Placeholder_Rezensionen
Matthew Herbert Big Band

Goodbye Swingtime

Accidental

Sting when you’re winning. Maitre Herbert ist nicht nur leading ElektroNick in der (noch) freien Welt – inzwischen gibt die Herstellung jeder einzelnen Platten einen Film für sich ab. Angewidert von der generellen Weltentwicklung mit ihrer Totlogik aus Recycling und Kapital, macht er Schluss mit schmarotzender Sampling-Couture, verwandelt jeden Beat in ein Pamphlet für Original-Ton, in Folge individualistischer Fußspuren inmitten der hohlen Hypelandschaft. Sein Meisterwerk »Bodily Functions« aus Found Organic Sounds ließ Gastritis K&D-kompatibel werden. Auf »The Mechanics of Destruction« (als Radio Boy) verwandelte er das Klatschen der Burgerpumpen und Junk Food-Industrien in Jazzfunker. Swingtime soll noch einen Schritt weiter als »schamlos politische Platte« gehen – wie viele freilich die Texte von Chomsky, Pilger und Michael Moore im trötenden Meer der US-Good- Ole-Boys und Propaganda-Bandstages wieder erkennt, ist fraglich. AgitPop als Chartsfutter und Dancestoff haben von Gil Scott Heron bis Chumbawamba schon etliche erfolgreich angepeilt. So abgefeimt als Ersatzgewand der NWO-Blauaugen gefertigt, als Big-Band-Swingbeat der alten Schule, hat’s kaum einer. Natürlich bleibt es dabei weniger Fun-Platte, Glen Miller’sche Durchhalteparole oder Jungle Rumble eines Duke Ellington. Dazu schlagen zu oft die morbiden Düstertöne eines Bernhard Herrmann durch, die Pirsch entlang des Sunset Boulevard eines Franz Waxman oder die orchestralen Blasfalschtöne eines Lester Bowie. Aber gerade Songs wie »Everything’s Changed« featuring Jamie Liddell bieten, mit Ironie oder ohne, Schwing-Enchantment der Weltklasse. Solange sie noch steht.

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