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Finnisch-Russische Freundschaft: N & B Research Digest

Gleich sieben neue Veröffentlichungen hat das von Anton Nikkilä/Alexei Borisov betriebene Label N & B Research Digest am Start. Und das via Diogenes und Boomkat als benutzerfreundliche Download-Alben. In gewohnter Manier geht es ans Eingemachte von Klangkunst und Soundexperimenten aus Finn- und Russland zwischen den 1960ern und heute. Fangen wir mit den Finnen an: PEKKA AIRAKSINEN, altgedienter Free-Jazz- und Elektronikberserker seit den 1960ern in der radikalen Dekonstruktionsband Sperm, verdichtet auf seinem aktuellen Album »Mahagood« alte Jazzloops und Proto-Noise zu abgefeimter Sampledelia, zu dem »Theme For Cops« des jungen Samuli Tanner aka PONYTAILS sprichwörtlich wie die Faust aufs Auge passt. In 27 Soundskizzen jongliert Tanner von finnischen Folkweisen über entschlackten Dubstep bis zu zartschmelzenden Streicherphrasen. Beide Male Dada-Collagen-Plunderphonics, denen nichts und niemand heilig ist. Mit den historischen Aufnahmen von SWISSAIR wird klar, wo sich die Sähkö- und Pansonic-Leute ihre Industrial-Inspiration holten. Die sechs damals 16jährigen Bandmitglieder, zu denen u.a. Mika Taanila und Nikilää zählten, stehen prototypisch für den (finnischen) Ûbergang von Punk zur Avantgarde, das räudig aufgenommene, aber dadurch umso charmantere Live-Album »15. Joulukuuta 1981« ist bestes Improv-Zeugs von Dilettanten, die die Rumdrescherei auf ihre Instrumente langweilte und stattdessen lieber, wie sie es nannten, »wissenschaftliche« Musik machten. Immerhin schafften die von 1980–83 existierenden SWISSAIR mit »Hermafrodiitit« nicht nur einen Film, sondern auch den entsprechenden Soundtrack. Sowohl der Sound wie die Super-8-Doppelprojektion liefen manuell synchronisiert, Video-Outtakes sind über die N&B-Homepage zu sehen. Cabaret Voltaire auf Finnisch. Mein persönlicher Favorit dieser Veröffentlichungsserie. Mit JUNGLE geht es in die sowjetische Rock-/Jazzszene der frühen 1980er. »Live in Leningrad 1985« ist ein Dokument einer neben Zoo und Aquarium herausragenden Underground-Formation, die sich dem durch die Punkbrille gelesenen Ornette Coleman genauso verschrieben hatte wie King Crimson. Die siebenköpfige Band umfasste zwei Saxofonisten und Perkussionisten, enervierend-dichte Musik ist die Folge. Während sowjetische Plattenproduktionen und selbst Studiomitschnitte ja meist durch Geschliffenheit glänzten, kann man sich bei dieser Live-Aufnahme einen guten Eindruck über die Lebendigkeit der damaligen Undergroundszene machen. »Studio Recordings Vol. 1« dokumentiert eine der allerersten Aufnahmen des russischen Ausnahmeduos Alexei Borisov/Pavel Zhagun aka F.R.U.I.T.S. von 1993. Vier Tracks aus dem Proberaumbunker dröhnen durch die Boxen, hier ist noch alles ultra-rudimentär. Geil dreiste Anti-Musik mit so flockigen Namen wie »Lemon Skin« oder »Raspberry’s Purée« führt diretissima in die (für heute typischen) akustischen Stolperfallen postindustriellen Experimentalkrachs. Am Schluss steht »Live at Belly« der beiden N&B-Masterminds. Diese CD von 2007 macht wieder mal klar: BORISOV/NIKKILÄ sind unverbesserliche Muzak-Afficinados, verfügen über ein Repertoire, das von super cheesy Bläsersätzen bis zu nervigen Beat-Dekonstruktionen reicht und haben jede Menge Spaß dabei, auf alles verschlingenden Musik-Häcklser zu machen. Oben auf die surrealistische Soundpoetry Borisovs. Klangabenteuer jenseits musikalischer Hierarchien und Kategorisierungen. Zu ordern über: www.nbresearchdigest.com, www.boomkat.com oder www.diogenesmusic.com

Gleich sieben neue Veröffentlichungen hat das von Anton Nikkilä/Alexei Borisov betriebene Label N & B Research Digest am Start. Und das via Diogenes und Boomkat als benutzerfreundliche Download-Alben. In gewohnter Manier geht es ans Eingemachte von Klangkunst und Soundexperimenten aus Finn- und Russland zwischen den 1960ern und heute.

Fangen wir mit den Finnen an: PEKKA AIRAKSINEN, altgedienter Free-Jazz- und Elektronikberserker seit den 1960ern in der radikalen Dekonstruktionsband Sperm, verdichtet auf seinem aktuellen Album »Mahagood« alte Jazzloops und Proto-Noise zu abgefeimter Sampledelia, zu dem »Theme For Cops« des jungen Samuli Tanner aka PONYTAILS sprichwörtlich wie die Faust aufs Auge passt. In 27 Soundskizzen jongliert Tanner von finnischen Folkweisen über entschlackten Dubstep bis zu zartschmelzenden Streicherphrasen. Beide Male Dada-Collagen-Plunderphonics, denen nichts und niemand heilig ist. Mit den historischen Aufnahmen von SWISSAIR wird klar, wo sich die Sähkö- und Pansonic-Leute ihre Industrial-Inspiration holten. Die sechs damals 16jährigen Bandmitglieder, zu denen u.a. Mika Taanila und Nikilää zählten, stehen prototypisch für den (finnischen) Ûbergang von Punk zur Avantgarde, das räudig aufgenommene, aber dadurch umso charmantere Live-Album »15. Joulukuuta 1981« ist bestes Improv-Zeugs von Dilettanten, die die Rumdrescherei auf ihre Instrumente langweilte und stattdessen lieber, wie sie es nannten, »wissenschaftliche« Musik machten. Immerhin schafften die von 1980–83 existierenden SWISSAIR mit »Hermafrodiitit« nicht nur einen Film, sondern auch den entsprechenden Soundtrack. Sowohl der Sound wie die Super-8-Doppelprojektion liefen manuell synchronisiert, Video-Outtakes sind über die N&B-Homepage zu sehen. Cabaret Voltaire auf Finnisch. Mein persönlicher Favorit dieser Veröffentlichungsserie.

Mit JUNGLE geht es in die sowjetische Rock-/Jazzszene der frühen 1980er. »Live in Leningrad 1985« ist ein Dokument einer neben Zoo und Aquarium herausragenden Underground-Formation, die sich dem durch die Punkbrille gelesenen Ornette Coleman genauso verschrieben hatte wie King Crimson. Die siebenköpfige Band umfasste zwei Saxofonisten und Perkussionisten, enervierend-dichte Musik ist die Folge. Während sowjetische Plattenproduktionen und selbst Studiomitschnitte ja meist durch Geschliffenheit glänzten, kann man sich bei dieser Live-Aufnahme einen guten Eindruck über die Lebendigkeit der damaligen Undergroundszene machen. »Studio Recordings Vol. 1« dokumentiert eine der allerersten Aufnahmen des russischen Ausnahmeduos Alexei Borisov/Pavel Zhagun aka F.R.U.I.T.S. von 1993. Vier Tracks aus dem Proberaumbunker dröhnen durch die Boxen, hier ist noch alles ultra-rudimentär. Geil dreiste Anti-Musik mit so flockigen Namen wie »Lemon Skin« oder »Raspberry’s Purée« führt diretissima in die (für heute typischen) akustischen Stolperfallen postindustriellen Experimentalkrachs. Am Schluss steht »Live at Belly« der beiden N&B-Masterminds. Diese CD von 2007 macht wieder mal klar: BORISOV/NIKKILÄ sind unverbesserliche Muzak-Afficinados, verfügen über ein Repertoire, das von super cheesy Bläsersätzen bis zu nervigen Beat-Dekonstruktionen reicht und haben jede Menge Spaß dabei, auf alles verschlingenden Musik-Häcklser zu machen. Oben auf die surrealistische Soundpoetry Borisovs. Klangabenteuer jenseits musikalischer Hierarchien und Kategorisierungen.

Zu ordern über: www.nbresearchdigest.com, www.boomkat.com oder www.diogenesmusic.com

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