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Christoph Schlingensief

Trifft Richard Wagner

Deutsche Grammophon

Vernichtet das Idol für den Gebrauchswert! Tötet Wagner und verdaut ihn gut! Weh dem, der von Schockregisseur Schlingensief, dem großen deutschen Entlarver des Schlagzeilendenkens, hier das pure Lustigkeitspaket erwartet: Wenn dieser eine Doppel-CD Lieblings-Wagner kompiliert, ist das natürlich genießerisch-bissige Aufarbeitung miefigen Kulturspießbürgertums. Da legt er in drei kurzen Bookletseiten nah, praxisorientiert mit den erhebenden Weihen Parzifals oder Rienzis die Normalität zu überwinden und gewöhnliche Wurst durch Beschallung in ein transzendierendes Konsumgut zu verwandeln.
Wagner als »Inbegriff pathetischen Handelns« visualisiert er in denkendem Schwarzweiß durch schmackhaftes Dieter-Bohlen-Posing in eherner teutonischer Nietenlederjacke und Fünftagesbart. Ja, das Werk wird mit heiligem Ernst vollbracht. Wagners Schaffen erhält straighte, chronologisch gereihte Stippvisiten ausschließlich klassischer Aufnahmen. Wie Gründgens bei Hamlet, findet man hier unter liebenden Spinnweben René Kollo oder Leonie Rysanek unter dem Dirigentenstab von Sir Georg Solti und Karl Böhm. Die Deutsche Grammophon erhält angesichts rückläufiger Classic-Sales eine Mehrwertcompilation bei Feuilletonleser und Popkultur-Azubi. Dietrich Diederichsen zieht parallel vom Leder. Mit einer Doppel-CD Arnold Schönberg, weil der der Jugend von heute was zu sagen hat! (Mal die Weicheier durch den Zwölftonwolf ziehen, ha…). Werner Herzog inszeniert den Holländer. Lars von Trier den Ring. Eine neue Heimatsonne entsteigt dem Firmament. Apoll und Dionysos vereint im Weisheit über die Menschheit regnenden 69er. Der Blätterwald raschelt randvoll verhuschter Ehrfurcht vor einer neu recycleten Verkaufsidee. Erleuchtet ergreifen wir zwei (tatsächlich sehr gelungene) Klassikcompilations, unser Tagwerk zu versüßen. Bildzeitung schreit Kaufpflicht. Skug folgt als Tenor im Chor. Demnächst im Ghettoblaster jeder besseren Teenagerbaustelle.

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