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Lee »Scratch« Perry

»Rainford«

On U Sound/Rough Trade

Rainford Hugh Perry alias Lee »Scratch« Perry, auch genannt The Upsetter: Sein aktuelles Album heißt »Rainford«, so viel sollte sicher sein. Nicht so sicher darf man sich darüber sein, welche Alben der letzten Jahre bis dahin unveröffentlichte Originale, Remixes, Retakes waren oder woher immer die Bänder genau stammten – der Wust ist schier unüberblickbar und unergründlich geworden. »Rainford« wurde von Adrian Sherwood »entworfen« und ist – wie gesagt – aktuell. Und es ist laut Sherwood ein großer Wurf geworden, was medial bestätigt wird, wenn auch mit »Abers«. Sherwood selbst hat das Album mit »American Recordings« von Johnny Cash & Rick Rubin verglichen. »Rainford« ist musikalisch gelungen, die Rhythm Tracks von Sherwood skanken und dubben mit erfreulicher Finesse und zeigen einen Weg für zeitgenössischen Reggae im Spannungsfeld zu Jazz, Brazil und Ambient auf, mit starken Bezügen zur großen Vergangenheit des Genres, vor allem zu den 1970’s, die auch Lee Perrys erfolgreichste Epoche waren. Aber es ist nicht bloß die ausgebreitete Skank-Atmosphäre von Tracks wie »Crickett on the Moon«, mit dem der Longplayer beginnt, oder von »Autobiography of the Upsetter«, eine persönliche Reflexion von Perrys »History«, mit dem das Album würdig abgeschlossen wird. Es sind Fusions mit brasilianischen Rhythmen wie auf »Makumba Rock« oder »African Starship«, eine faszinierende Hommage an Sun Ra, grandios umgesetzt zwischen Jazz, Ambient und Dub, die das volle Potenzial, das Sherwoods On-U Sound Studio noch immer hat, gekonnt ausloten. Darüber ist es für den inzwischen 83-jährigen Perry wohl kein Leichtes gewesen, einen ihm angemessenen Beitrag einzubringen. Man müsste lügen, würde man behaupten, seine Stimme und Attitüde, sein grummelndes Deklamieren, sein Monologisieren würden den hohen Vorgaben jeweils voll genügen, doch immer wieder, wie beispielsweise auf »House of Angels« oder »Children of the Light«, Letzteres ein Song, der aus Augustus Pablos Feder stammen könnte, blitzt das alte Vermögen von Lee Perry auf, den Hörer abzuholen und auf seinen Trip mitzunehmen. Beim Produzieren dieser Songs hat man jedenfalls das Beste getan, mit durchwegs fantastischen Backvocals gewisse stimmliche Mankos elegant auszubalancieren. Und ja, so weit entfernt von einem reifen Alterswerk wie jenem von Cash/Rubin sind Perry/Sherwood jedenfalls nicht.

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