Kreisky © Alexander Galler/thegap.at
Kreisky © Alexander Galler/thegap.at

Es war auch schon einfacher!

Die Band Kreisky präsentierte am 19. April im übervollen WUK ihr neues Album und stieß dabei auf viel Gegenliebe. Von der Generation FM4 gefeiert, entwickelte sich ein Abend der vertanen Chancen.

Was dem einen recht ist, ist dem anderen billig. Meistens zumindest, aber fast immer in der Musik. Dort zeichnet sich hierzulande ohnehin seit Jahren ein wohlsegregiertes Geflecht der Generationen ab, bei dem sich zielgruppenorientierte Marketingfuzzis alle Finger abschlecken müssen. Für alles und jeden ist da vermeintlich etwas dabei, nicht immer zur Freude der Einzelnen. Der einst so heilige »Musikantenstadl« gilt zwar fachgerecht als entsorgtes Gefahrengut, von einer klaffenden Lücke im kulturellen Herzen des Landes kann aber weit und breit keine Rede sein. Wie giftige Pilze sprießen derlei schwindlige Surrogate aus dem Boden. Die Massenbespaßungsmaschinerie von Ö3 übernimmt dankenswerterweise die Drecksarbeit und fühlt begnadet dorthin, wo es richtig weh und doch auch irgendwie guttut. Wohlfühlmusik zum Schunkeln, leicht verdaubare Kost, ohne in irgendeiner Weise anzuecken und bloß keine falschen Gefühle, bitte!

Kreisky © Alexander Galler/thegap.at

Die Generation FM4 ist am Ende
Falsche Gefühle gibt es bei Kreisky jedenfalls keine. Die hat es auch nie gegeben. Die Band rund um Franz Adrian Wenzl hat vor Kurzem ihr bereits fünftes Studioalbum veröffentlicht und klingt, wie sie seit ihrer Gründung 2005 immer klangen – nur anders, aber anders ehrlich. »Blitz« heißt die neue Platte jetzt und steht, so viel lässt sich sagen, gleichbedeutend für die glorreiche Generation FM4 und ihren langsam-steten Niedergang, spricht also jene Menschen an, die irgendwo zwischen Ende 20 und Anfang 40 im Leben herumgurken, sich im 35. Semester an ihrem Doktor in Germanistik versuchen und gerade deswegen immer schon zu edgy waren, um Wanda mit Bilderbuch zu vergleichen. Naja, die Generation FM4 gibt es immerhin nur einmal. Angefüttert wurde sie mit Bands wie Kreisky. Heute gibt es so etwas nicht mehr, toll war das damals! Schön auch, dass uns wenigstens diese Erinnerung keiner mehr wegnehmen kann, wenn sonst schon alles so unsicher erscheint. Die Haare fallen aus, der Schmäh schmiert nicht mehr so richtig und dann kommt aus heiterem Himmel auch noch die Liebschaft abhanden. Das Leben ist auf Dauer einfach oasch! Als einziger Trost bleibt letztlich nur noch die Freude an neu erschlossenen Dingen: 180 Gramm Vinyl, ich spritz ab! Wir sind wirklich die letzten Deppen des 20. Jahrhunderts!

Selbsthilfe für LebenskünstlerInnen
Nun hat man das Album nebst einigen Ausflügen in die frühen Schaffensphasen im bummvollen Wiener WUK präsentiert. Das Publikum war begeistert, der Austrofred ist wieder da, auch wenn der – gefinkelt wie immer – als Radiohund Rudi verkleidet erscheint. Alle, wirklich alle fühlen sich verstanden und haben guten Grund dazu, weil, hey, der singt doch auch aus unserem Leben. Und tatsächlich: Ein Kreisky-Konzert ist immer auch ein bisschen anonymer Selbsthilfekurs für schwer vermittelbare LebenkünstlerInnen im besten Alter. Klar, dass da die Stimmung passt, wenn von den Veteranen der vertanen Chance die Rede ist. Endlich einmal jemand, der den Gefühlen einer ganzen Generation wirklich Ausdruck verleiht. Man kennt diese Freiherzigkeit heute ja nicht mehr so oft. Auf Dauer wirkt so viel Reflexion und Selbsteinsicht allerdings unvergleichbar anstrengend. Dazu kommt, dass die Pausen zwischen den Titeln, nun ja, eher peinlich berührt als auflockernd lässig anmuten. Gut, dass diese dann zwecks mangelndem Schmäh ohnehin nur eher kurz ausfallen. Nach einer Stunde wird krachend abgewunken, der Saal feiert die Unbekümmertheit des Moments – die Zugabe bringt noch ein paar Evergreens, dann ist wirklich Schluss. Applaus für die Band und für das eigene Leben!

Home / Musik / Konzert

Text
Christoph Benkeser

Veröffentlichung
22.04.2018

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