»Pilar« © Slash Filmfestival
»Pilar« © Slash Filmfestival

Kurzfilm-Highlights beim Slash Filmfestival 2021

Beim diesjährigen Slash Filmfestival von 23. September bis 3. Oktober 2021 kommt die Featurette nicht zu kurz. Ein Plädoyer für die zu Unrecht oft vernachlässigte kleine Schwester des Feature-Films inklusive Empfehlungen.

Kurzfilme sind die Meisterklasse der Erzählkunst. Gilt es doch, in wenig Zeit – und oft mit knappem Budget – eine Idee zu Zelluloid zu bringen, die anderswo auf Spielfilm- oder Serienlänge ausgewälzt werden darf. Charaktereinführung? Geschenkt. Backstory? Nur im Zeitraffer. Die Geschichte muss selbsterklärend sein, das Konzept auf einem Bierdeckel Platz finden, die Aussage sofort klicken, für alles andere fehlt schlichtweg die Zeit. Kurzfilme sind also auch ein bisschen die Fast-Food-Snacks des Lichtspieltheaters, aber wir alle wissen: Ab und zu ist die Käsekrainer dem Tafelspitz vorzuziehen und so bedient auch das diesjährige Slash Filmfestival wieder unseren Heißhunger nach Shorts. Ein Blick ins Menü!

Fantastic Futures
Das Kurzfilmprogramm beim Slash startet am Freitag, dem 24. September um 18:00 Uhr im Schikaneder mit einer Retrospektive der französisch-britischen Regisseurin und Autorin Joséphine Darcy Hopkins und in ihrer Anwesenheit. Gezeigt werden drei ihrer international preisgekrönten Kurzfilme: »Margaux« (2016), »The Day My Mother Became a Monster« (2017) und »Cloud« (2020). Alle drei setzen auf weibliche Protagonistinnen, alle drei sind Coming-of-age-Storys und alle drei zeichnen sich durch ausdrucksstarke metaphorische Bilder aus. Bei »Margaux« ist es das Erwachsenwerden an sich, zwischen sexuellem Erwachen, Bullying auf dem Schulhof und der Angst vor Zurückweisung und Einsamkeit, dem die Regisseurin eine monströse Fassade verleiht. In »The Day My Mother Became a Monster« nehmen Depression und familiäre Entfremdung furchteinflößende Gestalt an, während in »Cloud« Krankheit, Tod und Trauer wie eine radioaktive Wolke über die zwei Hauptdarstellerinnen hereinbrechen. Drei Geschichten, die alltägliche Szenen in ein surreales Setting verlagern und dabei tiefer gehen, als es ihre viertel- bis halbstündige Spielzeit vermuten lässt.

Dark Delicacies
Im zweiten Kurzfilm-Serving, am Samstag, dem 25. September um 18:00 Uhr abermals im Schikaneder, dreht sich alles um den kulinarischen Genuss und die fleischlichen Lüste. Serviert werden »Treat« (2021) von Rémy Barbe, »Bubble« (2020) von Haonan Wang und »Eat« (2021) von Joffrey Monteiro-Noël. Alle drei setzen das Essen den Facetten zwischenmenschlicher Beziehungen gleich: Liebe und Hass, Lust und Abhängigkeit. »Treat« begleitet ein Ehepaar auf der Suche nach dem »besten Gericht der Welt« und lässt sie dabei sich selbst finden. »Bubble« treibt orale Befriedigung weit über ihre Grenzen hinaus und spielt auf auditiver Ebene mit eindringlich lauten Kau-, Schmatz- und Schluckgeräuschen, die fast unangenehm intim wirken. »Eat« schließlich erzählt von einer Frau, die mit Essen ihr Geld verdient – ein Traumjob möchte man meinen, doch wer sein Hobby zum Beruf macht, kennt die Gefahr der Übersättigung, und die Handlung gipfelt hier in eher ungesundem Suchtverhalten. Mit der Schlussszene fügt sich der Short in die Crème de la Crème filmischer Fressorgien – nicht von ungefähr endet »Eat« mit einem musikalischen Zitat von Michal Nymans »Memorial« aus Peter Greenaways Klassiker »The Cook, The Thief, His Wife & Her Lover«.

Monochrome Madness
Der dritte Schwerpunkt im Kurzfilm-Triptychon liegt auf dem Schwarz-Weiß-Short. Am Dienstag, dem 28. September um 20:30 Uhr stehen im Schikaneder »Intolerance« (2020) von Giuliano Giacomelli, »Tale of the Deaf« (2021) von Philipp Yuryev, »Chewing Gum« (2021) von Mihir Fadnavis sowie »Night of the Living Dicks« (2021) von Ilja Rautsi auf dem Programm. Die ersten beiden stellen gleich einmal unter Beweis, dass sich nicht nur ohne Farbe, sondern auch ohne Ton bzw. (gesprochene) Sprache fantastische Geschichten erzählen lassen: Die Protagonisten sind gehörlos, die Erzählung spiegelt ihre Sinneseindrücke in Stummfilmtradition wider und verleiht dem Stilmittel dadurch eine Metaebene. Bei »Chewing Gum« steht das titelgebende Wort, im Original kurz »Chingum«, im Mittelpunkt, der Kurzfilm setzt schaurig-schöne Akzente durch das Spiel mit Licht und Schatten, das monochrom besonders gut – und grausig – zur Geltung kommt. In »Night of the Living Dicks« schließlich kaschiert die Schwarz-Weiß-Färbung in erster Linie den, nun ja, »graphic content« und erinnert an Sci-Fi-B-Movies der 1950er-Jahre mit erfrischend finnischer Note. Ein durchgeknalltes Meisterwerk mit derb-schwarzem Humor und rosa-romantischem Happy End.

Fantastic Shorts & more
Wer damit nicht genug hat, kann sich am Sonntag, dem 26. September sowie am Montag, dem 27. September um jeweils 20:30 Uhr im Metro Kino der Fantastic Shorts Competition I & II stellen – eine Sammlung von Kürzestfilmen zwischen 5 und 25 Minuten, unter denen das Publikum selbst seine Favoriten wählen darf. Empfohlen seien an dieser Stelle z. B. das dystopische Beziehungsdrama »The Following Year« (2021) von Miguel Campaña, die Zombie-Trickfilm-Romanze »Love Is Just A Death Away« (2020) von Bára Anna Stejskalova und die fantastische Endzeit-Animation »Pilar« (2020) von Janis Joy Epping, Diana van Houten und Yngwie Boley. Weitere Kurzfilm-Snacks gibt’s jeweils im Vorfeld von Langfilmen zu sehen, etwa »Heart of Gold« (2020) von Simon Filliot und »Worse Than the Demon« (2013) von Maya Tippett als Vorfilme von »Mad God« am 2. Oktober, »Run That Shit!« (2021) von Tristan Kim vor »Mother Schmuckers« am 24. und 30. September, »Stuck« (2020) von David Mikalson als Aperitif zu »Vicious Fun« bei der diesjährigen Nacht der 1000 Messer am 1. Oktober und »Ghost Dogs« im Doppelpack mit »Cryptozoo« am 25. und 26. September. Man kommt also um Kurzfilme beim Slash Filmfestival 2021 fast nicht herum und das ist gut so!

Das Slash Filmfestival dauert von 23. September bis 3. Oktober, das komplette Programm und Tickets gibt’s unter https://slashfilmfestival.com.

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