Es wird released wie noch nie – Hörschneisen durch einen Dschungel: Beginnen wir mit HORCHATA »Besidia« (Ad Noiseam) – in den 11 Stücken von 62 Minuten Länge gibt sich das Berliner Electro-Noise-Label überraschend ruhig. Schleppende, illbiente Grooves, gefüttert mit Soundbites vom Amazonas, kennzeichnen Michael Palaces düsteres Werk. THE EX mögen skug-LeserInnen ja noch als Avantgarde/Jazzcore-Band bekannt sein, deren Gitarrist ANDY MOOR begab sich gemeinsam mit YANNIS KYRIAKIDES auf »Red vs Green« (Unsound/Staalplaat) auf eine Reise in Soundscapiges und Knusper-Electronic, wo sich bei längerer Spielzeit der 70-Minuten-CD immer mehr Paranoia-Ambient durchsetzt. Ähnlich agiert ROB MAZUREK, dessen »Sweet And Vicious Like Frankenstein« (Mego/Mdos) der Dialektik des Titels auch soundmäßig gerecht wird. Diese 62 Minuten beginnen mit ruhigem Gedrone, mischen einige sanfte Melodien ein, um gegen Ende an Zackigkeit zuzulegen. Und wieder ein Fall von Bandehemaligen, die sich anderwertig orientieren: MICHAEL WERTMÜLLER, seines Zeichens Drummer der Avantgarde/Metalband Alboth – sie waren in den 1990ern lärmende Schweizer – gibt auf
»Die Zeit Eigene Gebrauchsanweisung./Entleibung (Part 1, Part 3)/Kompositionen« (Grob/Mego) sein Debüt als Komponist. Die drei Stücke der 30-Min-CD beginnen ruhig, steigern sich jedoch zu einer interessanten Zerfasert- und Zerfahrenheit … Finnen haben ja oft – nicht zu unrecht – den Ruf, ein wenig verschroben zu sein. Dies gilt auch für PEKKA AIRAKSINEN, einen Soundpionier der elektronischen und experimentellen Musik, dessen beste Stücke von 1968 bis heute auf »Madam I’m Adam« (Love Records/Mdos) zusammengefasst worden sind. Industrial-Angehauchtes, aber in den besten Momenten ist es nicht möglich, die Entstehungszeit der Nummern zu dechiffrieren (was ja immer ein gutes Zeichen ist), auf der zweiten CD übrigens befinden sich Remixe von Zeitgenossen (u.a. P. Quehenberger oder Curd Duca) … Netlabels materialisieren sich zuweilen und bringen schmucke CDs als Überblick ihres Schaffens heraus. Genau das machte das Münchner Netlabel Thinner (www.thinnerism.com). »Many Things Worth Living For« wobei sich hier 60 Minuten lang wunderbar minimaler, droniger, melodielastiger U-Bahn-Dub ausbreitet. Noch besser aber ist LEHAGEs »Departure In Affestion And New Noise« (Thinner), ein kanadischer Feinstgroover, der diese 58 Minuten dem Literaten Arthur Rimbaud widmet und ein wirkliches Minimalgroove-Monster hergestellt hat. Jetzt zu Funktionellerem. Ein weiterer Skandinavier, FORSS, vermeidet auf »Soulhack« Nujazz-Broken-Beats-Platitüden, und gibt sich indes auf solider Breakbeatbasis auf für das Sonar Kollektiv (Edel) auf reichlich düstere Pfade. 54 Minuten Broken-Beats-Mitternachtssonne! Nichts falsch machen kann mensch mit der Labelwerkschau »Futurism Ain’t Shit To Me« (Kitty Yo/MDM), wo bewährte Kräfte wie Gonzales, Pole, Dälek oder das Anti Pop Consortium sich in feinem Splitter-HipHop üben. Harmlos und nett zeigt sich eine weitere Label-Compilation, nämlich »2nd Anniversary Compilation« (Physical/Intergroove). 80 Minuten lockerer Dicsogroove. Ähnlich agiert IAN POOLEY, ehemaliges Force-Inc.-Urgestein, der auf »Souvenirs« (Ministry Of Sound Recordings/Pooled Music/Edel) ganz auf House und Disco setzt. Den Abschluss lassen wir WLF, dessen »Listen« (Twentysomething Tunes/Soul Seduction) auf 63 Minuten einen superben soundtrack-mäßigen Klangteppich zu knüpfen vermag.
Der Elektrobaukasten
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