»Earth vs. Flying Saucers« © YouTube
»Earth vs. Flying Saucers« © YouTube

Universe Rockin’ – Space-Age Rockabilly & Sputnik-R’n’R

Wie der Weltraum schon vor Apollo 11 popkulturell erforscht und Aliens wild besungen wurden.

Als am 4. Oktober 1957 der erste Sputnik (»Weggenosse«) in den Kosmos geschossen wird, reagiert das US-Kino sofort mit jeder Menge Filme, um den solcherart traumatisierten USA ein paar Ventile für ihre Ängste zu geben. Das intergalaktische Böse kommt dabei abwechselnd vom »Red Planet Mars« (so ein Filmtitel), von der Venus (wahlweise in Gestalt von Vampirinnen oder Femme Fatales) – und weil die Jugend im eigenen Land auch nicht mehr so wollte und immer rebellischer wurde, gibt es natürlich auch gefährliche »Teenagers From Outer Space«.

Aber egal, was Pentagon & Hollywood auch abliefern mochten – im Trash- & Obskuro-Rockabilly-Universum (ganz zu schweigen von Rhythm & Blues, Exotica und Jazz) finden sich überraschenderweise so gut wie keine bösen Aliens. Eher schon Brothers & Sisters im Geiste. Exemplarisch dafür: Jerry Engler mit »Sputnik«, wo geradezu subversiv gegen den damaligen US-Zeitgeist argumentiert wird. Denn hier – wie auch bei den folgenden Beispielen – wird der Sputnik nicht als Bedrohung russischer Aliens gesehen (auch geht es nicht darum, »die Welt vor Russen und Monstern zu retten«, wie es in der aktuellen Cold-War-Reenactment-Staffel von »Stranger Things« heißt). Eher wird das Weltall als sozusagen neu zu entdeckender Partykeller verstanden. Rocken und Rollen statt Erobern und Kolonialisieren, dazu intergalaktischer Sex statt »Nuke ʼem« und nicht zuletzt die Erkenntnis, dass Rock’n’Roll ebenso wie Rhythm & Blues nicht auf der Erde, sondern schon lange zuvor auf dem Mars erfunden worden sind.

Hier nun ein paar Detailstudien:

Nelson Young: »Rock Old Sputnik«
Motto: »We’re gonna rock old sputnik to the moon!« Frage: Wer ist »wir«? US-Kommunisten? Die Fünfte Kolonne? Heißt USA etwa United Soviets of America?

Dell Vaughn: »Rock The Universe«
Im Sputnik: Ein Boy und ein Girl. Weltraumverpflegung: Ein mit Selbstgebranntem gefülltes Marmeladenglas und eine Gitarre. Primärziel: »Rock On Neptun!«

Jimmy Stewart: »Rock On The Moon«
Von den Cramps gecoverter Klassikaner! Zielvorgabe: Mit einem Sputnik auf dem Mond landen, »to be the first rocker in outer space«. Rocken statt erobern! Inklusive Trips zu Pluto, Mars und auch »beneath the stars«. Also ganz im Sinne von Cpt. Kirk & Co!

Joe Tate: »Satellite Rock«
Space-Age-Erotica in Full Effect inklusive haunting Steel-Pedal-Intro (quasi von »Go West!« zu »Go Space!«). Rocken & Rollen mit und im Weltraum-Satelliten und beim Liebemachen auf die Erde schauen!

Ray Sawyer: »Rockin’ Satellite«
Abteilung Jugend forscht: Opa hatte Pferd und Kutsche, Daddy hatte ein Auto und Junior will jetzt einen Satelliten haben. Also wird heftigst in der Scheune herumgebastelt. Nur leider endet der erste Startversuch nicht bei den »Chicks on Mars«, sondern im Straßengraben.

https://www.youtube.com/watch?v=XgGH0NyDJCw

Jimmy Lloyd: »Rocket In My Pocket«
Ultraslick, groovey und way out! Wenn es Auto-Metaphern nicht mehr bringen – die Rakete in der Hose tut es auch (ebenfalls von den Cramps gecovert).

https://www.youtube.com/watch?v=VlLXZ7FXBOQ

Jackie Lowell: »Rocket Trip«
Der Weltraum als letzter Fluchtpunkt! Es wird zwar nie klar, warum unser Held »to get away from it all« will, aber das Country-&-Western-Genre hält ja genug zwischen betrogenen Ehefrauen, gehörnten Ehemännern und »dem Gesetz« bereit. Sozusagen der dialektische Gegenpol zu Hank Williams’ »I’ll never get out of this world alive«. (Hier heißt es ja »I wanna get out of this world ALIVE!«)

The Wild Tones: »The Martian Band«
Aliens vom Mars landen in friedlicher Absicht als extraterrestrische Rock’n’Roll-Missionare (es kann aber auch Prä-Proto-Punk dazu gesagt werden) auf der Erde, bis die humanoiden Lebensformen »I got crazy« ausschreien. Merke: Auch der Rock’n’Roll wurde uns von Aliens gebracht!

Terry Dunavan: »Rock It On Mars«
Ein gut gemeinter Versuch, dem roten Planeten den Rhythm & Blues sowie die Vorzüge von wilden Rock’n’Roll-Partys beizubringen, scheitert an einem kleinen, aber feinen Detail: Auf dem Mars wurde all das schon vor Jahrmillionen selbst erfunden. (Weshalb den Marsmenschen dann auch bei Tim Burtons »Mars Attacks« beim Anhören von Country-&-Western-Yodeling das Hirn explodiert.)

Tony Lyzer: »Six Little Men«
Ein Hillbilly, der versichert, den ganzen Tag wirklich, aber auch wirklich nichts getrunken zu haben, trifft auf Aliens, die natürlich nichts anderes tun wollen, als »Rockin’n’Rollin‘« (und dabei singen, als kämen ihre Prä-Vocoder-Stimmen aus einem blechernen, halbvollen Wasserkübel).

Sonny Danny: »Creature From Outer Space«
Zwar hat ein wegen einer Art »Reifenpanne« auf der Erde notgelandeter E.T. »Augen wie Feuer«, aber der nähere Kontakt zeigt eine äußerst freundliche intergalaktische Lebensform. Weshalb der Rat an alle Erdlinge auch nur sein kann, nur ja nicht zu schreien, wenn ein Alien mal die Erde als Pannenstreifen benutzt.

Butch Paulson: »Man From Mars«
Mit einer zu einem Hot Rod auffrisierten fliegenden Untertasse saust ein Alien (besondere Kennzeichen: drei Augen sowie jeweils vier Arme und Beine) zur Erde »to kiss the girls so tenderly«. Einziger Nachteil der weiblichen Erdenbevölkerung: sie haben nur zwei Arme und zwei Beine!

The Earth Boys: »Space Girl«
Interstellare Intimitäten zwischen Erdenbuben und Weltraummädchen. Letztere haben Antennen am Kopf, mit denen sie ohne Kabel locker acht (!!!) TV-Stationen empfangen können, verführerische rote Haare (im ganzen Gesicht), die Traummaße von 96–69–0, strahlend blaue Augen (wenn auch 14 Stück davon) sowie ein leuchtendes Purpurlicht auf der Stirn. Nur blöde, dass sich die Gute beim engen Tanzen zu zersetzen anfängt und allmählich auseinanderfällt, da sie Sauerstoff nicht verträgt.

Hasil Adkins: »She Said«
Der erste Original-Hardcore-Punk-Track und eine sehr intime wie stürmische Begegnung der dritten Art (auch in der Cramps-Version). Die ultimative Nummer zum Thema Aliens fucked my brain out!!!

Billy Mize: »A Planet Named Desire«
Alles, was Jacques Lacan immer schon zum Begehren sagen wollte als countryfizierter Rockabilly im Sinne einer Prä-Hippie-Fantasie kosmischer Liebe, präsentiert als ultrakrudes Sound-Effekt-Schmankerln über »Flowers, Joy & Love«.

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