Bei »I’m Free« von BUNNY MARRETT handelt es sich um einen raren und wohl nur Insidern bekannten Longplayer. Der in Jamaica geborene Musiker kommt als Teenager nach England, wo er rasch in Bristols Reggae-Zirkeln zu einer lokalen Celebrity wird, der landesweite oder gar internationale Durchbruch stellt sich aber trotz jahrelangem musikalischem Wirken nicht ein. Dennoch ist Bunny Marrett ein einflussreicher Musiker, indem er seinen Roots-Reggae mit Jazz mischt und auch ungewöhnliche Instrumentierungen mit Melodica oder Steel Guitar nicht scheut. Sein Stil ist beim Hören vertraut, man erinnert sich an »Singers and Players«-Produktionen von Adrian Sherwood aus jenen und späteren Tagen oder, noch später, Finley Quayle – nur beim Nachhören findet sich dann doch kein passendes Äquivalent: Marretts 6-Tracks-LP von 1986 ist, getragen von akustischer Gitarre, sanft, jazzig und luftig, zugleich aber auch rhythmisch komplex und tiefgründig. Produziert hat übrigens der in der Szene damals allgegenwärtige US-Scientist. Die CD-Edition ist um einen weiteren Song plus Dub erweitert.
Vor 25 Jahren reiste DAN RATCHET mehrmals zwischen Jamaica und England hin und her, um einen Longplayer einzuspielen. In Kingston nahm er u. a. in den Channel One Studios auf, in London produzierte ihn Michael Campbell. Die Songs waren »State of the Art«-Roots-Reggae jener Epoche, entspannt bewegt wie da Meer an einem sonnigen ruhigen Morgen, auch zwei Lovers-Rocker finden sich. Weiß der Teufel, warum dieses Album mit seinen feinen Horn-Passagen, das absolut in einer Liga mit den Großen jener Tage spielt, nie erschienen ist. Jetzt hat BAR die acht Songs inklusive ihrer Dubs, die allerdings eher (Instrumental-)Versions sind, unter dem Titel »Jah Poor People« endlich veröffentlicht. Give Jah praise and thanks.
BUKKY LEO & BLACK EGYPT »Anarchy« (Agogo/Indigo).
Egypt 80 war der programmatische Name von Fela Kutis Band in den Achtzigern. Und Bukky Leo spielte mit Fela und dessen ursprünglichem Drummer Tony Allen. Seit 1982 lebt er in London und ist dort Teil der Jazz- und Afrobeat-Szene. Alle paar Jahre bringt er ein Album heraus, das man jeweils eher dem Afrobeat als dem Jazz zuordnen kann. So auch dieses Mal. »Anarchy« schuldet Fela Kuti in jeder Hinsicht, musikalisch und thematisch, viel – mehr aber noch Tony Allen und dessen Modernisierung des Genres in den Neunzigern. Am Weitesten weg von ihren Ursprüngen treiben diese Musik – neben gelegentlichen Reggae- und House-Attributen – die beiden abschließenden Gilles-Peterson-Remixe von »Skeleton«, wobei der fernöstlich angehauchte »Winter Dub« besonders gefällt.