ORF? Presseaussendung Haslauer am Pult der Weisen
ORF? Presseaussendung Haslauer am Pult der Weisen

Salzburger Festspiele: Bitte stellen Sie den Betrieb ein!

Die intellektuelle Ohnmacht wird gruselig, wenn ein Landeshauptmann mit viel intellektuellem Brimborium den Hasspredigern die Hand reichen will.

Die Salzburger Festspiele sind ein seit hundert Jahren bestehendes, unsinniges Unterfangen. Als Ort nationaler Festigung nach dem Untergang von Kakanien gedacht, lief Salzburg immer Gefahr, Kunst politisch einzuspannen. Es fanden sich leider immer genug Koryphäen, die gerne mitmachten bei einem Spektakel, das gesellschaftlich weitgehend wirkungslos bleibt. Ein bürgerliches Publikum lauscht gern schönen Tönen, beguckt schöne Inszenierungen und lässt sich von schönen Reden berieseln. Geht ja alles spurlos vorbei. Hugo von Hofmannsthal schrieb clevere Theaterstücke (»Der Schwierige«), in denen er seine Klasse und deren Illusionen kritisch porträtierte. Der Versuch, mittelalterliches Theater (das es so nie gegeben hat) zu imitieren, bescherte der Welt sein schlechtestes Theaterstück, den »Jedermann«. Genau dieses schlichte Allegoriechen wird jedes Jahr in Salzburg aufgewärmt und das Publikum schaut der Buhlschaft auf den Hintern. So weit, so intellektuell verelendet. 

»Die wahren, echten Wunder können uns alltäglich werden«

Aber jetzt übertreiben sie langsam. Im Vorfeld war die Theaterszene ein bissi unzufrieden mit der neuen Salzburger Regierung, weil da jetzt die FPÖ mitmischt, von der man laut Intendanten der Festspiele, Markus Hinterhäuser, »nichts hält«, zugleich will man aber auch nicht in leere Gesten des Protestes verfallen, weil das Werkel ja weiterlaufen soll. Die Blauen freuen sich und interpretieren dies nicht ganz unrichtig als Einladung zum Dialog und man solle ihnen doch erst einmal zuhören. Landeshauptmann Wilfried Haslauer ist in seiner Freizeit Intellektueller und wollte in seiner Eröffnungsrede den Dialog ganz, ganz groß machen. Er kletterte zum höchstliegenden Bücherregal und holte den Matura-Evergreen »Nathan der Weise« hervor. Haslauers Rede ist in einer Weise versulzt, dass einem das Salzburger Publikum leidtun kann. In der trüben Buchstabensuppe Haslauers lassen sich zwischen »Logos«, »Mythos« und gewisser »Hagelkörner des sich verdunkelnden Himmels einer Wohlstandsgesellschaft« nur schwer Aussagen herauslesen. Ausgehend von Kindern, die einen Flugzeugsabsturz überlebt haben, sucht er nach den »Passwörtern des Lebens« (don’t ask) und will damit vermutlich auch zum Dialog einladen.

Aha, deswegen vermutlich das »Nathan«-Zitat. Haslauer will gegen das »Ausgrenzen« und gegen das »Suchen von Schuldigen« auf die – bitte festhalten! – Wunderkraft des Glaubens setzen. An der Stelle merkt auch der letzte wohlstandsverelendete Holzkopf, dass wir schweren Zeiten entgegengehen. Die politische Realität ist so sehr im Eimer, dass ein Landeshauptmann zu dichten beginnt, damit er die Wahrheit nicht mehr benennen muss. Kurz zur Aufklärung des Aufklärers Lessing, dessen »Nathan« Haslauer offenkundig nicht ganz überrissen hat: Die Wirklichkeit des Wunders besteht für Lessing darin, dass Menschen in einer Welt der Gnade leben, die sie als solche meist verkennen. Jetzt streiten sie sich unsinnigerweise darüber, wie sich dieser Gnade am besten gerecht werden lässt. Für Lessings Nathan gibt es drei Friedens- und Heilsbotschaften: Judentum, Christentum und Islam. Die Pointen der Ringparabel: Auch wer die »falsche« Botschaft wählt, gelangt zum Heil, weil er das Richtige im Leben tut, wenn die Gnade des Menschseins gewürdigt wird. Erfahren, welcher Ring der richtige ist, können Menschen ohnehin niemals. Uff.

Wunder über Wunder

So weit und so etwas schwerfällig der Toleranzgedanke der klassischen Aufklärung. Die Verbindung von Wissen und Glauben, wie sie Lessing darin vorschwebte, bedeutet allerdings nicht, das vorhandene Wissen zu leugnen, wie es sich Haslauer vorstellt. Der Landeshauptmann übersteigert unsinnig ins Abstrakte, was er konkret nicht wahrhaben will (aber sehr wohl weiß): Er und seine ÖVP-Kolleg*innen in Oberösterreich und Niederösterreich sind Koalitionen mit Rechtsextremisten eingegangen. Ein ganz simpler Sachverhalt. Die Neonazis freuen sich über den wundergläubigen Haslauer, weil dieser nicht ausspricht, was Lessing sehr wohl bemerkt hätte. Wenn ein sich in blumiger Weisheit übender Landeshauptmann zur allgemeinen Toleranz aufruft und das Wunder des Menschseins beschwört, dann bindet er doch zugleich politisch Menschen ein, die anderen Menschen ihr Existenzrecht absprechen. Sie im Mittelmeer ertrinken lassen, sie für minderwertig erachten, weil nicht unserer »Kultur« zugehörig etc. Das ist genau der Punkt, an dem falsche Toleranz zur Dummheit wird. 

Hier müsste Haslauer, wenn er die großen aufklärerischen Ideale verteidigen will, intolerant sein und sehr wohl ausgrenzen. Das kann er realpolitisch nicht mehr. Salzburg hat jetzt den Salat. Jedes schöne Stimmchen singt, wenn Haslauer unwidersprochen bleibt, ein bisschen das falsche Toleranzliedchen mit. Aus seiner Sicht großartig: Ist es nicht ein Wunder, dass es allen wurscht ist, dass Neonazis mitregieren dürfen? Die großen Aufgaben der Zeit, die die Menschen zurecht besorgen (Stichwort: »Global Boiling« © Antonio Guterres), lassen sich so kaum je lösen, denn die FPÖ wird alles daransetzen, dass die Krise sich verschlimmert. Das haben sie bei jeder Regierungsbeteiligung so getan. »Friktionslose Zusammenarbeit« nennt dies die niederösterreichische Landeshauptfrau Mikl-Leitner, die gelernt hat, nach der rechten Pfeife zu tanzen. Dafür sollte sie sich schämen und den Salzburger Festspielen wäre zu raten, den Betrieb lieber einzustellen, als sich bei diesem bösen Spiel einspannen zu lassen. Auf die Widerworte der Kunst, die es sehr wohl gibt, hört die Politik nicht, das Faktum, dass alles weiterläuft wie bisher, wird hingegen goutiert.

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