Robert Wolf © Karl Vollmann
Robert Wolf © Karl Vollmann

Clubmusik aus der Sicht eines Punks – Teil 2

Robert »Räudig« Wolf im Interview über seine geheime Leidenschaft. Unter »Clubbing« verstanden die Engländer*innen früher, dass man mit Knüppeln aufeinander losgeht, der Dub ist stets zu loben und bei der neuen Platte bekommen Pink Floyd und Cavern of Anti-Matter eine Verbeugung.

Im zweiten Teil des Interviews mit Punk- und Post-Punk-Legende Robert »Räudig« Wolf spannen wir weiter den Bogen von Raves und kollektiver Clubkultur bis hin zu Räudigs eigener DJ-Tätigkeit. Hier geht’s zu Teil 1 und Teil 3.

skug: Du hast für dein Album einen sympathischen Tipp mitgegeben und es »Clubmusic for the mind« genannt. Aber wie ich schon in meiner Rezension geschrieben hab: Es funktioniert. Nicht nur for the mind, sondern es ist zugleich Tanzmusik. Clubkultur hat ja auch immer das kollektive Ereignis. Was mich in solchen Clubs immer fasziniert hat, ist, dass der/die DJ angesehen wird wie eine Band und das gemeinsam zelebriert wird. So ein Schlüsselerlebnis war für mich 2010 in Paris DJ Hell. Das Spiel mit Publikum, dieses Teasen und die Dramaturgie und das Publikum, das dann mitgeht. Also es ist nicht nur eine Sache for the mind, für den eigenen Genuss mit Kopfhörern, sondern es hat ja auch immer diesen kollektiven Aspekt.
Robert »Räudig« Wolf: Ja, das hat schon was Richtiges. Auf einem Rave zum Beispiel war ich nie, obwohl mich das Prinzip Rave natürlich brennend interessiert hat, welches ja am Anfang auch noch eher bandbezogen war. So Bands wie die Happy Mondays oder Stone Roses, die auch so eine Mischung aus Elektronik und schon noch mit Gitarren und so …

So etwas hat es in Österreich aber nie gegeben, dass in der Clubkultur Bands on stage mitgespielt haben, oder?
Wüsste ich auch nicht, nein. So wie Chuzpe zuletzt aufgetreten sind, also zu dritt, mit dem Laptop, einer Gitarre und ansonsten nur einem MC, das ist von vielen Leute schon gut aufgenommen worden, aber viele waren auch befremdet und sagten einfach: Nein, das wollen wir nicht. Also im Chelsea könntest du so nicht auftreten … aber da muss man sich dann eben den Ort dafür suchen. In der Forelle war’s super. Die war voll.

Mit Chuzpe?
Mit Chuzpe, ja. Ich hab’ The Good Force auch in der Grellen Forelle präsentiert, aber nur im kleinen Raum, den es jetzt nicht mehr gibt. Das haben sie wieder eingestellt. Einen super Sound und einen Video-Beamer haben sie dort und da kann man halt die Visuals auch machen, die für mich persönlich wichtig sind.

Das ist ja noch ein anderer Aspekt: Du machst großartige Visuals und das ist ja – nicht so wie vielleicht bei Rockbands – ein integraler Bestandteil der Atmosphäre. Ähnlich wie zum Beispiel das Strobo in der Clubkultur.
Ja, genau. Und das war’s. Wie das bei uns angefangen hat mit der Clubkultur, hab’ ich auch eine Zeit lang angefangen, aufzulegen. In der Blue Box hab’ ich ja fast zwei Jahre lang jeden zweiten Samstag aufgelegt. Und da dazwischen auch extrem Gitarren, weil halt damals Grunge und so aufgekommen ist …

Also Anfang der Neunziger?
Hm … Anfang der Neunziger hab’ ich dann schon wieder aufgehört in der Blue Box. Also eher so Ende der Achtziger. Man sagt ja immer die meisten Menschen verbinden die Achtziger mit Whitney Houston und Phil Collins und diesem ganzen Dings, aber es sind ja auch so Sachen entstanden wie Nirvana, Nick Cave, das ist ja alles in den Achtzigern entstanden.

Aber Grunge ist ja nun eher die Antithese zur Clubmusik …
Ja, eben, aber wenn ich aufgelegt hab’, dann hab’ ich dazwischen immer meine Kraftwerk und meinen Giorgio Moroder und auch solche Sachen aufgelegt. Und am Ende ist das dann auch immer mehr geworden und als die Blue Box dann neu übernommen wurde, haben die dann interessanterweise angefangen, kaum mehr Gitarrenmusik zu spielen, sondern eher diese aufkeimenden Techno-Sachen. Detroit-Techno und so, der damals teilweise auch noch handgespielt war, also von Bands. Wir haben dann Ende der 1990er beim Bauhaus-Konzert in München ein Paar kennengelernt und uns mit denen angefreundet und die waren in der Wiener Gothic-Szene zuhause. Der Daniel hat dann später ein Geschäft gehabt – das wirst du nicht kennen – in der Otto-Bauer-Gasse, das hat Wonderland geheißen, wo er halt so Sachen, Gargoyles und alles, was mit Gothic zu tun hat, verkauft hat. Das Geschäft hat es vielleicht zwei, drei Jahre gegeben. Konkurrent vom Nexus. Ich glaub’, das Nexus gibt es ja immer noch.

Das ist im Durchgang runter zur Windmühlgasse.
Ja, genau. Und da bin ich dann in die Gothic-Szene gekommen und hab’ diese ganzen Bands kennengelernt, eben wie Covenant und diese ganzen Düster-Electro-Bands, die mir auch eine Zeit lang gefallen haben. Und auch so viele Hybrid-Bands: Think About Mutation. Und eben diese alten EBM-Bands wie Nitzer Ebb und Front 242 und solche Sachen. Und da hab’ ich dann auch … In der Ullmannstraße hat es einen Club gegeben, der hat Megiddo geheißen und da hab’ ich auch eine Zeit lang aufgelegt. Weiß gar nicht, was da draus geworden ist … der hat sich dann glaub’ ich verzettelt. Der hat Konzerte gemacht und eben Clubbings.

Ja, dieses 666 Festival.
Ja, genau. Wenig Gewinn eigentlich. Keine Ahnung, was die jetzt machen. Sie war ja so in der Fetisch-Szene aktiv. Also echt Hardcore. Keine Ahnung, was aus denen geworden ist. Alles, was irgendwie tanzbar ist, das ist halt für mich Clubmusik, und ich liebe Clubs, wo man diese Musik – wo du schon recht hast – eben nicht nur über Kopfhörer, sondern auch über eine irrsinnig gute Anlage hören und sich da quasi zudröhnen lassen kann. Das hat schon was. Aber auf der Tanzfläche wirst du mich eher nicht finden. Und das war eigentlich der Hintergedanke, weil der Begriff Clubmusic for the mind, das hab’ ich in irgendeiner Musikzeitschrift gelesen, das hat vor Jahren irgendein Musikjournalist für irgendeine Band geprägt. Und das hat mir irgendwie gefallen, weil das dem entspricht, was ich gern hab’. Nämlich zuhause liegen mit Kopfhörer und … (imitiert eine Bass-Drum). Und die ist halt so vielseitig, die Clubmusik-Szene. Wobei die Engländer gelacht haben. Ich hab’ gesagt: »Ich geh zu einem Clubbing« und Clubbing heißt eigentlich Schlägerei, wo man mit Knüppeln aufeinander losgeht. »I gave him a good clubbing.« (lacht)

Wie sagen dann die Engländer?
Na mittlerweile sagen sie auch Clubbing, aber damals war das irgendwie noch … keine Ahnung. Naja, die haben eher Rave gesagt. Oder eben diese ganze Mayday-Szene, also in Deutschland um Doktor Motte herum und so, solche Sachen. Das hab’ ich alles aufgesogen. Da hat es so viele gute Sachen gegeben. DJ Hell ist ein super Typ. Also der gefällt mir total gut.

Wenn wir über so Raves reden und Clubbings, dann hat das ja auch einen ziemlich anarchistischen Touch noch gehabt, wenn man über Free Techno redet. Also einfach irgendwo hinfahren, Anlage aufbauen mit Sound-System und dann einfach mal drauf los.
Ja, das hat mir auch gefallen, weil das für mich die Idee von Punk war. Die Idee von Punk war nicht, dass man jetzt bis zum Sankt Nimmerleinstag drei Akkorde spielt und den Text variiert über Bullen oder, weiß ich nicht, die Bullen, den Staat, das Militär, also das war mir immer zu wenig. Aber dieser anarchische Geist von Punk, dass man einfach irgendwo in der Pampa eine Mordsanlage aufstellt, ein paar Stromgeneratoren … Ecstasy verteilt, dafür keinen Alkohol. Punk ist für mich einfach Freiheit des Geistes. Ich tu’ das, wonach mir gerade ist, und scher’ mich da wenig um Erwartungshaltungen. Das nächste Album wird wieder ganz anders. Mit der Single ist das eine einmal abgeschlossen und die nächste wird wieder ein bisschen Gitarren haben und so. Du warst eh im Rhiz, da hast du schon einen kleinen Vorgeschmack gekriegt.

Wie weit ist die Produktion der neuen Platte?
Demo-Stadium. Also die zehn Nummern, die drauf kommen, stehen jetzt fest, die Reihenfolge steht auch fest. Man muss nur noch mischen und ein paar kleine Änderungen vornehmen. Und es heißt: »A Saucerful Of Antimatter«. Also eine Verbeugung vor Pink Floyd und Verbeugung vor Cavern of Anti-Matter, die ich total großartig finde. Mir haben Stereolab schon gut gefallen, aber Cavern of Anti-Matter … Stereolab haben auch schon, zwar nicht bei allen Nummern, aber haben auch immer Kraut-Einflüsse gehabt. Chemical Brothers hab’ ich noch nicht erwähnt, auch eine der Bands, auf die ich so total steh’. Oder The Prodigy teilweise. Und auch diese Downtempo-Sachen oder dieser Bristol-Sound. Diese Trip-Hop-Sachen, das ist auch alles …

Das geht ja schon nah an den Dub …
Ja, und auch da gibt es viel … Ich bin an sich kein großer Reggae-Fan, aber im Dub-Sektor … Also ich hab’ oft von einer Platte die Dub-Version gekauft, weil mir die viel besser gefallen hat. Oder auf vielen Reggae-Singles ist ja auf der A-Seite die normale, auf der Rückseite der Dub. Und das ist eine wahre Fundgrube.

Was ich spannend finde, ist ja, dass Dub eigentlich das erste Musik-Genre war, das nicht durch Live-Performance entstanden ist, sondern durch Experimentieren im Studio.
Ja.

Wo wir jetzt auch wieder darauf zurückkommen können, dass das eigentlich auch etwas ist, was du zuhause allein am Computer austüftelst.
Da ist halt einer im Studio gesessen, der ein altes Echogerät gehabt hat und mit dem herumexperimentiert hat, mit Delay und so, großartig! Und wo der Rhythmus so was Hypnotisches hat, was natürlich den Kiffern entgegenkommt. Also Dub find‘ ich ganz großartig. Ich hab’ leider viele von meinen Reggae-Singles aus den Sechziger-Jahren nicht mehr, weil ich die irgendwann in einem Anfall von Wahn verkauft hab’, aber ein paar hab’ ich noch. Und der Michi Kodak – auch so ein Reggae-Freak, der ist dauernd in Jamaika und legt auch auf und macht auch so Dub-Sachen – der hat glaub’ ich eine relativ große Sammlung.

Wäre gut gewesen, nur die A-Seiten verkaufen zu können.
Genau, geht leider nicht.

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