Sigrid Horn © Pamela Rußmann
Sigrid Horn © Pamela Rußmann

Zwentendorf und sein musikalisches Erbe

Das Album »Paradies« blickt zurück auf Österreichs grünen Aktivismus der 1970er. Sigrid Horn, Ernst Molden, Anna Mabo, Ina Regen, Yasmo und viele andere präsentieren es am 22. April auf der Bühne des Wiener Konzerthauses.

Energiepolitik ist angesichts der Klimakrise und des Ukraine-Kriegs ein Dauerthema. Um einerseits eine globale Katastrophe abzuwenden und andererseits Abhängigkeiten von autoritären Regimen wie dem russischen zu verringern, brauche es schnelle, mutige und wegweisende Entscheidungen, das fordern nicht nur Aktivist*innen, sondern mittlerweile eigentlich alle, die nicht Verschwörungsideen und Populismus anheimgefallen sind – oder die vom bisherigen Zustand profitieren. 

Eine energiepolitische Zeitenwende wird beschworen, und für die geforderten wegweisenden Entscheidungen gibt es Vorbilder im Großen wie im Kleinen. Eine von besonderer Bedeutung in Österreich wurde am 5. November 1978 getroffen, nämlich bei der Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf. Dieses galt als eines der modernsten Kernkraftwerke seiner Zeit und sollte die Epoche der nuklearen Energieerzeugung in Österreich einläuten.

Das Votum gegen das AKW

Doch daraus wurde nichts. Gegen das Kraftwerk, mit dessen Bau 1972 unter der SPÖ-Regierung Bruno Kreiskys begonnen wurde, formierte sich ab 1975 eine breite Anti-Atomkraft-Bewegung. Sogar ÖVP und FPÖ positionierten sich – wohlgemerkt, aus parteitaktischen Gründen – gegen Zwentendorf. 

Bei all dem Gegenwind entschied man in der SPÖ schließlich, das Volk über die Inbetriebnahme zu befragen. Das Ergebnis war denkbar knapp: 50,5 Prozent stimmten gegen das Kraftwerk, es waren etwa 30.000 Stimmen, die den Ausschlag gaben. Das Nein zum AKW und die Besetzung der Hainburger Au einige Jahre später werden heute als Geburtsstunde der grünen Bewegung in Österreich angesehen. 

Das Kraftwerk ging nie Betrieb, es fristet bis heute direkt an der Donau sein Dasein etwa als Ersatzteillager oder Ausbildungsstätte. Auf dem Gelände fanden auch Musikfestivals statt, etwa das »Nuke« zwischen 1999 und 2002 mit Bands wie Schönheitsfehler und den Sportfreunden Stiller oder das Hardstyle-Festival »Shutdown«. 

Im vergangenen November jährte sich die Volksabstimmung zum 45. Mal, und aus diesem Anlass widmeten Sigrid Horn und Felipe Scolfaro Crema ihr ein Album: »Paradies«. Mit dabei sind viele Gäste, etwa Ina Regen, Yasmo, Anna Mabo oder Ernst Molden. Nun bringen sie das Konzeptalbum am 22. April 2024 gemeinsam auf die Bühne des Wiener Konzerthauses.

Man kann sich gut riechen

Dabei sind 45 Jahre ja eigentlich kein rundes Jubiläum, um das man klassischerweise viel Aufhebens macht. Doch als die Idee zum Jubiläumsalbum an sie herangetragen wurde, sei sie sofort begeistert gewesen, erzählt Sigrid Horn. »Gerade ein ungewöhnliches Jubiläum macht es reizvoll, es auch ungewöhnlich zu feiern«, sagt sie lachend. 

Horn selbst war zur Zeit der Volksabstimmung noch gar nicht geboren, doch fühlt sie sich in mehrerlei Hinsicht mit Zwentendorf verbunden: »Zwentendorf ist Teil unserer Geschichte und auch unseres Selbstverständnisses in Österreich, der Weg bis zur Volksabstimmung und die Folgen davon haben unser Land geprägt. Das allein ist faszinierend. Und als Musikerin denke ich natürlich auch sofort an die legendäre Zwentendorf-Platte, deren Verkauf den Protest mitfinanziert hat.« Diese Platte erschien unter dem Titel »Künstler gegen Zwentendorf«, zu hören waren darauf unter anderem Sigi Maron, Georg Danzer oder die Schmetterlinge. 

Sigrid Horn verbindet mit den anderen Musiker*innen des »Paradies«-Konzerts nicht nur ein kollegiales Verhältnis, sondern teils auch langjährige Freundschaft. Felipe Scolfaro Crema ist ihr Lebensgefährte. »Insgesamt, glaub ich, spürt man bei unserer Musik schon, dass wir uns alle ganz gut riechen können. Man muss zwar aufpassen, dass sich nicht die ganze Beziehung nur noch um die Arbeit dreht. Aber für mich ist es das Schönste, mit meinen engsten und liebsten Menschen zusammenarbeiten zu können«, sagt Horn. 

Für den Konzerthaus-Abend ist also nicht nur mit einem musikalischen Rückblick in die grüne Geschichte Österreichs zu rechnen, sondern auch mit einträchtiger Stimmung und gemeinschaftlicher Dynamik auf der Bühne. Live-Gäste am 22. April 2024 ab 19:30 Uhr im Wiener Konzerthaus sind u. a. Ernst Molden, Yasmo, Ina Regen, Anna Mabo, Sarah Metzler und Bernhard Scheiblauer.

Sigrid Horn & Felipe Scolfaro Crema: »Paradies« (Sony Music/Medienmanufaktur)

Links: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61504

https://www.sigridhorn.at/tontr%C3%A4ger/paradies

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