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Bob Mould

»Blue Hearts«

Merge Records

Bob Mould ist zornig. Gut so. Denn dieser gerechte Zorn auf die US-amerikanischen Verhältnisse unter dem »neo-fascist gangster in the White House« (Zitat Cornel West) beschert uns einige seiner dringlichsten Songs seit, nun ja, dem letzten Album »Sunshine Rock«? Seit »Copper Blue« oder doch seit »Candy Apple Grey«? Nach dem kurzen akustischen Opener »Heart on My Sleeve«, der etwas von einem melancholischen »Too Far Down«-Echo hat, setzt es dreimal Uptempo-Power, so kräftig wie schon länger nicht mehr. Insbesondere »American Crisis«, Anfang Juni als erste Single veröffentlicht, ist auch textlich so direkt, wie es Mould nicht mehr war, seitdem er sich mit »Real World« und »Deadly Skies« auf »Metal Circus« vom expliziten Polit-Hardcore der frühen Hüsker Dü verabschiedet hatte: »Free speech got stolen by a pack of thieves…« Er selbst spricht von »the catchiest batch of protest songs I’ve ever written in one sitting«. Auch die unheilschwangere Schwarz-Blau-Ästhetik (ob der zeitweilige Wahlberliner auch über den österreichischen rechten Dreck informiert ist?) erinnert natürlich an »Everything Falls Apart« – in der Tat. Mould zieht Parallelen zwischen der evangelikal-fundamentalistisch unterfütterten Hetze der Gegenwart und jener gegen schwule AIDS-Kranke in den 1980ern: »Silence was death. Never forget!« In »Forecast of Rain« schlüpft er in die Rolle des religiösen Zweiflers, der seine eigene familiäre katholische Prägung zur Disposition stellt. Unversöhnlich mit den Verhältnissen, verhältnismäßig versöhnlich mit den Menschen, die sich von diesen nicht dumm machen lassen wollen. So darf sich der Himmel auch mal mit Rainbow Butterflies füllen (»Siberian Butterfly«). Auf instrumentaler Ebene fällt es mir bei Mould immer wieder schwer, weder den exorbitanten Hüsker-Maßstab anzulegen, noch den alten Fan-Wunsch nach dem definitiven, durchgängig fesselnden Soloalbum (file under »Workbook«) aufkommen zu lassen. Auch »Blue Hearts« hat so seine Längen; immer dann, wenn Moulds souveränes Songwriting doch den Tick zu vorhersehbar ausfällt. Allerdings wollte er knapp vor seinem 60. Geburtstag wohl kein abgeklärtes Alterswerk, sondern einen fokussierten Kommentar zur Zeit abgeben. Und das ist ihm hörbar frisch gelungen.

Home / Rezensionen

Text
Peter Kaiser

Veröffentlichung
23.09.2020

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