Frank Ocean © prweb/Def Jam

Ariel Pink vs. Frank Ocean

»Mature Themes« vs. »Channel Orange«

Beginnen wir mit Frank Ocean. Ist das jetzt hauntologischer Post-HipHop oder Post-Soul? Wäre ja durchaus verlockend und naheliegend. Auch Ocean plündert genüsslich im hauntologischen Nebel des Adult-Rock aus den Ätherarchiven der 1970er/1980er und schreckt dabei auch nicht vor den Eagles oder Fleedwood Mac zurück (schön nachzuhören auf www.datpiff.com/Frank-Ocean-Nostalgia-Ultra-mixtape.210282.html). Nur tut er dies mit dem Fan-Blick auf etwas vermeintlich Fremdes, der dabei jedoch auch gleichzeitig die Frage impliziert, wieso Afro-AmerikanerInnen nicht auch »wei&szligen« Adult-Rock toll finden sollen und können. Auch bei Ocean ist das Konstrukt »Black Music« eine fragliche Zuschreibung und wird eher als ästhetische Herangehensweise wie (ebenso politische wie persönliche) Erfahrung gedacht (durchaus befremdlich, irritierend und wenn schon quasi »homegrown« dann auch eher dort wo das »P« im Sinne eines »Para« bzw. »Psycedelic«vor dem Funk steht). Auch Prince wuchs bekanntlich in einer Stadt auf, deren Radiostationen den Äther hauptsächlich mit Rock gespeist haben (also im Grunde das Gegenteil von dem, was in Detroit oder Cincinnati aus dem Radio erklungen ist). Trotzdem die Sounds und Samples hier scheinbar locker unverbunden durch die Tracks floaten, gehören sie gerade in ihren mixologischen Diskontinuitäten zusammen und beziehen sich bei ihrem Flanieren und Herumwandern (mal »on the road«, mal auf »Crossroads«) jedoch eher auf ein durchaus spaciges wie desaströses »Aussen« (speziell bei den Interludes), denn auf ein souliges »Innen«.

Denn im Gegensatz zu Neo-Soul hat bei Oceans Future Soul so etwas wie Techno und Digi/Cyber-Soul sehr wohl stattgefunden (wenig verwunderlich sind dann auch Leute wie André 3000, Pharrell Williams mit von der Partie und sind die Tracks von Second Line Beats mit ihren schon mal speziellen und alles andere als gemeinsamen Wege gehenden Snare- und Bassdrums bevölkert). Zwar ist post-humane Entfremdung hier nicht unbedingt das zentrale/zwingende Thema, aber einfach dort weitermachen, wo Soul/HipHop mal das jeweils goldene Zeitalter erlebte geht auch nicht mehr, au&szliger es ist damit eine Abkehr von einem Zentrum (Golden Age, amtliche Sounds, »das Eigene«, etc.) bei gleichzeitiger Problematisierung dessen mal als Kernbereich dieses Zentrum angenommenen wurde. Prince, Marvin Gaye, Stevie Wonder liefern zwar auch hier die gro&szligen Texturen. Aber sie stehen auch für Zweifel: Welche Traditionen als Idee/Hypothese gehen noch (aber nicht mehr in Form einer Musik, die wie eine Musik von früher klingen würde), was ist da womöglich noch (wieder) zu holen, was wurde liegen gelassen/versemmelt (etwa durch Gangsta-Rap)? Doch ähnlich der geradezu kosmischen Schwerelosigkeit der Samples (exemplarisch dafür das geradezu epochale »Pyraminds«) wandelt auch Frank Ocean zwischen den Welten (hier durchaus anderen »in-Betweens« wie eben André 3000, Pharell Williams, Prince oder Jimi Hendix verwandt). Und ja, diese polymorphe Musik kann (gerade nach seinem Outing) auch als verqu(e)er bezeichnet werden.

Ariel_Pink_s_Haunted_Graffiti.pngDie Samples/Zitate sind es dann auch, die einen entscheidenden Unterschied zu Ariel Pink’s Haunted Graffiti machen. Denn hier sind sie immer noch der Gravitation unterworfen. »Mature Themes« verlässt den Lo-Fi-Kosmos früherer Arbeiten und hinterlässt dabei eher Zwiespältiges. War die ganze hauntologische Hypnagogic-Sau&szlige vielleicht doch nichts anderes als ein simpler Wechsel vom elterlichen über das Kinder/Jugendzimmer hin zum eigenen Wohnzimmer im vormals elterlichen Livingroom? Besonders ein Problem tritt bei diesem entstaubten Lo-Fi-Sound markant zu Tage: Ariel Pink geht zwar mit Zitaten geschickt um, aber er belässt die Samples/Zitate meist dort, wo sie immer schon waren und verschiebt das Zitat beim Zitieren nicht weit genug (von einem Wohnzimmer zum anderen ist nur ein Umzug und kein Neubezug). D. h., die Ordnung (von Pop und Rock von vor 30/40 Jahren) bleibt bestehen. 

Blöder noch: Die quasi-neue Form restauriert die alte Ordnung als ewig, als Popformel, die nach ihrem Tod als/im Mythos die verpatzte Heilslehre dummerweise wieder als unhintergehbare Wahrheit neu aufgekocht werden kann. Das mag auch an den Sounds liegen, die sich diesmal zu perfekt und auch zu schön zueinander verhalten. Das ist nicht gleich ein Problem, eignet sich jedoch immer weniger für hauntologisches Tischerlrücken. Viel eher geht es exemplarisch um ein altes Problem: Es darf keine durchgehende Herrschaft über all die (Quäl)Geister und Gespenster aus der Vergangenheit geben. Sonst wird das Unterfangen zu sehr Akrobatik, Zirkus und Handwerkertum (und weniger Brian Wilson/Van Dyke Parks). War das nicht auch mal das Tolle an der windschiefen Schlampigkeit bei Beck? Lo-Fi nicht als produktionsästhetischer Gimmick, sondern als Zeichen dafür, das schon damals einige Gebäude, (Pop-)Ideen und Songformate eingestürzt und in sich zusammengebrochen waren und beim neuerlichen Zusammenbasteln dann halt auch Teile gefehlt haben, nicht mehr (zueinander passten), kurz wertlos und unnütze geworden sind? Vielleicht sollten sich all die hauntologischen Hipster aber einfach nur mal (wieder) »The Third Reich & Roll« der Residents anhören…

Ariel Pink’s Haunted Graffiti: »Mature Themes«
4AD/Beggar’s Group/Indigo

Frank Ocean: »Channel Orange«
Island/Universal

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