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Beatmutationen und Muskelzucken: Hyperdub

Londons Label Hyperdub kommt aktuell mit vier Releases: »Xingfu Lu« von Kode9, Terror Danjah & Champions »Sons of Anarchy« und von Walton die 12" »Baby« sowie sein Fulltime-Album »Beyond«. Hyperdub ist hier nicht auf Entschleunigung unterwegs sondern zieht Bahnen rund um UK Funky, Grime und Trap: Beat(de-)konstruktionen und -mutationen, Dancefloor quer zum Kopfkino.

2004 von Steve Goodman aka Kode9 gegründet, war Hyperdub eine der definitiven Goldgruben und Gedankensteinbrüche für die Entwicklung von Dubstep. Immer schon etwas neben der Spur, sind Hyperdub-Veröffentlichungen dangerous crossroads zwischen Jamaika (Dub!) und dem Londoner Dance-Moloch. Goodman hat nun zwei Jahre nach seinem Album »Black Sun« die Maxi »Xingfu Lu« heraußen, die wieder einmal ein in Rhythmussequenzen zersprenkelter Wald voller Fragezeichen ist. Der Titeltrack und »Kan« auf der B-Seite sind bekannt guter Hyperdub- und Kode9-Stuff, 150 BPM für die Magengrube, das gefühlt Doppelte fürs Hirn. HipHop und Grime, dazu fette Erdung in Dancehall, machen besonders »Kan« zu einer Nummer des spastischen Zuckens. Ein beinahe klassisches Beispiel für die ambivalenten, sich Möbiusbandartig ineinander verwirbelnden Speed-Pitches von Kode9. Urbane Dystopie das eine Mal, das andere eine schalkische Paraphrase mit Sounds von einander zuprostenden Gläsern. »Xingfu Lu« ist ein veritables Lebenszeichen von Kode9, wie kaum ein anderer Artist reißt er die Barrieren zwischen Tanz- und Zuhörmusik ein. Trotzdem: allzu viel Neues sollte man sich nicht erwarten.

HDB073_Sons_Of_Anarchy_labelA.jpgAuf »Sons of Anarchy« treiben Terror Danjah und DJ Champion in vier (digital sechs) Tracks ihr Unwesen, zweimal mit jeweils einem Solotrack und zwei zusammen. Das hier ist Bass-Music- und Grime-Material, wie wir es haben wollen: Grindige Billigdorfer-Flächen, in wahnsinnige BPM-Zahlen hochgeschraubt, Snaredrums im Hyper-Shuffle, mehr oder weniger melodische (Sub-)Bässe, die mal als frontal in die Fresse, mal als Herausquälen aus den Boxen dir den Boden unter den Füßen wegfegen. Während Terror Danjahs Solotrack in gewisser Weise vorsehbar bleibt, ist der von Champion eine Rückspiegelschau in elektronischen Dancehall mit vielen cheers und einer 8-Bit-Melodieführung, die dem Ganzen eine verschmitzte Note verpasst. »Explode«, die zweite Kollaboration, zieht Ragga-infizierte Bass-Ungewitter auf, wie sie mal von The Bug’s Kevin Martin kamen, durch den Nervös-Herumzappel-Reißwolf gedreht. Das Highlight der 12″. Die beiden digital-only-Stücke »Friday 13th.« und »Sam Cro« bleiben eigenartig unbestimmt, man könnte meinen, dass es sich dabei um Session-Outtakes handelt.

HDB072_label_A_1.jpgDer 22jährige Sam Walton aus Manchester hat gleich zwei neue Vinyls am Start. Die vor kurzem veröffentlichte EP »Baby« ist seit 2011 seine vierte für Hyperbub und ein Teaser für »Beyond«, wobei die darauf vorgeführten Äußerungen über weite Strecken ihre Versprechen für die LP halten. »Baby« ist eine dieser Nummern, die man, einmal gehört, nicht mehr vergißt. Einschmeichelnde Hook-Lines, ein relaxtes Tanzflair, ab und an durchaus pathetisch breit aufgetragen, aber immer auf den Punkt. House, Grime und Verweise auf Geschichtliches zwischen Funk und Dancehall sind auszumachen, zusammengehalten von gut abgehangenen Beatstrukturen. »Beyond« von der gleichnamigen Platte ist mit seinen gesampleten Chören ein stilsicherer Opener, von da HDBLP017_front.jpgan werden Abzweigungen genommen in souligen Disco-House, Helium-Stimmen und sich gegeneinander faltende Polyrhythmen. Mit »You & Me« ist ein veritabler Dance-Kracher auf der Scheibe: beginnt mit an Green Velvet gemahnende Beats und wächst sich zu einem James-Blake-auf-Highspeed-Dope-Feeling aus; eine Art Doppelgänger von »Baby«. »Every Night« ist dann beinahe eine Fortsetzung davon, ein auf Aktualitätsgeschwindigkeit transferierter Disco-Stampfer. Und »Take My Love« könnte ebenso von Burial stammen. Dreizehn Nummer umfasst das Album: Da drängt sich auf, von Soundskizzen zu sprechen. Was eigentlich schade ist, weil Walton für sich selbst und den Hörer mehr Freiräume für Entfaltungen platzieren hätte können. So schreddert »Beyond« nach einer ersten spannenden Phase im weiteren Verlauf knapp an einem Ausverkauf der Ideen vorbei. Das ist, als wenn man mit der TV-Fernbedienung Power-Zapping betreiben würde. Was schon mal nerven kann, aber ja auch Teil des Hyperkörperspiels ist.

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