© Illustration: Pe Tee
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Verantwortung sind immer die anderen

Wer hätte das vorhergesehen? Österreich sperrt wieder zu und damit auch die Salons von skug. Wir möchten die wenig einmalige Gelegenheit für Dankesworte an die Bundesregierung nutzen.

Die skug-Redaktion hat in den letzten Wochen und Monaten regelmäßig das Gebaren der Bundesregierung scharf kommentiert und wir dürfen für uns in Anspruch nehmen – wie Millionen andere Menschen in Österreich ebenso –, vorhergesehen zu haben, dass sich mit dieser Entwicklung der Infektionszahlen bald kein anderer Ausweg mehr finden lassen wird als ein harter und genereller Lockdown. Lockdowns wirken, sie schützen Menschenleben und sind jetzt das einzig Richtige. Beklemmend sind hierbei zwei Punkte. Der Vorhersehbarkeit der Entwicklung kann – unsererseits und seitens anderer Zeitungsredaktionen oder Veranstalter*innen – kein vorausschauendes Handeln folgen. Uns blieb, wie in den »überraschenden« Lockdowns zuvor, nichts anderes übrig, als unsere Arbeit zu machen. Wir schreiben Artikel, machen Ankündigungen, laden Acts ein, laden Diskussionsteilnehmer*innen ein, lesen deren Bücher, handeln mit den Venues Konditionen aus und all diese Dinge, die skug eben so macht, und immer denken wir dabei leicht kichernd (es ist kein fröhliches Lachen): »Wie soll sich das noch alles ausgehen?« Aber was wäre die Alternative? Es gleich sein lassen und sagen, wir sehen uns dann in drei bis fünf Jahren wieder? Wir sind dazu gezwungen, mit dem zu arbeiten, was wir haben, und wir bemühen uns täglich, es zu tun und durchzuhalten.

Allein mit dieser Bundesregierung

Und die Politik? Da wären wir bei dem zweiten Punkt und der ist noch viel beklemmender. Die Politik, und hier ist die letztlich entscheidende Bundesregierung gemeint, ist ihrer Aufgabe nicht einmal in Ansätzen gewachsen. Wer die am 19. November eilig einberufene Pressekonferenz mit Bundeskanzler und Gesundheitsminister verfolgt hat, durfte mitansehen, dass die einzige Kurve, die flach gehalten wird, die Lernkurve ist, wie es Tamara Ehs in unserem Salon vom August 2020 bereits ausgedrückt hat. Der Bundeskanzler »garantiert« das Weihnachtsgeschäft ab dem 13. Dezember und wünscht sich und dem Rest der Welt damit gleich mal frohe Weihnachten. Er könnte die Ostergrüße gleich mitübermitteln, das ist jetzt auch schon wurscht. Was sich zeigt: Schallenberg hat die Unverfrorenheit, zu behaupten, es sei aufgrund der rasenden Entwicklung nicht anders möglich gewesen, als sich nun schnell umzuentscheiden. Auch fiele ihm dies »nicht leicht«. Er vergisst dabei zu erwähnen, dass Wissenschaftler*innen seit dem Sommer die Regierung und Öffentlichkeit eindringlich vor ebendieser Entwicklung gewarnt haben. Er hätte ebenso die Punkmusiker*innen im Land fragen können, die hätten ihm auch gesagt, dass er seine Ankündigung, es werde keine weiteren Lockdowns mehr geben, nur halten können wird, wenn er auch etwas dafür tut.

Hat er aber nicht und der wie ein begossener Pudel neben ihm stehende Gesundheitsminister Mückstein eben leider auch nicht. Wer so sträflich seine Aufgaben unterlässt, wäre eigentlich für die Lage verantwortlich. Aber nicht so diese Bundesregierung. Verantwortung tragen laut Bundeskanzler diejenigen, die sich nicht an den eingehenden Rat der Regierung gehalten haben und sich impfen ließen. Es sind also die anderen schuld, so wie auch am 13. Dezember andere schuld sein werden, wenn Österreich nicht seine »Wiederauferstehung vor Ostern« feiern können wird. Für skug, unser Team, unsere Leser*innen, unsere Gäste im Salon und die Besucher*innen, die sich vielleicht schon auf die Shows gefreut haben, hat dies eine simple und sehr beklemmende Konsequenz: Vorausschauendes Handeln unsererseits nützt nichts, es ist schlicht unmöglich. Wir können nicht ernsthaft umsichtig planen, weil wir immer nur hoffen können, dass wir diesmal vielleicht Glück haben werden und eine Veranstaltung noch stattfinden kann, und wir ansonsten alle wieder vertrösten und uns den geleisteten Aufwand schönreden müssen werden. Die Politik hingegen, die über viel mehr Informationen verfügt, über ganze Stäbe von Expert*innen, ist nicht willens oder moralisch dazu in der Lage, Konsequenzen frühzeitig zu ziehen.

Stattdessen werden immer lächerliche Heilsbilder versprochen und fröhliche Ankündigungen gemacht. Seit dem Frühjahr ist beispielsweise klar (siehe skug-Bericht zu »Zero Covid«), dass die Impfung ein ausgezeichnetes Instrument ist, weil sie gut wirkt, aber auch keine alleinige Heilsbringerin ist und zusätzliche Schutzmaßnahmen auch weiterhin nötig sind. Nein, na, nö, lieber den Leuten einen »Sommer wie damals« versprechen und die Pandemie für überwunden erklären. Und dann, wenn die Kacke wieder dampft, ist wer anderer schuld, weil nicht alle auf die widersprüchlichen und unverständlichen Äußerungen der Bundesregierung gehört haben.

Bitte um Entschuldigung

Ein letzter philosophischer Hinweis noch an die Politik. Man kann sich nicht selbst entschuldigen. Ein Mensch kann nur um Entschuldigung bitten, sie muss ihm dann von denen, die er um Entschuldigung bittet, gewährt werden. Diese Bundesregierung ist kaum mehr zu entschuldigen. Sie können es gern unter kontakt@skug.at versuchen, die Chancen stehen aber wirklich schlecht. Wir hingegen möchten unsere Leser*innen, Besucher*innen, Mitarbeiter*innen, Artists und Panelteilnehmer*innen um Entschuldigung bitten, dass wir wieder weitergemacht haben bis zum Schluss und jetzt wieder alles Essig ist. Bitte versteht uns, wir sahen keine andere Chance, als es auch diesmal wieder zu versuchen, und haben auch leider keinen besseren Plan für die Zeit nach dem vierten Lockdown.

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