Peter Van Huffel's Gorilla Mask
Peter Van Huffel's Gorilla Mask

Sand im Gesicht

Im Sauseschritt durch aktuelle Jazzneuerscheinungen. Mit CDs von Christoph Grab, Der Wawawa, Mats-up, Lee Konitz, John Escreet, Peter Van Huffel's Gorilla Mask, Andreas Schaerer & Lucas Niggl.

Das Saxophonspiel des Schweizers Christoph Grab zeichnet sich durch seinen lyrischen, fließenden Stil aus. Auf seiner neuen CD »Raw Vision« webt sein kompetentes Ensemble einen stimmigen Teppich um eben dieses Spiel herum, zwischen groovigen Breaks und sphärischen Weltmusikanleihen. Leider springt einen manchmal die Absicht viel zu deutlich an, was den Genuss doch deutlich trübt. Ähnliches könnte man auch über »The Angels Have Gone« vom Schweizer Jazztrio Der Wawawa sagen, allerdings will man hier mit viel Absicht cool sein, was bei einigen Stücken gar nicht notwendig wäre, bei anderen hingegen eben doch. Was insgesamt ein bisschen nach warmen Milchbrötchen klingt. matsup.jpgSehr viel Absicht steckt auch in Mats-up »at the Bird’s Eye Jazz Club«, allerdings eher die Absicht, an sich beeindruckende Live-Qualitäten auch auf CD zu dokumentieren. Mats-up, ebenfalls ein Jazz-Ensemble aus der Schweiz, formiert rund um den Trompeter Matthias Spillmann, legen damit den mittlerweile sechsten Tonträger vor und yep, man hört es, die herausragenden Qualitäten an der Sache sind das präzise Zusammenspiel, das selbstverständliche Miteinander und ein gemeinsamer Formwille, der zu erfreulich anders getakteten Stücken führt, die nicht mehr nach Schema F funktionieren. Sehr feine Sache also.

Alte Herren röhren anders
johnescreet.jpgDas genaue Gegenteil dazu ist die CD »First Meeting«, die einen komplett uneingespielten Jazz-Gig der Herren Lee Konitz, Dan Tepfer, Michael Janisch und Jeff Williams präsentiert. Der Clou daran ist, dass hier drei eher junge Herren mit der 82-jährigen Jazzlegende Lee Konitz zusammen spielen. Dessen Spiel hat immer noch seinen Reiz, keine Frage, aber insgesamt bleibt die Sache eher mau (vor allem wenn man sie etwa mit der aktuellen CDs des Trio 3 vergleicht, wo auch Jazzlegenden am Werk sind). Schnell wieder raus aus dem CD-Player und her mit »Sabotage und Celebration« vom sehr gehypten Briten John Escreet, eine CD, die einem wie Sand in die Augen weht. Herrlich wie kitschig das Streicherarrangement daherkommt, um dann sukzessive in eine gediegene Hardbop-Reminiszenz zu münden. Auf dem Titeltrack gibt es ein kurzes Déjà-vu, dann aber geht’s ab in den Free Jazz. Und dann macht die Sache überhaupt auf, wird kaum noch zuordenbar. Konzertanter, symphonisch aufgepeppter Selbstbedienungsjazz mit Hang zum Größenwahn? Womöglich, aber es ist immer super, wenn die Schubladen versagen. Reinhören, selbst entscheiden. Ja, auch in den Kitsch, der auf Track 7 über diese CD hereinbricht!

vanhuffel.jpgDer richtige Zeitpunkt für die CD von Peter Van Huffel’s Gorilla Mask. Unter dem Titel »Bite my blues« hören wir astreinen Freejazz-Power-Punk, was natürlich auf dem Papier ein Widerspruch ist, im Ohr aber weniger. Drummer Rudi Fischerlehner klöppelt, was das Zeug hält, Bassist Roland Fidezius grummelt und wummert, und Peter van Huffel am Altsaxophon röhrt und grölt und fitzelt, um immer wieder aus minimalistisch verdichteten Melodielinien ins Animalische hervorpreschen zu können. Wäre diese Art von Jazz nicht auch schon locker 30 Jahre alt, wär’s vermutlich beeindruckender. Aber zur Hölle, es macht immer noch einen Heidenspaß, weil gar so kompetent dargeboten.
schaererniggl.jpgUnd keinen Zweifel an der Kompetenz gibt es schließlich auch bei der Kollaboration von Andreas Schaerer und Lucas Niggli. Auf »Arcanum« beamen sich der Vokalist und der Drummer durch eine weltmusikalische Enzyklopädie, die von throat singing über beat-box und Froschgesänge bis hin zur prähistorischen Raserei reicht. Sehr unterhaltsam ist das geworden, mit einigen ausgesprochen gut geglückten Passagen. Eine ähnliche Tour in selber Besetzung haben übrigens vor ein paar Jahren auch die Steirer Annette Giesriegl und Franz Schmuck unternommen (Vocalchordestra: »Free Ethno«, Extraplatte), weniger konzentriert und verdichtet zwar, dafür mit wesentlich mehr Humor. Der Humor ist es übrigens, der all diesen CD ein wenig fehlt, die Lockerheit, die Lässigkeit, außer vielleicht bei Mats-up und Peter Van Huffel. But you can’t have it all.


Christoph Grab: »Raw Vision« / Unit Records
Der Wawawa: »The Angels Have Gone« / Unit Records
Mats-up »at the Bird’s Eye Jazz Club« / Unit Records
www.unitrecords.com

Konitz, Tepfer, Janisch, Williams: »First Meeting«
/ Whirlwind Recordings
John Escreet: »Sabotage und Celebration« / Whirlwind Recordings
www.whirlwindrecordings.com

Peter Van Huffel’s Gorilla Mask: »Bite my blues« / Clean Feed Records
www.petervanhuffel.com
Andreas Schaerer, Lucas Niggli: »Arcanum« / Intakt
www.intaktrec.ch

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