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Wenn es um Worldmusic, Crossover und ungewöhnliche Sampler geht, gehören Putumayo, Trikont und Telarc zu den interessantesten Labels. Neue Releases featuren etwa den indigenen kanadischen Singer-Songwriter Willie Dunn und den Gitarristen David Russell. Aktuelle Kompilationen beschäftigen sich mit »RussenSoul«, einer »Oriental Journey«, »Women Of Africa« und neuen Sounds aus Lateinamerika.

WILLIE DUNN ist ein kanadischer Lieder- und Filmemacher und er ist indigen. Seine Mutter ist eine Mic-Mac, sein Vater hat schottische Wurzeln. Trotz Alternative Country steht Dunn in einer Reihe mit Singer-Songwritern wie Gordon Lightfood oder Leonard Cohen, dessen stimmlicher Bruder er sein könnte. Seines indigenen Background eingedenk, schreibt Dunn Songs über den Zyklus des Regens (»Bear and Fish«) oder über die so genannten »Convent Claims«: Das waren die zwischen 1692 und 1755 stattfindenden Verhandlungen zwischen den Kolonialmächten und den Haudenosaunee – so nannte sich die Konföderation der Iroquois. Der Titelsong von Dunns neuer CD »Son Of The Sun« (Trikont) war in Kanada ein Hit, das Duo Kashtin hat ihn gecovert. Gewissermaßen als Bonus-Tracks gibt es einen Live-Mitschnitt aus Berlin, der auch den Anspieltipp des ruhigen, wunderbaren Albums beinhaltet: »Yellowhead’s Song«.
Auf die Russendisko folgt RUSSENSOUL (Trikont). Man könnte jetzt einiges vom Stapel lassen: Über Alkohol, Parfüm, die Traurigkeit der Taiga, Bären in Sibirien und die Transsibirische Eisenbahn – oder das Ausscheiden der russischen Mannschaft in der Vorrunde der Fußball-Europameisterschaft. Und wo oder was bitte ist die russische Seele? Das wäre aber höchstens eine Fingerübung und daher nicht so wichtig. Deshalb lieber gleich zum CD-Player: Während die Russendisko Tanzen mit gehörigem Hüftenwackeln verursachte, sorgt die eben bei Trikont erschienene Kompilation »RussenSoul« für einiges Mitschunkeln: Das ist nicht minder sympathisch und geht – vielleicht weil man sich dabei etwas weniger bewegt – sogar eine Spur mehr unter die Haut. Etwa das melancholische Stück »Kossack« von Pelagea. Dr. Bajan spielt bei seinem Beitrag die gleichnamige russische Variante des Akkordeons. Die Überraschung liefert aber die Gruppe Markscheider Kunst mit dem Stück »Kokeiro«, das musikalisch ins kommunistische Kuba aufbricht, textliche Einsprengsel in spanischer Sprache sind auch dabei; die Nähe zum Balkan überrascht ohnehin nicht. Eine schöne CD, die einen schon gespannt auf die nächste Russenkompilation warten lässt. Wie die heißen wird? Eigentlich müsste es Russenblues sein!
Vom Russland nach Lateinamerika: Die Kompilation »NUEVO LATINO« (Putumayo/Hoanzl) versammelt canciónes mit traditionellem Einschlag in modernem Gewand. Im Falle des Stücks »Postales« vom Argentinier Federico Aubele heißt das, dass coole Beats unterlegt werden, die sich in die Rhythmik der música latina sehr organisch einfügen. Wunderbar ist auch der Beitrag von Sergent García, der vor kurzem in der Szene Wien ein tolles Konzert gegeben hat. Er singt in »Mi Ultima Voluntad (Tonite)« über Liebe in schwierigen Zeiten, in denen sogar Todesangst herrscht: »Wenn du bei mir bist, werde ich widergeboren.« Der Song steckt im luftigen Reggae-Gewand der Karibik. Insgesamt ist »Nuevo Latino« ein weiterer der gewohnt interessanten Putumayo-Sampler, weiters hier vertreten: Die spanischen Stars Jarabe de Palo und die mexikanischen Los de Abajo mit ihrem »El Indio«-Remix. Venga!
Ebenfalls Lateinamerika-Bezug hat die nächste CD: »Rocksteady« ist der jüngste Telarc-Release des jamaikanischen Pianisten MONTY ALEXANDER. Wie auch auf seiner letzten CD »Impressions In Blue« beweist Monty Alexander seine Klasse, als Gast hat er sich den Gitarristen Ernest Ranglin geladen, Hassan Shakur vom Trio ist auch dabei. Sehr reggaeesk kommt das Stück »Marcus Garvey« herüber, in Richtung Ska geht etwa »Pressure Drop«, dasselbe gilt für das angenehm relaxed daherkommende »Nightwork«. Und wenn Monty Alexander zur Melodika greift, erinnert die Leichtigkeit seiner Spielweise an Altmeister Augustus Pablo. Gut.
Der schottische Gitarrist DAVID RUSSELL interpretiert auf »Aire Latino« (Telarc/Edel) Gitarrenstücke aus Lateinamerika und schließt an seinen ersten, Werke des Paraguayaners Agustin Barrios featurenden Telarc-Release, an: Russell interpretiert u.a. sehr stilsicher Ariel Ramírez (Argentinien), »Alfonsina Y El Mar« und »Milonga« sowie den »Vals Peruano« des argentinischen Komponisten Jorge Cardoso. Ebenfalls dabei: »Lejania« von Carlos Payés (El Salvador). Die schöne, ruhige CD unternimmt einen Streifzug durch die klassische Gitarrenmusik des 20. Jahrhunderts. Für die besinnlichen Stunden des Lebens.
Ausschließlich afrikanische Sängerinnen versammelt der Sampler »WOMEN OF AFRICA« (Putumayo/Hoanzl): Die Südafrikanerin Judith Sephuma mit dem stillen Stück »Le Tsephile Mang«, das eine Friedensbotschaft an alle Südafrikaner ausspricht: »Warum können wir nicht miteinander glücklich sein, den Hass begraben und miteinander unseren Staat aufbauen?«. Neben absoluten Worldmusic-Stars wie Souad Mossi (Algerien) und Angélique Kidjo (Benin) – mit »Bahia« aus ihrem vorletzten, in Richtung Brasilien gewandten, Album Black Ivory Soul – sind auch in Europa noch eher unbekannte Künstlerinnen vertreten: Etwa die Sängerin Nawal von den Komoren. Diese Inselgruppe liegt im Indischen Ozean, geographisch an der Schnittstelle zwischen Indien und Afrika. Nawal setzt diese Tatsache im sehr traditionellen, molllastigen »Hima« um: Neben einer Talking Drum aus Westafrika sind da auch indische Tablas und die madagassische Laute kabosy im Einsatz. Schön.
Ergänzend dazu bietet es sich an die »Oriental Journey« der EXPRESS BRASS BAND (Trikont) hören: Zunächst vernimmt man einleitende Worte, danach verbindet die Münchner Band um den Tubaspieler Wolfgang Schlick Einflüsse zwischen Orient, Balkan und Afrika organisch miteinander. Dementsprechend liest sich auch das Line-Up: Jojo Kuo, ehemals Schlagzeuger in der Band von Worldmusic-Star Fela Kuti, die aserbaidschanische Pianistin Ulvija Abdulajeva, der französisch-ägyptische Singer-Songwriter Ziad und der 92jährige ungarische Opernsänger László Farkas. Travel on!

Monty Alexander: »Rocksteady« (Telarc/Edel)
Willie Dunn: »Son Of The Sun« (Trikont)
Express Brass Band: »Oriental Journey« (Trikont)
David Russell: »Aire Latino« (Telarc/Edel)
Various Artists: »Nuevo Latino« (Putumayo/Hoanzl)
Various Artists: »Oriental Journey« (Trikont)
Various Artists: »RussenSoul« (Trikont)
Various Artists: »Women Of Africa« (Putumayo/Hoanzl)

>> http://www.trikont.de
>> http://www.putumayo.com
>> http://www.telarc.com
>> http://www.hoanzl.at
>> http://www.edel.at

Home / Musik / Review Collection

Text
Jürgen Plank

Veröffentlichung
07.08.2004

Schlagwörter

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