Felix Kubin © Greg Holm
Felix Kubin © Greg Holm

Der Geist aus der Maschine

Zum 30-jährigen skug Jubiläum bergen wir Textschätze aus den Magazinen, die ihren Weg noch nicht auf die Website gefunden haben. Diesmal: Felix Kubin in skug #74 im Interview mit dem ehemaligen skug Chefredakteur Didi Neidhart.

Als das Magazin skug im Oktober 1990 gegründet wurde, war noch nicht klar, ob sich »das Internet durchsetzen würde«. Insofern sind Artikel aus den ersten beiden Dekaden unseres Bestehens auf skug.at spärlich gesät. 30 Jahre später wollen wir einige dieser verschütteten Textschätze heben und der Allgemeinheit zugänglich machen. Den Beginn macht – aus gegebenem Anlass – ein Interview mit dem Musiker und Medienkünstler Felix Kubin, das seinerzeit (in skug #74, 4–6/2008) von unserem damaligen Chefredakteur Didi Neidhart geführt wurde. Felix Kubin live und in Farbe gibt’s zudem beim 30 Jahre skug Geburtstagsfest am 18. Jänner 2020 im Wiener Fluc, mehr Informationen dazu folgen in Kürze.

Originaltext in skug #74, 4–6/2008

Deinstruktion, Metaphysik und tanzende Betriebsanleitungen

Im Herbst 2007 präsentierte Felix Kubin im Tanzquartier Wien die Performance »Ich will aufwärts, ich will abwärts – Bedienungsanleitungen und Instruktionen«. Als Grundlage des dazu erstellten Konzepts startet skug eine lose Interviewreihe, mit der wir uns auf die Suche nach dem Unbewussten der Maschinen begeben wollen.

skug: Im Mensch-Maschinen-Diskurs geht es immer auch um gegenseitiges Re/Programmieren, wobei das Neue gerade dort passiert, wo es zu Dysfunktionen kommt. Maschinen gegen ihre Betriebsanleitungen zu zweckentfremden, ist eine hinlänglich praktizierte Taktik. Worin unterscheidet sich dein Ansatz der »Deinstruktion« eigentlich davon?
Felix Kubin: Im Grunde geht es mir um eine Erweiterung und um eine Einengung von Funktionalität. Bei der Erweiterung ist es so, als würde man ein Brot vollkommen falsch anschneiden, weil man nicht weiß, dass es zum Essen gedacht ist.

Im Konzept zu »Ich will aufwärts, ich will abwärts« ist die Rede davon, dass sich Anleitungen in Umleitungen verwandeln und Bedienungsanleitungen »schlechte Dolmetscher« sind. Was passiert, wenn Bedienungsanleitungen aufeinander losgelassen werden?
Sie versuchen, miteinander zu tanzen. Aber das sieht sehr unbeholfen aus! Im besten Fall entsteht daraus eine dritte Sprache.

Du sprichst von der Metaphysik der Apparate und davon, dass ihre vollendete Funktion nur vor ihrer Verschriftlichung in der Bedienungsanleitung gegeben sei. Wieso Metaphysik?
Jede Idee eines Apparats geht von einem Idealzustand aus, bei dem alles wie von Geisterhand funktioniert. Der Geist in der Maschine ist ein Abbild des menschlichen Geistes, sein Glimmen, oder im verborgenen Sinne, sein Schatten. Medientechnologie und Okkultismus hängen stark miteinander zusammen. Das wird schon anhand einfacher Begriffsanalogien wie »Television« (in spiritistischen Sitzungen das »Ferngesicht«) und »Telephonie« (das Sprechen mit Abwesenden oder Toten) deutlich. In Wahrheit aber bleiben Maschinen immer Prototypen. Wird ihnen zu viel metaphysische Verehrung zuteil, dann schicken sie ihre User zur Belohnung besonders schnell ins Jenseits, siehe Hindenburg, Titanic, Concorde und Space Shuttle. In der Geschichte der Apparate haben sich immer diejenigen als elegant und zeitlos erwiesen, die eine stabile Mechanik besaßen und mit dem Alter angenehme Macken entwickelt haben. Beispielsweise sympathischen Nebengeräusche. Mir gefällt besonders die Welt des Mechanischen, weil hier die Maschine sichtbar wird, aber noch alles sehr im Körperlichen verhaftet ist. Das ist ja auch der Lärm, der die Futuristen so begeistert hat. Heute wäre sie nicht so begeistert. Der Lärm hat seine Dezibel runtergeschraubt und ist zum Ambiente geworden, zu einer Art Wohnkultur. Die digitale Welt ist eine sterile Welt, in der die Übersetzung von Kräften nicht mehr sichtbar ist. Da passiert es dann, dass die Software immer größenwahnsinniger wird, während die Materialqualität der Geräte geradezu ins Lächerliche abdriftet.

Beim Begriff Maschine bzw. Apparat begegnen wir ja auch Theoretikern des Unbewussten wie Freud, Lacan, aber auch – natürlich – Deleuze und Guattari. Wenn nun das Unbewusste als Maschine gedacht wird, was wäre dann das Unbewusste einer Maschine? Bist du im Zuge deiner Deinstruktionen auf so etwas gestoßen?
Natürlich gibt es immer einen Rückkopplungseffekt, d. h. die Industrialisierung hat auch dazu geführt, dass wir unsere Körper als Maschine deuten, denn das ist die Zeichenwelt, in die wir geboren sind. Um aber den Menschen gleich zur Mensch-Maschine zu machen, müsste erstmal klar sein, an welcher Stelle die Willensbildung einsetzt. Vor oder nach der Verdauung? Der Vorgang des Essens könnte von einer Maschine simuliert werden. Aber es ist immer noch möglich, einen Menschen beim Essen seelisch so unter Druck zu setzen, dass er sein Essen wieder auskotzt, und genau da funktioniert die Analogie zur Maschine nicht. Unser Unbewusstes ist so mächtig, dass es alle Funktionen des Körpers außer Kraft setzen kann. Das Unbewusste ist ein Reich, in dem Ökonomie und Effizienz keine Rolle spielen. Dort wird nach ganz anderen, irrationalen Regeln gespielt. Darum ist es so interessant als ein Ort der Auflehnung. Bei einer Maschine spielt Effizienz immer eine Rolle. Ich glaube erst an das Unbewusste einer Maschine, wenn ich sie durch seelische Grausamkeit zum Kotzen bringen kann.

Link: www.felixkubin.com

favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Ähnliche Beiträge

Nach oben scrollen