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Faust

»Derbe Respect, Alder«, »The Bi-Conicals of The Rammellzee«

Klangbad

Zwei Platten für den denkelroten VU-Bereich von Soundanlagen und Denkströmen:

Ausweitung der rhyth-zomatischen Kampfzone auf die Sprachsysteme. Wörter, Silben, Töne und Beats werden auf »The Bi-Conicals of The Rammellzee« zu elf akustischen Detonationen in Hirn und Hüften. Der 1960 in Queens geborene MC The Rammellzee gehört wohl mithin zu den wichtigsten Bindegliedern zwischen den afro-futuristischen Entwürfen von Funkadelic/Parliament und aktuellen Spielarten von digitalem R’n’B. Stellvertretend seien seine Rolle in dem HipHop-Film »Wildstyle« und die grenzgeniale Electro-Nummer »Beat Bop« zusammen mit Langzeit-Komplizen Jean Michel Basquiat erwähnt.

Aufrüstung der Zeichen, Militarisierung des Rhythmus, Generalmobilmachung des Bass: Als anerkannter Graffiti-Künstler weiß The Rammellzee um die Verdrehung von Wörtern. Mit beinahe dadaistischen Qualitäten rappt er sich durch den Dschungel der Großstadt NYC. Dabei kommt Rammellzee mit der donnernden Urgewalt eines urbanen Cyborg-Monsters daher. Sein »Ikonoklast Panzerism« ist ein zu Worten geronnener Frontalangriff auf die Sinne: The Rammellzee ist ein fauchender, aber auch ein verdammt ironischer Geschichtenerzähler zum immer wieder zwingend tanzbaren Beat. In seinem Gothic-Futurism-Manifest legt er seinen Ansatz aus Metaphysik, urbaner Ûberlebensnotwendigkeit und teilweise etwas kruden Theorien dar und arbeitet sich an verwissen-schaftlichendem Afro-Futurismus ab.

Mit tatkräftiger Unterstützung aus NY (Death Comet Crew), Berlin (DJ Kaos), Tokyo (DJ Kensei) und San Francisco (Poets of Rhythm) zieht Ramm ein Resümee über bewusstseinserweiternde Verzögerungen und die Notwendigkeit der Wachsamkeit im heutigen Kommunikations-Wirrwarr, er sorgt für die Schärfung der Wahrnehmung. Eigentlich ist das schon wieder de-humanisierter Funk, der einem die Beine unter den Tanzhüften wegbläst. Befreie das gute Monster, höre The Rammellzee.

 

Faust.jpgDie Kollaboration Dälek vs. Faust auf »Derbe Respect, Alder« ist mindestens genauso ein Soundbiest wie The Rammellzee. (Musik-)Geschichtswissen vibriert auch hier bis in die letzen Nervenenden. Das ist eine VÖ, von der ich schon jetzt behaupte, dass sie sich in vielen Best-of-2004 Jahrescharts finden wird, allein schon was die diskursive Kollision anlangt: Die »große kosmische Musik« wird per Direkteinspeisung als eine der fundamentalen Inspirationsquellen genutzt, dazu gegengesteuert von State of the Art-HipHop und releast auf einem sagen wir mal »Experimentalmusik«-Label. Diese 8-Track-Kollaboration hatte sich ja einige Zeit schon angekündigt, etwa durch den Dälek-Beitrag auf der Klangbad-Compilation für »The Wire« letztes Jahr. Nach Däleks Platte »From Filthy Tongue Of Gods And Griots« (Klangbad; 2002) stand es an, die Koordinatensysteme, die sie in den letzten Jahren so erfolgreich torpediert hatten, zu erweitern. Dankenswerterweise gehen sie in der selben Konsequenz wie Faust den nächsten logischen Schritt, Krautrock mit (Düster-/Digital-)HipHop kurzzuschließen. Hätte nur noch gefehlt, dass Jim O’Rouke das Mixing übernimmt. Dann wäre das Ganze vielleicht krautiger geworden. Hans-Joachim Irmler lässt dafür die Dälek-Bässe diretissima auf die Magengrube los.

In einem psychedelisierenden Mind- und Body-Trip geht es durch die Tracks, die feinste Improvisation mit Beats, Flächen, Gitarre, Stimme und einigen abstrusen Soundquellen bieten. Beim finalen »T-Electronique« ätzen sich die Faust’schen Drone-Sounds als flüssiges Miasma direkt in die Gehirnplatte. Faust bringen das sublime Element hinein und federn es gegenüber der postnuklearen Distortion-Kammer Däleks in Richtung Soundscapes ab. »Bullets Need Violence« ist so ein Fall: In mehr als acht Minuten werden die Funksignale aus der futurologischen Rhythmaschine aus dröhnendem Ambient zu einem Dschungel an Feedbacks und konkreten Sounds in pumpende Energiestöße verdichtet. Die CD ist freilich nicht frei von Schlenkern Richtung Verirrung, sie zeigt aber auf, wo es die nächsten paar Jahre hingehen könnte. Derber Respekt, Alter.

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