»Tètchaweit!«, wörtlich: »Spiele!«, »Habe Spaß!« Das ist der Weckruf, um die Griesgrämigen oder Ängstlichen anzustacheln, an der Party teilzunehmen. Sei es eine Nacht des Tanzes oder der plötzliche Temperaturanstieg nach einer endlosen, bewegenden Ballade, immer kommen sie, diese fiebrigen Momente in den »Azmaribéts«, den äthiopischen Volkskabaretts. Angefeuert durch Alkohol – oder auch nicht – sind sie die Rache der Nacht für die am Tag zur Schau gestellte Zurückhaltung. Tatsächlich gibt es kaum Äthiopier*innen, die öffentlich ihre Sympathie für diese Spelunken kundtun würden, oder die Künstler*innen, die dort auftreten, die »Azmaris«.
https://www.youtube.com/watch?v=H6YuXjEKemk
Kosmopolitische Sounds
Azmari, so nennt sich auch eine belgische Band, gegründet 2015 in Brüssel, die ein Faible für afrikanische Musik hat, insbesondere für jene Äthiopiens. Zu ihren favorisierten Tonträgern gehört die von Francis Falceto herausgegebene »Ethiopiques«-Serie (Buda Records), die derzeit bei 30 (!) CDs hält. Wer die Musik der Azmaribéts bzw. Azmaris kennenlernen möchte, muss sich Vol. 2, »Tètchawèt – Urban Azmaris of the 90’s«, anhören, von deren Booklet auch obiges Zitat stammt. Die sechs belgischen Azmaris allerdings präsentieren auf ihrem Debüt »Ekera«, was so viel wie »Unterwelt« oder »Nachleben« bedeutet, keineswegs eine simple Kopie ihrer äthiopischen Kolleg*innen. Ihre Songs sind instrumental, Messages werden also nonverbal rübergebracht, aber so wie die äthiopischen Azmari-Sänger*innen häufig extemporieren, so verfällt die Band immer wieder in jazzige Improvisationen, etwa auf dem 8-minütigen »Mammouth«.
Azmari haben nachdrücklicher als andere moderne Bands des in den letzten Jahren prosperierenden Ethio-Jazz-Genres einen eigenständigen Sound kreiert, einen kosmopolitischen Stil zwischen Ethio-Jazz, Afrobeat und Funk, der mit der Musik verschwitzter Kabaretts in Addis Abeba nur noch marginal zu tun hat. Drums, Percussion und der brasilianische Berimbau breiten eine dichte perkussive Grundlage aus, auf der Keyboards, Saxofone und Flöte ihre Solis, Improvisationen und Arrangements vorexerzieren können, wobei Tonlage und Harmonien trotz der dominierenden 70’s-lastigen, funkigen Jazz-Grooves und gelegentlichen Rock- und Psychedelic-Anklänge zumeist orientalisch bzw. arabisch sind. Die Songs sind, mit der Ausnahme der Mulatu-Astatke-Komposition »Emnete«, selbst komponiert und haben gelegentlich einen Touch Library Music, etwas Soundtrackhaftes also. »Taksim Dub« lässt die EP geradezu genial ausklingen.
Mitreißende Grooves, live im Fluc!
»Ekera« wurde in nur drei Tagen eingespielt, was, wie auch die ideale Länge von kompakten 37 Minuten auf sechs Songs, seinen durchgängig packenden Groove erklären mag. Azmari beherrschen afrikanische Rhythmen wie kaum jemand sonst! Auf ins Wiener Fluc! Live zu erleben am 6. November 2019!
Link: https://www.fluc.at/programm/2019/11/06_CLUB-MANDINGO.html