Ein dicker Braunbär kann viel Dreck machen © YouTube
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Warum wir sie Nazis nennen sollten

Die Bilder von Chemnitz bleiben hängen. Nazis gehen auf die Straße, die Medien berichten. Nur ist da selten von Nazis zu lesen. Warum wir sie endlich so benennen müssen. Ein Kommentar.

Wir alle haben es gesehen. Im ostdeutschen Chemnitz gingen Nazis zu Tausenden auf die Straße. Sie verfolgten und verprügelten Menschen, die ihnen nicht deutsch genug sind. Die für sie nichts wert sind, weil sie einen anderen Namen tragen oder aus einem anderen Land stammen. Aus einem Land, das nicht Deutschland ist. Die Bilder von einer schwarz gekleideten Menge mit Deutschlandfahnen, unter denen sich augenscheinlich viele kahl rasierte Gestalten mit fragwürdigen Körperverzierungen befinden, machten ihre Runden in den sozialen Netzwerken. Und ja, sie machen Angst. Sie lösen das Gefühl einer tiefen Beklommenheit aus, auch weil man das Gefühl hat, dass sich dadurch wieder etwas bewegt hat, das nicht so schnell umzukehren ist.

Herumreden um den braunen Brei
Stell dir vor, es ist 2018 und Nazis marschieren in aller Öffentlichkeit auf, um zu »protestieren«. Sie instrumentalisieren den Tod eines deutschen Staatsbürgers kubanischer Herkunft, der selbst lange Zeit rassistischen Anfeindungen ausgesetzt war – »einen der ihrigen, wie sie sagen werden« – um durch die Straßen zu ziehen und ihre menschenverachtenden Parolen zu grölen. Sie treten als gewaltbereite Meute auf, posieren mit Hitlergruß und strecken ihre nackten Hintern denjenigen entgegen, die sie später als »rechte Demonstranten« (»Kurier«) beschreiben sollten: Manche Medien berichten von »rechten Machtdemonstrationen« (»Der Spiegel«), einem »rechten Trauermarsch mit rechten Übergriffen« (n-tv) und »rechten Unruhen« (»derStandard«). Dabei werden diese Beschreibungen den Geschehnissen nicht gerecht! Sie sind schlicht und ergreifend falsch! Denn auch abseits der Vorstellung, dass so etwas wie rechte oder linke Parteien und ihre Ideologien im aktuellen Spektrum noch existierten, schießen diese Zuschreibungen am Ziel vorbei. Jene Menschen, die am Wochenende in Gruppen durch Chemnitz zogen, lautstark Sprüche wie »Frei, sozial und national« sowie »Hier marschiert der nationale Widerstand« skandierten und andere Menschen angriffen, das sind nicht nur Rechte, das sind Nazis – und als solche sind sie auch zu benennen.

Heiteres Gesinnungsraten: Machen Sie eine typische Handbewegung! © YouTube

Medien und Gesellschaft sollten sich im Klaren darüber sein, dass Worte in der Lage sind, ihre eigene Wirklichkeit zu schaffen. Wir produzieren unsere eigenen Verhältnisse, indem wir sie mit Wörtern benennen. Sprache beschreibt nicht nur, sie macht. Sie formt die unsichtbaren Grenzen des Möglichen, den Horizont des Denkbaren, innerhalb dessen wir uns tagtäglich bewegen, in dem wir denken und nicht zuletzt auch sprechen. Wenn Journalist*innen über die Geschehnisse berichten, dann erzeugen sie diese in gewisser Weise auch. Sie haben Verantwortung, weil sie mit der unmöglichen Aufgabe betreut sind, die »Wahrheit« als solche abzubilden. Dabei existiert nicht nur das, worüber berichtet wird – auch wenn nur das begriffen werden kann, was benannt wird. Wer Nazis nicht Nazis nennt, verschiebt willentlich die Grenzen des Denkbaren und normalisiert dadurch eine Haltung, die sich den Hass zurechtrichtet, auf schlichte Antworten besteht und nicht zuletzt den Mord an Millionen von Menschen leugnet.

Ein Nazi ist ein Nazi ist ein Nazi
Mit jeder Überschrift und jedem Bild, mit jedem Artikel und Video wird uns etwas gezeigt, das von anderen abgelehnt wird, weil es nicht in ihr Weltbild passt. Von den Machenschaften mancher Politiker*innen befeuert, fühlen sie sich darin bestärkt, wenn sie die »Lügenpresse« skandalisieren, Vertreter*innen der Medien angreifen und irgendwann nur noch der eigenen »wirklichen« Propaganda lauschen – der Nazipropaganda! Diese Menschen sind nichts anderes. Sie sind Nazis. Und wir sollten beginnen, sie auch so zu nennen.

Menschen, die von sich behaupten, sie (und nur sie alleine) wären das Volk – das sind Nazis!

Menschen, die andere beschimpfen, weil sie für Empathie und Menschenwürde einstehen – das sind Nazis!

Menschen, die durch ihre Handlungen auf den Nationalsozialismus und damit auf eine Zeit der systematischen Massenvernichtung anspielen – das sind Nazis!

Menschen, die andere aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens oder ihrer Hautfarbe diskriminieren, sie verhöhnen und verfolgen – das sind Nazis!

Menschen, die sich wünschen, dass andere Menschen sterben und ihr Land wieder von Nazis regiert wird – das sind Nazis!

Das alles sollten wir uns in Erinnerung rufen, wenn wir uns die unzähligen Berichte, Videos und Beiträge vor Augen führen, die dieser Tage in den Medien veröffentlicht werden. Der Nationalsozialismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Aber um ihn zu bekämpfen, müssen wir ihn zuerst beim Namen nennen!

Wo Fahnen fürs Vaterland geschwungen werden, ist der Hass nie weit. © YouTube
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