, einem kubanischen Standard des Orquesta Aragón, bis zum Tango-Klassiker »A Media Luz« aus den zwanziger Jahren. »It don’t mean a thing if it ain’t got that swing«, sagte einst Duke Ellington – und das ist hier das Motto von Murrays kleiner Bigband. Sie lässt die Klassiker swingen, wie das halt nur die Kubaner können. (PS: Leider konnten sie das im reichlich steifen März-Konzert im Wiener Porgy & Bess nicht wirklich herüberbringen.)