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Tonne / Tonne+ Scanner

»[V.1] Tonne Soundtoy« / »Sound Polaroids«

Bip-Hop

Paul Farrington ist eigentlich Designer. Wenn er Musik macht, nennt er sich Tonne und ist einer der mittlerweile profiliertesten Artists auf dem von Marseille aus agierenden Label BipHop. Mit »[V.1]« hat das Label eine neue Serie am Laufen, in der speziell entwickelte Software-Applikationen von Musikern getestet werden, die die Resultate als Tracks verfügbar machen und dem Hörer/ User diese Applikationen als CD-ROM-Element zum persönlichen Gebrauch gleich mitliefern. Den Einsteig macht die von Ferrington am Royal College of Art in London mitentworfene Software Soundtoy, die von Labelkollegen Si-{cut}.db, Scanner, Hakan Lidbo und eben Tonne benutzt wird. Dadurch werden für den Hörer die Zweckhaftigkeit und »Benutzerfreundlichkeit« derartiger Tools genauso erfahrbar gemacht wie die unterschiedlichen Stile der Musiker. Nix so von wegen »alles klingt gleich«: Das ist den Spieß mal umgedreht. Manchmal fährt diese Scheibe nur mit Haaresbreite an allzu überaffirmativer Selbstreflexion vulgo Frickeltum vorbei, in guten Momenten stehen die Sounds und Texturen einfach nur für sich selbst. Ähnlich geht es dem »Konzept«-Album von Tonne und Scanner. Der bezeichnende Titel »Sound Polaroids« verrät’s: Die audiovisuelle Verschaltung funktioniert über Software-Applikationen und -datenbanken, sodass man Sounds malen und Musik pixeln kann. Für das ursprünglich als Installation konzipiertes Werk (das auf der »Imaginaria ’99« im Londoner ICA prämiert wurde) nahmen sich Tonne+ Scanner die Geografie Londons vor und transferierten die dort gefundene »Realität« (A) in audiovisuelles Datenmaterial (A‘). Vorliegende CD ist eine Live-Mix-Kompilation für die Ausstellungen in Mailand, Montreal, NYC und Tokyo. Herausgekommen ist eine Reise, die auf das prinzipielle Abbildungsproblem konkreter Raumerfahrungen auf einem akustischen Medium verweist, dafür aber keine wirkliche Lösung vorschlägt. Immerhin ist eine interaktive Fassung der Installation auf die CD gepackt. Dessen ungeachtet ist »Sound Polaroids« der Versuch eines vom Rezipienten steuerbares Kopfkino, das die interaktiven Kapazitäten derartiger Technologien im Konnex »Kunst« = Installation und »Praxis« = eine Art Stadtguide verortet, sich von beidem bedient und so eine gelungene Zusammenführung von architektonischer und mentaler Geografie herstellt. Für beide CDs geht ein Extra-Bonuspunkt an das stilvolle Verpackungsdesign.

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Text
Heinrich Deisl

Veröffentlichung
14.06.2003

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