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Madonna

»MDNA«

Interscope

Der Coup war ja gut ausgedacht: Die erste Single »Give Me All Your Lovin’« gleich so für den Auftritt beim Super Bowl herzurichten, dass wirklich nichts mehr schief gehen kann, ist schon gut angekommen. Nur, und damit beginnen auch gleich die Probleme, warum erinnert das völlig unhip an 80s-Paraphrasen von Sixties-Pop? Und was machen Nicki Minaj und M.I.A. dabei eigentlich, au&szliger obligatorische Rap-Parts beisteuern und ansonsten Madonna bejubeln zu dürfen? Nicht umsonst gab es gleich nach dem Super Bowl-Auftritt in Netz ein erneutes Aufflammen der von Bell Hooks schon Anfang der 1990ern Jahre (damals im Bezug auf Madonnas Gehabe im Zuge ihrer »Entdeckung« von »Vogue«) gestellten Frage, ob Madonna nun »Schwester oder Sklavenhalterin« ist. Denn seinen wir uns ehrlich: Trotz der tollen Opulenz war das doch auch die Inszenierung einer wei&szligen Sonnengöttin (oder was auch immer), die ihre »nubischen« Girls um sich herumtanzen und singen hat lassen. Wobei das so direkt bisher eher selten bei Madonna zu sehen war. Zudem verwiesen online nicht nur Experten wie Noël Akchoté auf die Ähnlichkeit mit der Live-Inszenierung von Kylie Minogues »I Believe In You« während ihrer 2011er »Aphrodite Les Folies«-Tour. In beiden Fällen werden die Sängerinnen in Streitwägen, die von antik kostümierten Männern gezogenen werden, über die Bühne geführt. Jetzt geht es gar nicht darum, wer nun zuerst auf diese Idee gekommen ist (zudem ist beides ein Gru&szlig an die schwule Fanbasis und zitiert dabei klassische Beefcake-Ikonografie, wie wir sie auch im James Bidgoods »Pink Narcissus« betrachten können), sondern wieso sich Madonna von Kylie Minogue inspirieren lässt. Das ist keine schlechte Wahl (glauben Sie Noël Akchoté jedes Wort, das er in diesem Heft darüber schreibt), aber Madonna hatte doch immer das Image einer »Uhr, die etwas vorgeht«, um es mal mit Kafka zu sagen. Was ist da passiert/schief gegangen? Wieder mal ein Fall von zu ergeben auf Einsager und externe Experten gehört? Das tut diesmal schon verdammt weh im Ohr! Skrillex/Scooter-Dubstep-Gebratze zu Euro-Sythns aus dem Stadion-Rave-Ausverkauf (»Gang Bang«) treffen auf Beyoncé-Versuche (»I Don?t Give A«) und Guetta meets Britney Spears (»Some Girls«, »Girl Gone Wild«). Was jedoch Britney Spears gegenüber unfair ist. Nicht zuletzt hat Spears mit ihren jeweiligen Producern seit Jahren jenen (elektronischen) Boden vorbereitet (vgl. u.a. ihr »Big Fat Bass« vom 2011er »Femme Fatal«-Album), den in den USA nun David Guetta, Skrillex, LMFAO & Co bespielen und auf den Madonna nun scheinbar auch will. Nur sind das nicht mehr jene Orte, an denen es zu Transfers zwischen Under- und Overground kommt. In der Gro&szligraumdisco ist jegliche Paradise Garage per se immer schon lost. Musikalisch wird dabei durchwegs auf die eh schon problematische Lady Gaga-Kirmes-Techno-Disco gesetzt. Aber wieso muss das bei Madonna dann noch eingängiger daherkommen als bei den jeweiligen Blueprints? War auf »Hard Candy« (mit Timbaland- und Pharrell Williams-Beteiligung) nicht der Fall und auch »Hung Up« (von »Confessions On A Dancefloor«) legte ja noch was vor. Verglichen damit verführt »MDNA» nicht mal mehr zum längeren Verweilen, weil es vielleicht doch noch was zu entdecken gäbe. Stattdessen werden die dahinter steckenden ökonomischen ?berlegungen mit jedem Ton als kalt berechnendes Gesamtpacket ruchbar (siehe auch den auf der »Deluxe Edition« enthaltenen »Party Rock Remix« von »Give Me All Your Lovin?« mit den Kasperlköpfen von LMFAO). Das passiert weder Lady Gaga noch Kylie Minogue und kratzt hier auch enorm an Madonnas Divastatus. Eine Diva hat junge Liebhaber, verschweigt oder kaschiert ihr Alter (weil es grundsätzlich egal ist), ist unnahbar, wenn sie will (aber auch überherzlich ihren Fans gegenüber like Kylie), erzählt jeden peinlichen Gossip über sich am liebsten selber (Judy Garland, Helmut Berger), behandelt ihre Kinder schlecht, »gibt auf Kategorien nicht viel« (F.S.K.), und überlebt auch Flops. Nur als börsennotiertes Unternehmen zerstört sie dabei ihre eigene Illusion.

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