Nun gleich, schnell, schnell, die vermeintliche intellektuelle Rehabilitierung durch eine bemühte Auseinandersetzung mit neuem Stoff für die urbane Hornbille: Eine 3-teilige Werkschau vom notorischen Veröffentlicher universitär-seminaristischer Klangwerke, ein sonares Kompendium als Anleitung für intellektuell-diskursive Konsumation und Produktion zeitgenössischer elektronischer Musik. Die Aufforderung zu einer einigermaßen fundierten Rezension der Compilation »Clicks & Cuts« (Mille Plateaux) verängstigt den Didi als ungeübten Schreiber ex ante. Die Sorge zerstreut sich durch Bier und Selbstüberschätzung.
Die in ein wunderbar minimalistisches Cover von der immer sehr guten Lia aus Wien gehüllten drei Tonträger stellen nicht nur eine profunde Werkschau des Frankfurter Labels dar, sie liefern auch einen unerwartet kurzweiligen und pointierten Einblick in ein weites Feld unterschiedlichster elektronischer Musik.
Von reduzierten Beats, zum digitalen Knacks, zum Brummen des Netzgerätes. Unter den zahlreichen Komponisten finden sich der alte Techno-Haudegen Reinhard Voigt ebenso wie Digital-Dubtüftler Kit Clayton oder der Klanglandschaftsarchitekt Fennesz.
Elektronische Musik, die ein strenges Ircam ebenso verlassen hat wie den öden Club. Eine neue, ernsthafte Musik, die neuen kompositorischen Zielen folgt, die spezifische Soft- und Hardware in allen Möglichkeiten und Mängeln bewusst anwendet und weiterentwickelt. Hörer und Komponisten haben für diese Musiken in ihren Köpfen längst die passenden Veranstaltungsorte gewählt und gefunden, bleibt zu hoffen, dass in der realen Welt auch die professionellen Veranstalter, Festivalisierer, Kuratoren und weitere u. a. auch finanziell inspirierten Zaungäste endlich die passenden Umgebungen finden.
Eines ist allerdings irritierend und deprimierend. Der Frauenanteil in diesem Genre tendiert gegen 0%. Die Verschwörung der Powerbookmännchen, Durchschnittsalter 30, weiß, akademischer Background? Den lieben Damen ist das Gebritzel wohl einfach nur zu fad …
Der gewissenhaft Herr ZEITBLOM aus Berlin steigt mit dem Betreiber des einschlägigen Wiener Wirtshauses »Zum digitalen Nerd« in einen Isolationstank »Bioplex in delay-environments#1« (-tourette) könnte dazu der recht angenehme Soundtrack sein. Hat sich der engagierte Phonotaktik- etc. -Gänger früher die Beine in den Bauch gestanden und seine Sinne durch schlechte visuelle und akustische Angebote demoralisiert, so kann er sich vielleicht demnächst nach mehrtägiger Wartezeit oder on-line-Vormerkung im Sawati-Tank erfrischen. Ich hoffe doch sehr, dass das LSD auf die Eintrittskarte gedampft ist.
Wesentlich bodenständiger agieren FAST FORWARD auf dem programmatischen Werk »Public Disorder« (Moloko). Pistolenbewehrte islamistische Cover-Damen schießen dem schamlos unvernünftigen Konsumenten den Weg frei zu höchsten Genüssen. Brutalgabber, Grindcore, eine infernalische Coverversion von »Der Mussolini«, es stimmen Komposition und Arrangement bis ins kleinste Detail. Hier agieren Geistesgestörte, hurra!
Ein weiteres Vordringen in musikalische Altwaren: »Mitten im Krieg« (Strangeways) der unaussprechlichen ostdeutschen Kultkombo INCHTABOKATABLES lässt wohl gehegte Ressentiments sofort ausbrechen. Das ist falsch. Ungeachtet des niederträchtigen Covers und des debilen Promotextes werden alle melancholischen Reiter auf den finsteren Wellen der 80er Jahre bestens bedient. Eine Platte, die die harten Zeiten des Sonnenlichts, der Vitalität und der finanziellen Strapazen durch Zwangsurlaube und Sunblocker bis zum rettenden Herbst durchzuhalten hilft.
Weiterhin verloren in einer rückwärtsgewandten Gegenwart mit dem unnötigen Sampler »Exorcising The Ghosts. The return of the austropop-zombies vs. the incredible gang of vienna super all and forever star producers« (Intonation). Eine recht halblustige Ansammlung uninspirierter Auseinandersetzungen mit dem belastenden Kulturphänomen Austropop. Jener war ein tristes Wiener Phänomen, diese Platte ist es auch. Mit Ausnahme der Highlights »Der Tschik« (Bauer, Potuznik, Ostermayer), »Jeanny« (Louie Austen, Mario Neugebauer) und »Ich spiele Leben« (Jeremiah) sind die Drecks, will schreiben Tracks, so dumm wie die Originale. Diese drögen Beatbox-Spielchen werden untergehen mit dem Label, das mit Libro untergeht.
Die engagierte Retrospektive widerfährt dem Schreiberling auf der Rückfahrt von einer Show. Die bereits legendären KITBUILDERS legen mit »Wake up« (World Electric) ihr von einschlägigen Typen wie Andrew Weatherall lang erwartetes Album vor. Selbiges huldigt mit aparter Damenstimme dem Elektro- oder Synthiepop der frühen 80er Jahre mit aller gebotenen Kompetenz und Eleganz. Entweder die alten Roland-Maschinen entstauben und mit der Allerliebsten loslegen oder sofort CD kaufen!
Zuletzt wird???s noch so richtig analog. ASWAD feiern auf dem prächtigen Live-Mitschnitt »25 live« (Eagle) ihr 25-jähriges Bestehen als britische Parade-Reggae-Kapelle. Gehört habe ich diese Kombo erstmalig als Zwerg in der seligen »Musicbox«. Seitdem sind sie nicht schlechter geworden. Die Herren rauchen gutes Gras und sind kaum in die kommerziellen Versuchungen des hitparadenträchigen Sunshine-Reggae gekommen. Es muss nicht immer der Shitsplash in Wiesen sein. Mit dieser Platte tut???s auch der eigene kleine Garten und genau dorthin geht jetzt der Bruckmayr. Schöne Ferien und schön brav studieren, damit aus Euch allen auch einmal so ein prächtiger Akademiker wird!