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Christiane Rösinger

»Songs Of L. And Hate«

Staatsakt

Auf dem Cover des Bob-Dylan-Albums »Bringing It All Back home« sitzt Dylan vor einem alten Kamin, umgeben von Platten, Büchern und Zeitschriften und blickt zornig in die Kamera, während sich im Hintergrund eine junge, Zigaretten schmauchende Dame im roten Kleid auf einer Couch räkelt. Christiane Rösinger stellt die Szene auf ihrem ersten Soloalbum detailgetreu nach. Die Rolle der Dame in Rot darf Ja, Panik-Mastermind Andreas Spechtl einnehmen, der auch als Co-Autor, Multiinstrumentalist und Backgroundsänger beteiligt ist. Wie damals Bob Dylans Album scheint auch »Songs Of L. And Hate« (schon der Titel ist eine Referenz, diesmal an Leonard Cohen) einen persönlichen Umbruch zu dokumentieren. Und Umbrüche werden allzu oft von Krisen ausgelöst: Altern und Kranksein, Verlassen werden und unerfüllte Sehnsucht sind die Themen, die sich wie ein roter Faden durch das Album ziehen. Akribisch wird in Depression und Desillusionierung geschwelgt, und trotzdem – und das ist hier das Besondere – kommt weder erstere, noch letztere jemals beim Hören auf. Denn wie schon auf den Lassie-Singers-Alben und in ihren Kolumnen und Büchern ist Rösinger das personifizierte Augenzwinkern und singt sich mit entwaffnender Leichtigkeit und (Selbst-)Ironie durch ein ?vre, das textlich eher Suizidgefahr vermuten lässt: »Es ist alles so sinnlos/das hält ja gar kein Mensch mehr aus/da muss man sich doch einfach hinlegen/oder man steht erst gar nicht auf«. Diese bösen Geister werden aber flugs vertrieben, so viel ist am Ende klar. So ungefähr in der Mitte schwingt sich das Album dann noch in luftige Höhen deutscher Textschreiberkunst empor, mit einer wunderbaren Hymne auf Berlin (mit Seitenhieben wird natürlich nicht gespart) und einem schier unglaublichen Stück namens »Elogie«, das lediglich aus gezählten 111 Adjektiven, die als Synonyme für »beschissen« herangezogen werden könnten, besteht. Musikalisch ist man dabei gar nicht so weit von Altmeister Dylan entfernt. Es sind einfache, persönliche Songs, von Andreas Spechtl sparsamst und immer stilvoll mit Gitarre, Klavier und Mundharmonika umrahmt. Nach einer längeren Schaffenspause zeigt Frau Rösinger, dass sie es auch musikalisch noch immer draufhat. Sie hat das Gespür für den Gassenhauer und sie setzt die Hooklines punktgenau. Wo andere um Worte ringen, schüttelt Rösinger die originellen Reime nur so aus dem Ärmel. So enstehen Klassiker.

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