Am Dancefloor hat es sich seit Monaten ausgefickt, auf dem Ring schwenken Pfeifen Stieglfahnen, im Praterstadion hat man noch immer kein Impfrodeo angemeldet. Bevor man vor lauter schlechten News dem Autocorso seinen Mittelfinger schenkt, lausche man lieber des Abgrunds schönsten Liedern. Neu im Februar – die Inventur des Ösi-Underground.
Nella Lenoir – »Moontrip« (s/r)
La-Le-Lu, nur die Frau im Mond schaut zu. Nella Lenoir, Musikerin in Wien, hat ihren Mondkalender aktualisiert, ein Piano neben die flatternde Ami-Fahne gerollt und ein Cosmic Concert vor der versammelten Milchstraße gegeben. Ein kleiner Schritt für sie. Ein großer für die Menschheit, baby!
V.A. – »Get This: 32 Tracks For Free, A Tribute to Peter Rehberg« ($ pwgen 20)
Das Schweizer Weblabel $ pwgen 20 hat 32 Wegbegleiter von Peter Rehberg eingesackelt – und damit das umfassendste Denkmal an den verstorbenen Mego-Macher gesetzt. Ein Rausch, so wie ihn Peter geliebt hätte. Mit Ö-Beiträgen von chra, Tina Frank, Susanne Kirchmayr und General Magic.
PLF – »EPDEMO« (Opal Tapes)
Brandi, Kutin und König putzen Klinkenkabel für Opal Tapes. Erwarten darf man alles und wird trotzdem überrascht. Schließlich ist die Dreierkombo als PLF genauso wenig wie das britische Label daran interessiert, Mahlers »Fünfte« neu zu interpretieren. Räudiger ist nur ein Schluck aus der Dose mit den Zigarettenstummeln. Neissan!
Anna Lerchbaumer – »Love, Lullabies & Sleeplessness« (Eminent Observer)
Abwaschen, saugen, wischen. Putzen wird zur Obsession, wenn Kinder das größte Glück seit der letzten Vorsorgeuntersuchung sind. Bei Risiken oder Nebenwirkungen fragen sie ihr Aufnahmegerät.
Sleep Sleep – »Knives« (s/r)
Die FM4-Redaktion versammelt sich zum Spalier. Sleep Sleep, der Siebenschläfer mit der In-the-bed-Frisur, hat zwei Songs gemacht. Für einen huscht man aus dem Bett, um die Tanzschuhe zu polieren. Beim anderen ratzt man weg, als hätte man zwei Flaschen Schuhcreme inhaliert. Welcher landet im Sumpf?
Luna & The Black Dog – »Call of the Moon« (s/r)
Black Balloons verheddern sich in der Starkstromleitung, wenn Rebecca Dreiher und Marcel Nemec den Verstärker aufdrehen. Indierock scheppert auf der österreichischen Route 66, der Westeinfahrt. Fast ist man versucht, sich Sporen an die 600-Euro-Yeezy-Sneaker zu nageln.
The Good Force – »Wo ist Klaus!« (s/r)
Robert Wolf, der Mann, der sich seit 40 Jahren eine intravenös Rockmischung in den Blutkreislauf schießt, erlaubt sich die Chuzpe und sucht nach Klaus, um zur Liebezeit in die Pedale zu treten. Neu! ist daran nur der Name. Deshalb bleibt alles so, wie es ist. Puh.
Black Palms Orchestra – »Palm Fiction« (Seayou Records)
Christian Fuchs, ein FM4-Pallawatschist mit Sitzfleisch und Lederjacke, hat den Volksempfänger ins Metro Kino geschleppt, mit Monsterheart, GØRL und Konsortium das Adressbuch durchgeblättert und eine neue Black-Palms-Platte fabriziert. »Palm Fiction«, nach »Sad Moon Rising« und »Tropical Gothic« der heiligen Trinität letzter Schuss, ist wie Laura Palmer auf Acid. Jung, verbraucht und irgendwie heilig.
Woxow feat. Azeem – »Enough is Enough« (Little Beat More)
Little Beat More ist die Amalfiküste des Raps im Wiental. Ohne OG-Hype und East-Coast-Blingbling, dafür mit italienischer Grandezza und dem gewissen Gschpür für gesellschaftliche Molotov-Cocktails, sampelt sich Woxow durch die Soul-Sixties. Der Italiener in Wien bastelt Beats, für die jeder MC ein Mikrofon deepthroaten würde. Bald kommt die neue EP. Sollt’ man sich holen.
ANMA – »Cycles 3.0« (Syncopathic)
Hallo Tinnitus, hallo Andreas Mangweth! Die Innschbrucker Rauschkugel lutscht an Elektroschrott und feiert die Anatomie des Mixers. Nicht gerade als Easy-Listening-Tapete für Besuche von den Schwiegereltern geeignet, als quietschende Tiefseetauchstation aber ein Stausee für Psychonaut*innen.
felperc – »entropy« (s/r)
Death Doom auf Wienerisch: Eitrige, Krokodil, Sechzehnerblech. Nur für Anwärterinnen und Anwärter in klinischer Medizin zugelassen.
C.O.R.N! – »Vulkanland Jänner Männer« (s/r)
Spiel, Satz und Steiermark! C.O.R.N! sind Nick Acorne und Patrick Wurzwallner, zwei Symbionisten am Center Court für Kürbiskernöl und Krachkaputt, die mit Elektronik und Schlagzeugtrommel so tun, als hätten König Leopold die einhändige Rückhand überm heiligen Rasen abgefackelt.
Miles Matrix & dipmod – »What ho / 1997« (s/r)
Als hätten The Prodigy 1997 ein Fernstudium in chemischer Biologie begonnen, aus Langeweile einen Kaugummiautomaten geplündert und statt Drogen-, Sex- und Gewaltexzessen eine urbane Blumenwiese bestellt.
V.A. – »Fist Fucking Dancefloors Vol.1« (Tongræber)
Am Dancefloor hat es sich seit Monaten ausgefickt. Kein Bass, kein Bussi – nur Staub und allzu viele Sorgen um den nächsten Rausch. Die Tongræber-Bande aus Wien plant trotzdem Küchenpartys zum Wohnzimmertest, mit neuem Label, T-Shirts, Pipapo! Auf Vol. 1, dem Hallo-Welt-Release, verlegt die Wiener Szene Stacheldraht im Darkroom. ØFVCHS und Annika Stein legen drei Lines auf, während Hobson TLD alles wegrüsselt und BYDL kurz eine tschicken geht.
Fräulein Hona – »Fliegen lernen« (s/r)
Seit Konstantin Wecker sind Kinderlieder zu 99 Prozent bildungsbürgerliche Soziologieseminare, in denen der gehobene Zeigefinger weder im Po noch in Mexiko landet. Dass man davon absehen sollte, die Rasselbande mit Après-Ski-Hits zu sozialisieren (I mean …), steht nicht zur Diskussion. Das Vierergrüppchen Fräulein Hona hat sowieso ein besseres Angebot. Acht Akustikstücke für erste und letzte Worte – und mit »Fliegen« ein Hit für politische Erweckungserlebnisse in der Regenbogengruppe.
Hermann Nitsch – »Eighth Symphony« (TOCHNIT ALEPH)
Es tuscht von Biber- bis nach Mistelbach. Zum Frühschoppen gießt Bruckner Kaffee in seinen Sliwowitz. Die Kinder feiern ausnahmsweise Noise. Weil: Der Schüttschamane Nitsch hat 1990 als Jüngling seine 8. Sinfonie in Wien zur Aufführung gebracht. Hamma alle schon verdrängt, das Requiem in vier Teilen. Jetzt gibt’s das Brimborium digital – auf ex eine Dusche in fünf Litern Schweineblut.
Leptyss – »Tower of Absurdity« (s/r)
Maximilian Perstl, der Bringer der Nacht, krawallt in Nebelschwadenbildern und alle skandieren: Death, Death, Death! Im nächsten Leben werden wir Metallwarenhändler.
Marc Perin – »Seen This Before« (s/r)
Marc kommt aus Südtirol, hat es aber über den Brenner geschafft und unterrichtet mittlerweile an einer Innsbrucker Waldorfschule. Dort bemalt er mit den Kindern nicht nur seine Gitarren, sondern zeigt ihnen auch, was man damit anfangen kann, sobald man gelernt hat, wie man die Dinger wie ein Hackbrett bearbeitet.
Grimms Eye – »Throne« (s/r)
Sie fühlen sich von Jesuskindern, Neonazis oder der Man-kann-sich-ja-nicht-aussuchen-mit-wem-man-demonstriert-Bagage genervt? Die Wiener Schredderfabrik Grimms Eye schreddert schnell und zuverlässig. Mit Doom-Metal und Hardcore, dem verlässlichen Schutz gegen linke Schwurbler und rechten Schmutz. Jetzt neu. Probieren Sie es aus.
Gerhard Heinz – »Escape To Paradise OST« (Gerhard Heinz Archiv)
Songs, zu denen man sich den Allerwertesten mit Seide unterm Palmenbaum auswischen möchte. Eine von vielen Kitschschmonzetten, die der 94-jährige Elektroautofahrer und Apple-Aktienbesitzer Gerhard Heinz in seinem Leben vertont hat. Zum ersten Mal digital – »Making Love on The Yacht«!
Paul Ebhart – »Thesosung« (s/r)
Meister Ebhart teilt seine Kunscht auf einer Solo-EP, zu der man rückwärts in die Votivgarage einparkt. Gelernt hat man dieses Kunststück in drei Semestern an der Richter-Klasse. Oder tut zumindest so. Alternativ reichte auch der Anflug posher Isolation und das versehentliche Abspielen der Morning Show auf NTS, während man nach seinem Grünen Pass scrollt.
Planetary Grid – »I« (s/r)
Ex-Herla-Hälfte und Technoprügelknabe Daniel Knoll führt ein neues Projekt: Als Planetary Grid produziert er Bumbum für den Pengpengkeller. Neun Tracks sind ein Album und bedeuten Arbeit für den Kieferorthopäden – zwischen Acid auf der 303 und Tool Time zum Fünfuhrtee, Closing-Tränen und Kas:st-Vibes zur After Hour. Dafür bückt man sich im Darkroom heftig.
Garung – »Pan« (s/r)
Aus dem Whitecube in den Wald. Des Nächtens. Allein. Buh!
Fuck Sorry! – »Eat Shit« (s/r)
Wer sich in den letzten Jahren in die Pankahyttn, das Arena Beisl oder Venster verirrt hat, dachte sich schon mal: Fuck Sorry! Die vier Wiener:innen schreien »Halt’s Maul«, nach eineinhalb Minuten ist alles gesagt. Mic-Drop, Tschau … Kakau!
Aljhon Phan – »Meharme Sevemem« (s/r)
Wer kennt’s nicht, da hat man ein paar Tage für sich, schraubt an einem Einbauschrank von Modularsystem und Knarz, Peng, Zisch – schon hat man eine Platte produziert, die ein Bein in die Grelle Forelle stellt und das andere in die Badewanne hängt. Aljhon, der als Hälfte von ravenandphan elektronische Eleganza hochhält, ist so ein Teil ausgekommen. Regierte beim Donaufestival nicht die Silberrückenmafia, der Mann dürfte morgen in der Minoritenkirche eine Messe lesen.
Brånd – »Wo draht da Weg?« (Fallow Field/Födweg)
In Oberösterreich wird nirgends grausamer gegurgelt als am Födweg. Labelchef Brånd pfeift sich die Salzlake durchs linke Nasenloch, stopft sich das Röhrchen ins rechte und spuckt eine Mischung aus Blümchen Blau mit Dornenkrone, Lou Vega und Schnitzelresten ins Reagenzglas.
Peace Vaults – »Peace Vaults« (Födweg)
Ana Threat und Rosa Nebel – what could possibly go wrong? Wer zur Monatsmitte den Nietengürtel enger schnallen muss, schnappt sich ein Tape und durchlauferhitzt im Laufe einer halben Stunde Schreitherapie die Stimmbänder auf Ton-Steine-Scherben-Temperatur.
Paul Walter – »noshame EP« (s/r)
Paul Walter ist der Ricardo Villalobos des Micro-House. Nicht so deep, nicht so verkokst, aber wenn man zwölf Minuten lange Stücke raushaut, die zwischen einer ADHS-Diagnose und dem Uralt-Gameboy von 1993 herumpiepsen, kann man sich schon mal zur Speckjause in den Sass Club einladen.
Small Souki – »Nature« ft. The Big Trouble Band (s/r)
Hätte Kurt Cobain 1992 dem Smack abgesagt und Violine gelernt, wäre aus Seattle auch nicht Thessaloniki geworden. Small Souki, eine griechische Musikerin in Wien, wäre das egal gewesen. Ihre Musik verschmiert das Räudige im Garagen-Grunge und bringt die experimentelle Steilvorlage für einen Song, bei der man ohne Pathospanik drüberfiedeln kann, um sich über die Welt, das Leben und die allgemeine Scheißsituation auszukotzen.
Katharina Klement – »Wasserlauf« (s/r)
Manche Menschen strahlentherapieren sich bei 600 Watt vor der Mikrowelle. Andere lauschen Katharina Klement bei ihren Ausflügen in die Solipsismusfalle. Deep Listening mit einer der spannendsten elektroakustischen Künstler*innen aus Österreich!
Ca.tter – »Transformation« (Sounding Functions)
Catarina Pratter, Urkrachmacherin zwischen Dubstep und Electro-Underground in Wien, bringt ein neues Album – and it’s going to be daaaark! Irgendwo zwischen Lötworkshop und Aluhutfraktion knistert die Luft. 5G fickt auch 20 Meter unter der Erde.
Gfeanzt & Zwida – »alltagsgrausligkeiten« (s/r)
Die zwei Strizzis von Gfeanzt & Zwida sind der Goldene Schnitt zwischen Marlboro-Aschenbecher, Maggi-Flascherl und Vodoo Jürgens nach 5/8erl in Ehr’n. »Gfrast« haben die beiden vor zwei Jahren aufgenommen. Klampfe am Anschlag, räudig drübergespuckt – ein Rausschmeißersong für verlorene Seelen und Pickengebliebene.
Ai fen – »Daily Grief« (Tender Matter)
Ai fen lebt in Prag, veröffentlicht mit Tender Matter aber in Wien. Es ist die In-Adresse für Bubblegum-Vocals, bei der sich Björk alle Elbenfinger abschleckt. Dass »Daily Grief« stimmungstechnisch trotzdem in die Tiefen des Infernos steuert, hängt damit zusammen, dass Ai fen über Beats haucht, für die andere schon im Kerker landeten. Geil, aber gruslig.