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Blues & Rhythm & Rollin’ Gumbo Feelin’ #1

C. K. Dent auf Nuggets-Suche: In dieser Kolumne wird künftig ein besonderes Gericht aus abwegigem Rock’n’Roll und Rhythm & Blues serviert. Besprechungen von Reissues und Compilations von Musik aus der Mitte des letzten Jahrhunderts als auch aktuelle Veröffentlichungen aus den Bereichen Trash-Rock’n’Roll, crazy One-Man-/Woman-Bands, Rockabilly oder sonstigen verqueren Sachen aus dies- und jenseitigen Sümpfen, schwitzig-burlesken Speak-Easies und von staubigen Straßen.

Den Anfang mache ich mit dem meiner Meinung nach gegenwärtig innovativsten Compiler im Bereich Rhythm & Blues, der zur Freude aller DeeJays seit 2009 mit seiner Jukebox Jam-Serie mehr als fünfzig lizenzierte 45er-Single-Repros auf den Markt gebracht hat. Es ist die Rede von niemand geringeren als Liam Large. Die von ihm zusammengestellte Compilation »Jukebox Mambo Volume II: Further Afro-Latin Accents In Rhythm & Blues 1949-1960« ist ein weiterer Meilenstein in seiner Wiederveröffentlichungsarbeit. Wie schon beim ersten Teil vor zwei Jahren geht es hier darum, den Assimilationsprozess afro-kubanischer Rhythmik im US-amerikanischen Jazz und Rhythm & Blues sichtbar zu machen, indem die frühe Formationsphase dieser rhythmischen Migration genauer ins Auge genommen wird. Auf die üblichen Mambo-Hits von Perez Prado der deren Popversionen wird nicht nur verzichtet, sondern ganz bewusst auf das Experiment gesetzt, also auf Musikstücke, bei welchen mit der Einbindung des lateinamerikanischen Clave-Rhythmus ein hörbares Risiko einge- gangen worden ist. Diese auch als wunderbare 6×10⬝ in Buchform mit ausführlichsten Linernotes veröffentlichte Compilation ist sicher ein Highlight in jeder Plattensammlung für alle, die sich ernst- haft mit der Genese von Rock’n’Roll und seinen wilden Rhythmen beschäftigen. Der berühmte Bo- Diddley-Beat ist ja z. B. nichts anderes als eine elektrifizierte Variante des kubanischen Son-Clave-Rhythmus-Patterns.

Wie vieldeutig (und auf ganz eigenartige Weise noch immer lebendig) die Bezeichnung Mambo ist, beweist die spanische Band The Limboos mit ihrer Debütplatte »Space Mambo«. Hier kommt Mambo im Kleide zeitgemäßen Exotica-Rhythm’n’Blues daher und wird von einer wunderbaren Mischung treibender und gleichzeitig fragil widerspenstiger Gitarrensounds getragen. Die Platte wurde vom Garage-Punk-Haudegen Michael Mariconda produziert und ist ein kleines Meisterwerk mit viel rhythmischer Finesse, das vor allem durch absolute Zeitlosigkeit verblüfft. Da schauen Kitty, Daisy & Lewis gleich mal ganz blass aus.

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Von karibischer Musik ist auch das französische One-Man-Band-Projekt King Automatic auf dem gerade erschienenen Release »Lorraine Exotica« inspiriert. Schon sein viertes Album auf Reverend Beat-Mans Label! In der Anfangszeit seines One-Man-Band-Projektes wurde die Musik eher rüpelhaft herausgerülpst, ein wilder Rabauke eben. Das neue Werk ist da schon um einiges ausgefuchster. Hier hat jemand viel Rocksteady gehört und das ganz unprätentiös in seine eigene Musik einfließen lassen. Die Referenzen sind richtig gekonnt gesetzt. Das Ganze könnte auch als One-Rudeboy-Band-Sound bezeichnet werden. Der King Automatic spielt übrigens wirklich (fast) alle Instrumente auf dieser Platte. An einzelnen Stellen wird es richtig ernst, wenn er wie im Song »All Crossed Out in Red« von seinen ukrainischen Großeltern und ihrer Flucht vor Stalinismus und den Nazis erzählt.

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Exotica ganz anderer Bauart werden auf »You’re My Sugar« von den formidablen heimischen Fia Sco & The Majestics geboten. Schließlich wachsen in den österreichischen Landen eher selten reife Western-Swing-Früchte heran. Unter der Federführung des Wiener Rockabilly Urgesteins Roland Guido Steiner aka Don De Vil, der sich übrigens europaweit einen Namen als Vintage-Cover-Artist gemacht hat, wird in klassischer Besetzung mit Steel-Guitar und Kontrabass eine hierzulande selten so zu hörende Mischung aus Country Blues und Swing gespielt. Dank der stimmkräftigen und noch jungen Sängerin Fia Sco kommt hier aber auch richtige Rock’n’Roll-Power durch, sie nimmt es locker mit einer Barbara Pittmann oder einer Wanda Jackson auf. Seriously.

 

Zuguterletzt sei noch auf »Diamond Dozen« von Delaney Davidson hingewiesen. Der ehemalige Wahlösterreicher Roland Schulz bringt auf seinem Berliner Liebhaberlabel eine streng limitierte Vinyl-Only-Release mit Apokryphen von Davidson heraus. Die hier versammelten Songskizzen und Roh- aufnahmen aus der Werkstatt des Neuseeländers sind dabei interessanter als die ausproduzierten Alben vieler anderer. Die morbide Ästhetik dieses Fragments passt ohnehin hervorragend zum ex-Mitglied der Dead Brothers.

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V/A: »Jukebox Mambo Volume II: Further Afro-Latin Accents In Rhythm & Blues 1949-1960« Jazzman/GoodToGo

The Limboos: »Space Mambo« Penniman/Hoanzl

King Automatic: »Lorraine Exotica« Voodoo Rhythm/Trost

Fia Sco & The Majestics: »You’re My Sugar« Rhythm Bomb

Delaney Davidson: »Diamond Dozen« Squoodge Records

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